Auswahl der Briefe
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Nr.
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Überschrift / Briefe an ... | Kapitel |
1 | Römer | 1 - 16 |
2 | 1. Korinther | 1 - 16 |
3 | 2. Korinther | 1 - 13 |
4 | Galater | 1 - 6 |
5 | Philipper | 1 - 4 |
6 | Kolosser | 1 - 4 |
7 | 1. Thessalonicher | 1 - 5 |
8 | 2. Thessalonicher | 1 - 3 |
9 | Epheser | 1 - 6 |
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Der Brief an die Römer
Einleitung
Während Paulus die Wintermonate des Jahres 57 auf 58 in Korinth verbrachte, richtete er ein Schreiben an die Christengemeinde in Rom. Zwar kannte er einzelne ihrer Mitglieder, die Mehrheit aber war ihm unbekannt. Und weil er bald nach der Welthauptstadt zu kommen hoffte, um von dort nach Spanien zu gehen, da ihm der Osten kein ausreichendes Arbeitsfeld mehr bot (Röm 15,23-24), so sollte der Brief sein Kommen vorbereiten. Die verhältnismäßig stille Winterzeit gab dem Apostel auf dem Höhepunkt seiner Missionstätigkeit die erforderliche Muße, um die schon im Galaterbrief anklingenden Grundgedanken der Erlösungslehre noch ausführlicher zu behandeln. Das Verhältnis zwischen jüdischem Gesetz und christlicher Freiheit oder zwischen den „Werken des Gesetzes“ und dem „Glauben“ hatte den Geist des Apostels schon lange beschäftigt. An wen hätte er eher darüber schreiben sollen als an die blühende Christengemeinde Roms, gemischt aus ehemaligen Juden und Heiden, wobei die Heidenchristen in der Mehrheit waren? Das Fehlen stärkerer persönlicher Beziehungen zu dieser Gemeinde ermöglichte eine ruhige und tiefgreifende Erörterung dieser Lebensfragen der jungen Kirche. So entstand in jenem Wintermonaten das bedeutsamste aller paulinischen Schreiben, dessen Gehalt bis heute noch kein christlicher Denker ausgeschöpft hat.
Nach der üblichen Anschrift und Begrüßung (1,1-7) darf Paulus der römischen Gemeinde hohes Lob spenden und den Leitgedanken seines Schreibens aussprechen (1,8-17). Dann legt er im ersten Hauptteil dar, daß weder die Philosophie der Heiden noch das Gesetz der Juden, sondern nur der lebendige Glaube an Jesus Christus dem sündigen Menschen die Rechtfertigung verschaffen kann (1,18-11,36). Der zweite Hauptteil mahnt zur sittlichen Gestaltung des Christenlebens (12,1-15,13). Persönliche Mitteilungen und eine reiche Grußliste bilden den Schluß (15,14-16,27).
1 Gruß. 1 Paulus, Knecht Christi Jesu, berufen zum Apostel, auserwählt für die Heilsbotschaft Gottes, 2 die Gott schon längst verheißen hat durch seine Propheten in den heiligen Schriften, 3 von seinem Sohne, der dem Fleische nach aus dem Geschlechte Davids stammte, 4 dem Heiligen Geiste nach als Gottes Sohn machtvoll erwiesen wurde durch seine Auferstehung von den Toten, von Jesus Christus, unserm Herrn. 3-4 Paulus bekennt hier deutlich seinen Glauben an den Gottmenschen Jesus Christus, dessen menschliche und göttliche Natur er unterscheidet. 5 Durch ihn haben wir Gnade und Apostelamt empfangen, um alle Völker zum Gehorsam im Glauben zu führen um seines Namens willen, 6 zu denen auch ihr gehört, Berufene von Jesus Christus. 7 Euch allen, Gottgeliebten, berufenen Heiligen in Rom, sei Gnade und Friede von Gott, unserem Vater, und dem Herrn Jesus Christus.
Freude über den Zustand der Gemeinde. 8 Vor allem danke ich meinem Gott durch Jesus Christus für euch alle, weil euer Glaube in der ganzen Welt gerühmt wird. 9 Gott, dem ich in meinem Geiste durch die Verkündigung der frohen Botschaft von seinem Sohne diene, ist mein Zeuge, daß ich unablässig euer gedenke. 10 Allzeit flehe ich in meinen Gebeten, es möchte mir doch endlich einmal nach Gottes Willen gelingen, zu euch zu kommen. 11 Denn ich sehne mich danach, euch zu sehen, um euch irgendeine geistige Gnadengabe mitteilen zu können zu eurer Stärkung, 12 das heißt, damit wir uns gegenseitig trösten durch unsern Glauben, den euren sowohl wie den meinen. 13 Es liegt mir daran, euch wissen zu lassen, Brüder, daß ich schon oft vorhatte, zu euch zu kommen; leider wurde ich bis jetzt daran gehindert. Ich möchte eben auch bei euch einige Früchte erhalten, wie bei den andern Völkern. 14 Griechen und Barbaren, Gebildeten und Ungebildeten bin ich Schuldner. 14: Wie Paulus sich als Schuldner aller bekennt, so trägt jeder Christ Mitverantwortung für das Heil seiner Mitmenschen. Keiner ist im Religiösen unabhängig. 15 So bin ich, was an mir liegt, bereit, auch euch in Rom die Heilsbotschaft zu verkünden.
Angabe des Themas. 16 Ich schäme mich der Heilsbotschaft nicht. Ist sie ja eine Gotteskraft zum Heil für jeden, der glaubt, für den Juden zuerst und auch für den Heiden. 16: Wer sich seines Glaubens in Christus schämt, beweist, daß er ihn nicht kennt. 17 In ihr wird offenbar die Rechtfertigung durch Gott, die aus dem Glauben stammt und zum Glauben führt, wie geschrieben steht: Der Gerechte lebt aus dem Glauben (Hab 2,4).
Rechtfertigung durch Jesus Christus
Heilsbedürftigkeit der Menschheit
Die Sünde der Heidenwelt. 18 Gottes Zorn wird vom Himmel her offenbar über alle Gottlosigkeit und Ungerechtigkeit der Menschen, welche die Wahrheit [Gottes] durch ihre Ungerechtigkeit unterdrücken. 19 Was man von Gott erkennen kann, ist ihnen offenbar, Gott selbst hat es ihnen geoffenbart. 20 Sein unsichtbares Wesen, seine ewige Macht und Göttlichkeit sind seit Erschaffung der Welt durch das Licht der Vernunft an seinen Werken zu erkennen. Deshalb sind sie nicht zu entschuldigen. 21 Denn, obwohl sie Gott erkannten, haben sie ihn doch nicht als Gott geehrt, noch ihm gedankt, sondern wurden töricht in ihren Gedanken, und ihr unverständiges Herz wurde verfinstert. 22 Weise meinten sie zu sein und sind Toren geworden. 23 Die Herrlichkeit des unvergänglichen Gottes vertauschten sie mit dem Bilde von vergänglichen Menschen, Vögeln, vierfüßigen und kriechenden Tieren. 18-23: Der Glaubenssatz, daß wir mit dem Lichte der Vernunft das Dasein Gottes aus den geschaffenen Dingen erkennen können, ist hier unzweideutig gelehrt. Nur durch eigene Schuld ist Unkenntnis Gottes möglich. „Nur der Tor spricht in seinem Herzen: Es gibt keinen Gott!“ 24 Darum überließ sie Gott den Gelüsten ihres Herzens, der Unreinigkeit, so daß sie ihre eigenen Leiber entehrten. 25 Den wahren Gott haben sie mit falschen Götzen vertauscht und die Geschöpfe verehrt und angebetet anstatt des Schöpfers, der gepriesen sei in Ewigkeit. Amen. 26 Darum überließ sie Gott schändlichen Leidenschaften; ihre Weiber vertauschten den natürlichen Verkehr mit dem widernatürlichen. 27 Ebenso verließen auch die Männer den natürlichen Umgang mit der Frau und entbrannten in wilder Gier gegeneinander; Männer verübten Schamloses aneinander und empfingen den gebührenden Lohn für ihre Verwirrung an sich selbst. 28 Weil sie die Gotteserkenntnis verwarfen, überließ sie Gott ihrer verworfenen Gesinnung, so daß sie taten, was nicht recht ist. 29 Sie wurden voll jeglicher Ungerechtigkeit, Bosheit, [Unzucht,] Habsucht, Schlechtigkeit, voll Neid, Mord, Hader, Arglist, Tücke. Sie sind Ohrenbläser, 30 Verleumder, Gottesfeinde, Spötter, Stolze, Prahler, Erfinder von Bösem, widerspenstig gegen Eltern, 31 unvernünftig, ungeordnet, ohne Liebe, ohne Treue, ohne Erbarmen. 32 Zwar kennen sie die göttliche Rechtsordnung (und wissen), daß jene den Tod verdienen, die solches treiben, dennoch tun sie es nicht nur selbst, sondern zollen auch denen noch Beifall, die es treiben. 26-32: Paulus, der nicht übertreibt, zeichnet hier ein erschütterndes Bild der sittlichen Zustände im Heidentum. Die Wurzel all dieser Verkommenheit aber ist die Abwendung von Gott. Das sechste Gebot wird dort am meisten übertreten, wo das erste nicht beobachtet wird.
2 Die Sünde der Juden. 1 Darum bist du unentschuldbar, o Mensch, der du dich zum Richter aufwirfst, wer immer du bist; denn während du den andern richtest, verurteilst du dich selbst; du tust ja dasselbe, du als Richter. 2 Denn wir Wissen, daß das Gericht Gottes der Wahrheit gemäß ist gegen die, welche solches tun. 3 Vermeinst aber du, o Mensch, der du diejenigen richtest, die solches tun, und tust es selber auch, daß du dem Gerichte Gottes entrinnen wirst? 4 Oder verachtest du den Reichtum seiner Güte, Geduld und Langmut? Weißt du nicht, daß die Güte Gottes dich zur Bekehrung leitet? 5 Aber durch deine Hartnäckigkeit und dein unbußfertiges Herz häufest du dir Zorn auf für den Tag des Zornes und der Offenbarung des gerechten Gerichtes Gottes, 6 der einem jeden vergelten wird nach seinen Werken! 7 denen, die durch Beharrlichkeit im Guten Herrlichkeit und Ehre und Unvergänglichkeit suchen, mit ewigem Leben, 8 denen aber, die streitsüchtig sind und der Wahrheit sich nicht beugen, dagegen der Ungerechtigkeit sich hingeben, mit Zorn und Ungnade, 9 Trübsal und Angst kommen über jede Menschenseele, die das Böse tut, über den Juden zuerst, aber auch über den Heiden; 10 Herrlichkeit aber und Ehre und Friede jedem, der das Gute wirkt, dem Juden zuerst, aber auch dem Heiden. 11 Denn es gibt keine Bevorzugung der Person bei Gott. 12 Alle nämlich, die, ohne das Gesetz zu kennen, gesündigt haben, werden ohne Gesetz verlorengehen, und alle, die im Gesetze gesündigt haben, werden durch das Gesetz gerichtet werden. 13 Denn nicht die Hörer des Gesetzes sind gerecht vor Gott, sondern die Befolger des Gesetzes werden gerechtfertigt werden. 14 Wenn nämlich die Heiden, die das Gesetz nicht haben, von Natur aus die Vorschriften des Gesetzes erfüllen, so sind sie, die das Gesetz nicht haben, sich selbst Gesetz. 15 Sie zeigen damit, daß der Inhalt des Gesetzes in ihre Herzen geschrieben ist, indem ihnen ihr Gewissen Zeugnis gibt und untereinander die Gedanken sich anklagen oder verteidigen, 16 an dem Tage, da Gott richten wird das Verborgene der Menschen nach meiner Heilsverkündung durch Jesus Christus. 14-16: Ein doppeltes Gesetz bindet den Menschen an Gott: Jedem Menschen ist das Naturgesetz ins Herz geschrieben. Es wird ihm bekannt durch die Stimme des Gewissens. Darüber hinaus hat Gott den Israeliten im Alten Bund das Gesetz der Offenbarung gegeben.
Pochen auf das Gesetz nutzlos. 17 Du nennst dich stolz einen Juden, verläßt dich auf das Gesetz, und rühmst dich Gottes. 18 Du kennst seinen Willen und weißt, vom Gesetze belehrt, zu beurteilen, was mehr frommt. 19 Du traust dir zu, ein Führer der Blinden zu sein, ein Licht derer, die im Finstern sind, 20 ein Erzieher der Unverständigen, ein Lehrer der Unmündigen, der du doch die Richtschnur der Erkenntnis und Wahrheit im Gesetze besitzest. 21 Einen anderen lehrst du, und dich selbst belehrst du nicht? Du predigst, man dürfe nicht stehlen, und stiehlst? 22 Du sprichst, man dürfe nicht ehebrechen, und brichst die Ehe? Du verabscheust die Götzenbilder und beraubst doch ihre Tempel? 23 Du rühmst dich des Gesetzes und entehrst Gott durch Übertretung des Gesetzes? 24 Der Name Gottes wird doch euretwegen gelästert unter den Heiden, wie geschrieben steht (Is 52,5). 17-24: Der klarere Einblick in den Willen Gottes erhöht die Verantwortlichkeit. Wo das Leben im Gegensatz zur Lehre steht, wird die Religion zum Gespött.
Wert der Beschneidung. 25 Die Beschneidung nützt zwar, wenn du das Gesetz beobachtest; wenn du aber ein Übertreter des Gesetzes bist, so ist dein Judentum zum Heidentum geworden. 26 Wenn also der Unbeschnittene die Vorschriften des Gesetzes hält, wird ihm nicht sein Heidentum als Judentum angerechnet werden? 27 Und wird nicht der von Natur Unbeschnittene, der das Gesetz erfüllt, dich richten, der du trotz der Schrift und der Beschneidung ein Übertreter des Gesetzes bist? 28 Denn nicht der ist ein Jude, der es äußerlich ist; auch taugt die Beschneidung nichts, die nur äußerlich am Leibe vollzogen ist. 29 Vielmehr ist der ein Jude, der es innerlich ist und die Beschneidung des Herzens dem Geiste, nicht dem Buchstaben nach an sich trägt. Lob wird einem solchen freilich nicht von Menschen, sondern von Gott zuteil. 25-29: Nicht die äußere Zugehörigkeit zur Religionsgemeinschaft macht den Menschen wohlgefällig vor Gott, sondern rechte Gesinnung und Tat, im Alten wie im Neuen Bund.
3 Stellung der Juden. 1 Was hat nun der Jude voraus, oder was nützt die Beschneidung? 2 In jeder Hinsicht viel. Vor allem sind ihnen die Verheißungen Gottes anvertraut worden. 3 Doch wie? Wenn einige von ihnen die Treue gebrochen haben, wird etwa ihre Untreue die Treue Gottes aufheben? 4 Nimmer mehr! Gott muß als wahrhaftig dastehen, jeder Mensch dagegen als Lügner, wie geschrieben steht: Daß du gerecht befunden werdest in deinen Worten und den Sieg erhaltest, wenn man dich richtet (Ps 51,6). 5 Wenn aber unsere Ungerechtigkeit die Gerechtigkeit Gottes dartut, was werden wir sagen? Ist etwa Gott menschlich gesprochen, ungerecht, da er die Strafe verhängt? 6 Nimmermehr. Wie wird denn Gott sonst die Welt richten? 7 Wenn die Wahrheit Gottes durch meine Lüge um so größer erscheint und zu seiner Verherrlichung dient, warum werde ich dann noch als Sünder verurteilt? 8 Sollten wir etwa, wie man uns lästert und wie wir nach einigen behaupten sollen, das Böse tun, damit Gutes daraus werde? Deren Verurteilung ist allerdings gerecht. 1-8: Ein für allemal bleibt dem Volke Israel der Vorzug, daß Gott es unverdient zum Träger seiner Offenbarung gemacht hat. Israels klägliches Versagen läßt Gottes Güte in noch hellerem Licht erscheinen. Niemand darf daraus den Fehlschluß ziehen, ein guter Zweck heilige jemals ein schlechtes Mittel.
Allgemeine Sündhaftigkeit. 9 Wie also? Haben wir (Juden) etwas vor ihnen voraus? Keineswegs; denn wir haben vorhin die Anklage erhoben, daß Juden und Heiden alle unter der Herrschaft der Sünde sind. 10 Wie geschrieben steht: Gerecht ist auch nicht einer, 11 keiner ist verständig, keiner, der Gott sucht. 12 Alle sind abgewichen, sind unnütz geworden, keiner ist, der Gutes tue, auch nicht einer. 13 Ein offenes Grab ist ihre Kehle, mit ihren Zungen üben sie Trug. Schlangengift ist unter ihren Lippen. 14 Ihr Mund ist voll von Fluch und Bitterkeit. 15 Ihre Füße sind schnell zum Blutvergießen, 16 Verderben und Unglück ist auf ihren Wegen, 17 den Weg des Friedens kennen sie nicht, 18 Furcht Gottes ist nicht vor ihren Augen (Ps 14,2. 3). 19 Wir wissen aber, daß das Gesetz alles, was es sagt, denen sagt, die unter dem Gesetze sind, damit jeder Mund verstumme und alle Welt dem Gericht Gottes unterstehe. 20 Denn durch die Werke des Gesetzes wird kein Mensch vor ihm gerechtfertigt; das Gesetz ist ja nur der Weg zur Erkenntnis der Sünde (Gal 2,16). 9-20: In dem gänzlichen Unvermögen, sich selbst aus Schuld und Sünde zu erlösen, sind Juden und Heiden gleich. Selbsterlösung ist ein Irrwahn. Auch das Gesetz vermag nicht zu retten. Es zeigt wohl, was Sünde sei, verleiht aber dem schwachen Menschen nicht die Kraft zum sündenreinen Leben.
Das Wesen der Rechtfertigung
Der rechtfertigende Glaube. 21 Jetzt aber ist Gerechtigkeit Gottes ohne Gesetz offenbar geworden, bezeugt vom Gesetz und den Propheten, 22 nämlich Gerechtigkeit durch den Glauben an Jesus Christus, allen [und über alle], welche an ihn glauben; denn es ist kein Unterschied. 23 Denn alle haben gesündigt und ermangeln der Herrlichkeit Gottes. 24 Sie werden gerechtfertigt ohne Verdienst durch seine Gnade, durch die Erlösung in Christus Jesus. 25 Ihn hat Gott dargestellt als blutiges Sühneopfer [das wirksam wird] durch den Glauben, um seine Gerechtigkeit zu erweisen. In seiner göttlichen Langmut hat er die früher begangenen Sünden hingehen lassen, 26 um in der jetzigen Zeit seine Gerechtigkeit zu erweisen, damit er selber gerecht sei und denjenigen rechtfertige, der den Glauben an Jesus Christus hat. 27 Wo ist also dein Rühmen? Es ist ausgeschlossen! Durch welches Gesetz? Das der Werke? Nein, sondern durch das Gesetz des Glaubens. 28 Denn wir halten dafür, daß der Mensch durch den Glauben gerechtfertigt werde, ohne die Werke des Gesetzes. 28: Mit den „Werken des Gesetzes“ sind nicht die guten Werke des Christen gemeint, in denen der Glaube erst seine Lebenskraft beweist, sondern jüdische Gesetzeswerke, denen keine rechtfertigende Kraft innewohnt. Hätte Luther den Vers nicht falsch gedeutet, so wäre die berühmt gewordene Einfügung des Wörtchens „allein“ berechtigt gewesen. 29 Oder gehört Gott nur den Juden an, nicht auch den Heiden? Ja doch auch den Heiden. 30 Denn es gibt nur einen Gott, und der rechtfertigt die Beschnittenen aus dem Glauben und die Unbeschnittenen durch den Glauben. 31 Heben wir also das Gesetz auf durch den Glauben? Nimmermehr, sondern wir bestätigen das Gesetz. 21-31: Was weder die heidnische Philosophie noch das jüdische Gesetz zu gewähren vermochten, das erlangen alle Menschen im Glauben an Jesus Christus: Sein Erlösungstod schenkt denen, die sich gläubig ihm anschließen, die „Herrlichkeit Gottes“, d. h. das übernatürliche Gnadenleben. Keine Nation ist mehr dabei bevorzugt.
4 Abrahams Rechtfertigung durch den Glauben. 1 Was werden wir also sagen, daß unser Vater dem Fleische nach, Abraham, erlangt habe? 2 Ist Abraham aus Werken gerechtfertigt worden, so hätte er Grund, sich zu rühmen, aber nicht vor Gott. 3 Denn was sagt die Schrift? Abraham glaubte Gott, und dies wurde ihm zur Gerechtigkeit angerechnet (1 Mos 15, 6). 4 Wer Werke vollbringt, dem wird der Lohn nicht aus Gnade, sondern nach, Schuldigkeit angerechnet. 5 Wer dagegen keine Werke vollbringt, wohl aber an den glaubt, der den Sünder rechtfertigt, dem wird sein Glaube zur Gerechtigkeit angerechnet [nach dem Ratschlusse der Gnade Gottes]. 6 So spricht auch David den Menschen selig, dem Gott Gerechtigkeit ohne Werke zurechnet: 7 Selig, deren Missetaten vergeben und deren Sünden bedeckt sind; 8 selig der Mann, welchem Gott die Sünde nicht zurechnet (Ps 32,1. 2). 1-8: Auch im Alten Testament erfolgte die Rechtfertigung durch den Glauben und nicht durch natürliche Werke. Dies sehen wir an Abraham, der nicht um seiner Werke willen, sondern für seinen Glauben die Rechtfertigung erhielt. Aus Gnade hat ihn Gott gerechtfertigt; und ebenso war es bei David.
Abraham gerecht vor der Beschneidung. 9 Gilt nun diese Seligpreisung nur von den Beschnittenen oder auch von den Unbeschnittenen? Wir sagen ja, daß dem Abraham der Glaube zur Gerechtigkeit angerechnet ward. 10 Wie ward er ihm denn angerechnet? Nach der Beschneidung oder vor der Beschneidung? Nicht nach, sondern vor der Beschneidung. 11 Er erhielt die Beschneidung als Siegel, und zwar als Zeichen der Gerechtigkeit, die im Glauben liegt, den er vor der Beschneidung schon hatte. Er sollte Vater aller unbeschnittenen Gläubigen sein, so daß auch ihnen die Gerechtigkeit angerechnet wird. 12 Und er sollte auch der Vater der Beschnittenen sein, nicht bloß derer, welche die Beschneidung haben, sondern auch derer, welche den Fußstapfen des Glaubens nachwandeln, den unser Vater Abraham vor der Beschneidung hatte. 9-12 Als Abraham gerechtfertigt wurde, war er noch unbeschnitten; also können auch Heiden = Unbeschnittene das Heil erlangen. 13 Nicht durch das Gesetz wurde die Verheißung dem Abraham oder seiner Nachkommenschaft, daß er Erbe der Welt sein solle, sondern durch die Glaubensgerechtigkeit. 14 Denn wenn die Anhänger des Gesetzes Erben sind, so ist der Glaube wertlos und die Verheißung nichtig. 15 Das Gesetz wirket ja Zorn. Wo aber kein Gesetz ist, da ist auch keine Übertretung.
Vertrauen Abrahams. 16 Deshalb gilt: Auf Grund des Glaubens und somit aus Gnade, damit die Verheißung gültig bleibe für alle Nachkommen, nicht bloß für den, der das Gesetz hat, sondern auch für den, der den Glauben Abrahams hat; er ist ja unser aller Vater, 17 wie geschrieben steht: Zum Vater vieler Völker habe ich dich bestellt. Gott hat er geglaubt, der die Toten lebendig macht und das, was nicht ist, ins Dasein ruft. 16: Unser aller Vater kann Abraham nur genannt werden, wenn nicht mehr aus dem Blute, sondern aus dem Geiste, nicht mehr aus dem Gesetz, sondern aus dem Glauben das Kindesverhältnis zu Gott erwächst. 18 Gegen alle Hoffnung hat er voll Hoffnung geglaubt, daß er Vater vieler Völker würde, weil ihm gesagt worden: So (zahllos) wird deine Nachkommenschaft sein (1 Mos 15,5). 19 Und er ward nicht schwach im Glauben, beachtete weder seinen erstorbenen Leib, da er beinahe hundert Jahre alt war, noch den erstorbenen Schoß der Sara. 20 Er zweifelte nicht ungläubig an der Verheißung Gottes, sondern erstarkte im Glauben, indem er Gott die Ehre gab 21 in der festen Überzeugung, daß er mächtig ist, auch zu tun, was immer er versprochen hat. 22 Darum wurde es ihm auch angerechnet zur Gerechtigkeit. 23 Aber nicht bloß seinetwegen steht geschrieben, es sei ihm angerechnet worden zur Gerechtigkeit, 24 sondern auch um unsertwillen, denen es wird angerechnet werden, wenn wir glauben an den, der unsern Herrn Jesus Christus von den Toten auferweckt hat, 25 ihn, der dahingegeben wurde um unserer Sünden willen und auferstanden ist um unserer Rechtfertigung willen. 13-25: Von allen Menschen gilt, was an Abraham geschah: Nicht das Gesetz, sondern der Glaube wird ihnen der Weg zum Heil. Aber es muß ein starker Glaube sein, der auch dann nicht wankt, wenn alles verloren zu sein scheint (V. 18).
Die Früchte der Rechtfertigung
5 Friede mit Gott. 1 Gerechtfertigt also durch den Glauben haben wir Frieden mit Gott durch unsern Herrn Jesus Christus. 2 Durch ihn haben wir mittels des Glaubens auch Zutritt zu dieser Gnade, in der wir stehen, und rühmen uns ob der Hoffnung auf die Herrlichkeit [der Kinder] Gottes. 3 Aber nicht allein dies, sondern wir rühmen uns auch ob der Trübsale, da wir wissen, daß Trübsal Geduld wirkt (Jak 1,3), 4 die Geduld Bewährung, die Bewährung aber Hoffnung. 5 Die Hoffnung aber trügt nicht; denn die Liebe Gottes ist ausgegossen in unsere Herzen durch den Heiligen Geist, der uns gegeben ist. 3-5: Der Geist Gottes lehrt uns, das Leid nicht in stummer Ergebung hinzunehmen, sondern ihm hohe positive Werte abzugewinnen. 6 Denn Christus ist, da wir noch schwach waren, zur rechten Zeit für Gottlose gestorben. 7 Es stirbt nämlich kaum jemand für einen Gerechten; für den Wohltäter dürfte vielleicht jemand den Mut haben, zu sterben. 8 Gott aber erweist seine Liebe zu uns dadurch, daß Christus für uns gestorben ist, da wir noch Sünder waren. 9 Um so viel mehr also werden wir jetzt, da wir in seinem Blute gerechtfertigt sind, durch ihn vor dem Zorne bewahrt werden. 10 Wurden wir, solange wir Feinde waren, versöhnt mit Gott durch den Tod seines Sohnes, so werden wir um so mehr als Versöhnte errettet werden durch sein Leben. 11 Und nicht allein dies, sondern wir rühmen uns auch Gottes durch unsern Herrn Jesus Christus, durch den wir jetzt Versöhnung empfangen haben. 1-11: Die Sünde hatte Feindschaft zwischen Gott und den Menschen geschaffen. Christi Erlösungstod brachte den Frieden. Nachdem er aus reiner Liebe soviel für uns Sünder tat, was dürfen wir da erst als Erlöste von seiner Güte erwarten! Dem Christen ziemt steter Optimismus.
Vergleich zwischen Adam und Christus. 12 Demnach, gleichwie durch einen Menschen die Sünde in die Welt gekommen ist und durch die Sünde der Tod, und so auf alle Menschen der Tod deshalb übergegangen ist, weil alle gesündigt haben. 12: Der Satz ist unvollendet. 13 Zwar gab es bis zum Gesetz Sünde in der Welt; aber die Sünde wird nicht zugerechnet, wenn kein Gesetz da ist. 14 Aber der Tod herrschte von Adam bis auf Moses auch über diejenigen, welche nicht durch eine ähnliche Übertretung wie Adam sündigten. Dieser (Adam) ist ein Vorbild des zukünftigen. 15 Aber nicht wie mit der Sünde (durch den einen) verhält es sich auch mit der Gnade. Denn wenn durch des einen Sünde die vielen gestorben sind, so ist die Gnade Gottes und die Gabe in der Gnade des einen Menschen Jesus Christus um so reicher auf die vielen übergegangen. 16 Und nicht wie mit der Sünde durch den einen verhält es sich auch mit der Gnade; denn das Gericht ging von einer Sünde aus (und führte) zu der Verdammung, die Begnadigung aber von vielen Sünden zur Rechtfertigung. 17 Wenn durch die Sünde des einen der Tod herrschte durch den einen, werden um so mehr die, welche die Fülle der Gnade und der Gabe der Rechtfertigung empfangen, im Leben herrschen durch den einen Jesus Christus. 18 Wie also durch des einen Sünde auf alle Menschen Verdammnis kam, so kommt auch durch des einen Gerechtigkeit auf alle Menschen Rechtfertigung zum Leben. 19 Wie nämlich durch den Ungehorsam des einen Menschen die vielen zu Sündern geworden sind, so werden auch durch den Gehorsam des einen die vielen zu Gerechtigkeit gemacht. 20 Das Gesetz aber kam hinzu, damit die Sünde überhand nehme; als aber die Sünde überschwenglich war, wurde die Gnade noch überschwenglicher. 21 Wie die Sünde herrschte durch den Tod, so sollte die Gnade herrschen mittels der Rechtfertigung zum ewigen Leben durch Jesus Christus, unsern Herrn. 12-21: Christus ist als Erlöser der Stammvater eines neuen Geschlechtes. Von Adam gingen Sünde, Tod und Elend auf alle seine Nachkommen über; von Christus fließt die Fülle des neuen Lebens der Gnade auf alle über. Die Lehre von der Erbsünde ist hier biblisch begründet. Bei Erwägung dieser paulinischen Erlösungslehre hat der hl. Augustinus das kühne Wort geprägt: „O glückhafte Schuld, die einen solch herrlichen Erlöser verdient hat!“ Wer über das Geheimnis der Bosheit grübelt, darf das Geheimnis der noch größeren Liebe nicht vergessen.
Rechtfertigung und sittliches Leben
6 Die Wirksamkeit der rechtfertigenden Gnade. 1 Was also werden wir sagen? Werden wir in der Sünde verharren, damit die Gnade um so reichlicher werde? 2 Das sei ferne! Da wir der Sünde gestorben sind, wie sollten wir in ihr noch leben? 3 Oder wisset ihr nicht, daß wir alle, die auf Jesus Christus getauft wurden, auf seinen Tod getauft worden sind? 4 Denn mitbegraben sind wir mit ihm durch die Taufe auf den Tod, damit wie Christus auferstanden ist von den Toten durch die Herrlichkeit des Vaters, so auch wir einen neuen Lebenswandel führen. 5 Wenn wir mit ihm durch Ähnlichkeit mit seinem Tode verwachsen sind, so werden wir es zugleich auch mit seiner Auferstehung sein. 6 Dies wissen wir, daß unser alter Mensch mitgekreuzigt worden ist, damit der sündige Leib zerstört werde und wir fürderhin nicht mehr der Sünde dienen. 7 Wer gestorben ist, ist gerechtfertigt von der Sünde. 1-7: Der in Christus so reich beschenkte Christ darf sich nicht träger Ruhe oder gar genießerischer Zügellosigkeit hingeben. Der Adel der Erlösung legt die Pflicht eines reinen Lebens auf. Christ sein und Sünder sein wäre ein Unding, wie leben und zugleich tot sein. Bei der Taufe, die durch Untertauchen gespendet wurde, ist der alte Mensch der Sünde begraben worden; ein neuer Mensch mit Christus, dem Auferstandenen, zur Lebenseinheit verbunden, ist aus dem Taufwasser emporgestiegen. 8 Wenn wir aber mit Christus gestorben sind, so glauben wir, daß wir zugleich auch leben werden mit ihm, 9 da wir wissen, daß Christus nach seiner Auferstehung von den Toten nicht mehr stirbt, der Tod über ihn fürder nicht herrschen wird. 10 Insofern er starb, starb er ein für allemal der Sünde; insofern er aber lebt, lebt er Gott. 11 So betrachtet auch ihr euch als solche, die der Sünde abgestorben sind, für Gott aber leben in Christus Jesus [unserm Herrn]. 12 Darum herrsche nicht die Sünde in eurem sterblichen Leibe, daß ihr seinen Begierden gehorchet. 8-12: Alle Sünde ist abgetan, wie bei einem Verbrecher die gesamte Schuld gesühnt ist durch die vollzogene Todesstrafe. Rückfall in die Sünde bedeutet Rückfall in die Sklaverei der Begierden.
Leben im Dienste Gottes. 13 Gebet eure Glieder der Sünde nicht hin als Werkzeug der Ungerechtigkeit, sondern gebet euch Gott hin als solche, die vom Tode zum Leben gekommen sind, und gebet eure Glieder Gott hin als Werkzeuge der Gerechtigkeit. 14 Denn die Sünde wird nicht über euch Gewalt haben, weil ihr nicht unter dem Gesetze seid, sondern unter der Gnade. 15 Wie nun? Werden wir sündigen, weil wir nicht unter dem Gesetz sind, sondern unter der Gnade? Das sei ferne! 16 Wisset ihr nicht, daß ihr dessen Knechte seid und dem zu gehorchen habt, dem ihr euch als Knechte zum Gehorsam gebt, entweder Knechte der Sünde zum Tod oder des Gehorsams zur Gerechtigkeit? 17 Dank aber sei Gott, daß ihr, die ihr Knechte der Sünde waret, von Herzen gehorsam geworden seid gegen die Vorschriften der Lehre, in die ihr eingeführt wurdet. 18 Losgelöst von der Sünde, seid ihr dienstbar geworden der Gerechtigkeit. 19 Ich rede nach Menschenweise um der Schwachheit eures Fleisches willen: Wie ihr eure Glieder hingegeben habt zum Dienst der Unreinigkeit und Gesetzwidrigkeit, zu einem ungezügelten Leben, so gebet jetzt eure Glieder hin in den Dienst der Gerechtigkeit zur Heilung. 20 Da ihr nämlich Diener der Sünde waret, seid ihr frei gegenüber der Gerechtigkeit gewesen. 21 Welche Frucht hattet ihr aber damals von den Dingen, über die ihr jetzt errötet? Das Ende derselben ist ja der Tod. 22 Jetzt aber, befreit von der Sünde und dem Dienst für Gott geweiht, habt ihr als Frucht Heiligung und als Endgewinn das ewige Leben. 23 Denn der Sold der Sünde ist der Tod, die Gnade Gottes aber das ewige Leben in Jesus Christus, unserem Herrn. 13-23: Jeder Christ bleibt sein Leben lang verpflichtet, die Sünde zu meiden, deren Knecht er einst war. Er gehört ganz Christus zu eigen. Streben nach Heiligkeit ist nicht nur Sache einzelner, sondern aller Erlösten. Ewiges Leben ist der lockende Preis.
7 Die Befreiung vom Dienst des Gesetzes. 1 Oder wisset ihr nicht, Brüder, ich rede zu solchen, die das Gesetz kennen, daß das Gesetz über den Menschen herrscht, solange er lebt? 2 Denn ein Weib, das unter einem Manne steht, ist an das Gesetz gebunden, solange der Mann lebt; ist aber der Mann gestorben, so ist sie vom Gesetze des Mannes befreit. 3 Darum wird sie, wenn sie zu Lebzeiten ihres Mannes mit einem andern Manne zusammenlebt, Ehebrecherin genannt; ist aber ihr Mann gestorben, so ist sie befreit vom Gesetze des Mannes, so daß sie nicht Ehebrecherin ist, wenn sie mit einem anderen Manne lebt. 4 Somit seid auch ihr, Brüder, dem Gesetze gegenüber tot durch den Leib Christi, um einem andern anzugehören, dem, der von den Toten erstanden ist, damit wir Frucht bringen für Gott. 5 Denn da wir im Fleische waren, da waren die sündhaften Leidenschaften infolge des Gesetzes wirksam in unseren Gliedern, so daß sie Frucht brachten für den Tod. 6 Jetzt aber sind wir als Gestorbene gelöst vom Gesetze, in dem wir festgehalten wurden, so daß wir dienen im neuen Geiste und nicht mehr nach alten Buchstaben. 1-6: Die gänzliche Hingabe an Christus ist keine Untreue gegen den früheren Herrn, das Gesetz. Denn das mystische Sterben mit Christus in der Taufe hat uns frei gemacht, wie eine Frau durch den Tod ihres Mannes frei wird für eine neue Ehe. Der Vergleich setzt die Unauflöslichkeit der Ehe zu Lebzeiten beider Gatten als selbstverständlich voraus.
Gesetz und Begierlichkeit. 7 Was werden wir also sagen? Ist das Gesetz Sünde? Das sei ferne! Aber ich habe die Sünde nur kennengelernt durch das Gesetz. Ich hätte von der Lust nichts gewußt, wenn nicht das Gesetz sagte: Du sollst nicht begehren. 8 Es nahm aber die Sünde vom Gebot Anlaß und wirkte in mir jegliche Lust; denn ohne Gesetz war die Sünde tot. 9 Ich aber lebte einmal ohne Gesetz; als aber das Gebot gekommen war, lebte die Sünde auf. 10 Ich dagegen starb. Das Gebot, welches zum Leben verhelfen sollte, gereichte mir in Wirklichkeit zum Tode. 11 Denn die Sünde, welche durch das Gebot veranlaßt wurde, verführte mich und tötete mich durch dasselbe. 12 So ist zwar das Gesetz heilig und das Gebot heilig, gerecht und gut. 13 Ist also das Gute mir Ursache des Todes geworden? Ferne sei dies! Aber die Sünde, um offenbar zu werden als Sünde, brachte mir durch das Gute den Tod, damit die Sünde durch das Gebot über die Maßen sündhaft werde. 7-13: Das Gesetz als solches ist keineswegs böse. Wenn aber mit den Unterscheidungssjahren die böse Begierlichkeit erwacht, reizt das Gesetz mit seinen Geboten und Verboten zur Sünde. Es nötigt nicht zur Sünde, aber es wird Anlaß zur Sünde. Gott ließ das zu, obgleich er es voraussah, weil auf diese Weise die unheimliche Macht des Bösen den Menschen zum Bewußtsein kam. Nie hätte das Gesetz allein die Rettung bringen können.
Zwiespalt zwischen Geist und Fleisch. 14 Wir wissen, daß das Gesetz geistig ist; ich aber bin fleischlich, verkauft an die Sünde. 15 Was ich wirke, kenne ich nicht, tue ich doch nicht das, was ich will, [das Gute,] sondern ich tue [das Böse], das ich hasse. 16 Wenn ich aber das tue, was ich nicht will, so stimme ich dem Gesetze bei, daß es gut sei. 17 Dann aber bin nicht mehr ich der Täter, sondern die in mir wohnende Sünde. 18 Ich weiß, daß in mir, das ist in meinem Fleische, nichts Gutes wohnt. Denn das Wollen liegt mir nahe, aber das Vollbringen des Guten nicht. 19 Ich tue ja nicht das Gute, das ich will, sondern das Böse, das ich nicht will, das tue ich. 20 Wenn ich aber tue, was ich nicht will, so wirke nicht ich es, sondern die in mir wohnende Sünde. 21 Ich finde also, indem ich das Gute tun will, das Gesetz in mir, daß mir das Böse anklebt. 22 Ich freue mich am Gesetze Gottes nach dem inneren Menschen. 23 Aber ich sehe ein anderes Gesetz in meinen Gliedern, das dem Gesetze meines Geistes widerstreitet und mich gefangenhält unter dem Gesetze der Sünde, das in meinen Gliedern ist. 24 O ich unglückseliger Mensch, wer wird mich befreien von diesem todbringenden Leiden? 25 Dank sei Gott durch Jesus Christus, unsern Herrn! Somit diene ich selber mit dem Geiste dem Gesetze Gottes, mit dem Fleische aber dem Gesetze der Sünde. 14-25: Ergreifend schildert der Apostel die sittliche Not des noch unerlösten, dem Gesetz verpflichteten, aber noch nicht durch die Gnade gestärkten Menschen. Paulus hat ja ähnliches an sich erfahren vor seiner Bekehrung. Also nicht der Christusjünger Paulus ist unter dem „Ich“ zu verstehen, sondern der Unbekehrte, der vom Gesetz das Heil vergeblich erwartete. Wie oft endet der Titanenstolz der „Übermenschen“ im gleichen Elend.
8 Das Glück des Gnadenstandes. Freiheit von Sünde und Tod. 1 Demnach gibt es keine Verdammnis mehr für diejenigen, die in Christus Jesus sind [und nicht nach dem Fleische wandeln]. 2 Denn das Gesetz des lebendigmachenden Geistes in Christus Jesus hat mich vom Gesetz der Sünde und des Todes befreit. 3 Was dem Gesetze unmöglich war, weil es durch das Fleisch geschwächt ward, [das hat Gott bewirkt]. Er sandte seinen Sohn, der uns ähnlich wurde durch das sündhafte Fleisch und wegen der Sünde, und er verdammte in seinem Fleische die Sünde. 4 So sollte die Satzung des Gesetzes erfüllt werden in uns, die wir nicht nach dem Fleische wandeln, sondern nach dem Geiste. 1-4: In jubelnder Begeisterung stellt der Apostel dem Bilde des jammervollen Sündenknechtes das Bild des durch Christus erlösten und zur Freiheit erhobenen Menschen gegenüber. 5 Denn die nach dem Fleische leben, sinnen auf das, was des Fleisches ist; die aber nach dem Geiste leben, sinnen auf das, was des Geistes ist. 6 Das Sinnen des Fleisches ist Tod, das Sinnen des Geistes aber Leben und Friede. 7 Das Sinnen des Fleisches ist feindlich wider Gott, da es dem Gesetze Gottes sich nicht unterwirft und dies auch nicht vermag. 8 Die dem Fleische leben, können Gott nicht gefallen. 9 Ihr aber lebt nicht dem Fleische, sondern im Geiste, wenn anders Gottes Geist in euch wohnt. Wenn aber jemand den Geist Christi nicht hat, gehört er ihm nicht an. 10 Ist dagegen Christus in euch, so ist der Leib zwar dem Tode verfallen wegen der Sünde, der Geist aber lebt wegen der Rechtfertigung. 5-10: Christen sind Geistesmenschen. Wer den Sinn eines wahrhaft positiven Christentums erfassen will, findet hier den besten Aufschluß.
Das ewige Leben des Leibes und der Seele. 11 Wenn der Geist dessen, der Jesus von den Toten erweckt hat, in euch wohnt, so wird der, welcher Christus Jesus von den Toten erweckt hat, auch eure sterblichen Leiber beleben durch seinen Geist, der in euch wohnt. 12 Darum, Brüder, sind wir Schuldner nicht dem Fleische, um nach dem Fleische zu leben. 13 Wenn ihr nach dem Fleische lebt, werdet ihr sterben, wenn ihr aber durch den Geist die Regungen des Fleisches ertötet, werdet ihr leben. 14 Alle, die sich vom Geiste Gottes leiten lassen, sind Kinder Gottes. 15 Ihr habt ja nicht wieder empfangen den Geist der Knechtschaft, damit ihr euch wieder fürchten müßtet, sondern ihr habt den Geist der Kindschaft empfangen, in dem wir rufen: Abba, Vater! (2 Tim 1,7; Gal 4,5. 6.) 16 Der Geist selbst gibt Zeugnis zusammen mit unserm Geist, daß wir Kinder Gottes sind. 17 Wenn aber Kinder, so auch Erben: Erben Gottes und Miterben Christi, wenn wir nämlich mit ihm leiden, um mit ihm auch verherrlicht zu werden. 11-17: Wer dem Christentum vorwirft, es zerbreche den aufrechten Charakter und erzeuge knechtische Gesinnung, kann hier lernen, daß genau das Gegenteil zutrifft. 18 Ich halte dafür, daß die Leiden dieser Zeit nicht zu vergleichen sind mit der künftigen Herrlichkeit, die an uns wird offenbar werden. 19 Denn das Harren der Schöpfung ist ein Harren auf die Offenbarung der Kinder Gottes. 20 Denn der Vergänglichkeit ist die Schöpfung unterworfen, nicht freiwillig, sondern um dessentwillen, der sie unterworfen hat in der Hoffnung, 21 daß auch die Schöpfung selbst befreit wird von der Knechtschaft der Vergänglichkeit zur herrlichen Freiheit der Kinder Gottes. 22 Wir wissen, daß die ganze Schöpfung mitseufzt und in Wehen liegt bis jetzt; 23 aber nicht nur sie, sondern auch wir selbst, die wir den Geist als Erstlingsgabe besitzen, seufzen in unserem Innern und erwarten, daß wir zu Kindern Gottes angenommen und unser Leib erlöst werde. 24 Durch Hoffnung sind wir ja gerettet worden. Die Hoffnung aber, welche man sieht, ist keine Hoffnung; denn wie kann einer hoffen, was er schon erfüllt sieht. 25 Wenn wir aber hoffen auf das, was wir nicht sehen, so erwarten wir es mit Geduld. 26 Ebenso kommt auch der Geist unserer Schwachheit zu Hilfe; denn um was wir bitten sollen, wie es sich gehört, wissen wir nicht, sondern der Geist selbst tritt dafür ein mit unaussprechlichen Seufzern. 27 Der aber die Herzen erforscht, weiß, was der Geist begehrt; denn in Übereinstimmung mit Gott begehrt er für den Heiligen. 26-27: Ein trostvoller Gedanke für alle, die darunter leiden, daß sie nicht besser beten können! Gottes Geist betet mit ihnen und für sie wie die Mutter für ihr stammelndes Kind. 28 Wir wissen aber, daß denjenigen, die Gott lieben, alle Dinge zum Besten dienen, denen, die nach der Vorherbestimmung [zu Heiligen] berufen sind. 28: Für den, der Gott liebt, gibt es nur ein einziges Unglück: die Sünde. 29 Denn die er vorher erkannte, hat er auch vorherbestimmt, dem Bild seines Sohnes gleichförmig zu werden, damit er der Erstgeborene sei unter vielen Brüdern. 30 Die er aber vorherbestimmt hat, die hat er auch berufen, und die er berufen hat, die hat er auch gerechtfertigt, die er aber gerechtfertigt hat, die hat er auch verherrlicht. 29-30: Gottes Ruf und des Menschen Antwort, Gnadengeschenk des Himmels und freies Mittun des Geschöpfes wirken zusammen. Wir müssen Christus gleichförmig werden, sonst sind wir keine Christen. 18-30: Das neue Leben ist Gegenwart und Zukunft zugleich. Sogar die leblose Natur ist infolge des Sündenfalles in diesen Prozeß hineingezogen und läßt in ihrem schmerzlichen Harren die Größe der künftigen Herrlichkeit ahnen.
Heilsgewißheit. 31 Was werden wir nun dazu sagen? Wenn Gott für uns ist, wer ist wider uns? 32 Er, der ja seines eigenen Sohnes nicht schonte, sondern für uns alle ihn hingegeben hat, wie sollte er uns mit ihm nicht alles schenken. 33 Wer wird Anklage erheben gegen die Erwählten Gottes? Gott? Nein! denn er ist es, der rechtfertigt. 34 Wer wird verdammen? Christus Jesus? Nein! denn er ist es, der gestorben, aber auch wieder erstanden ist, der zur Rechten Gottes ist, der auch Fürsprache einlegt für uns. 35 Wer also wird uns scheiden von der Liebe Christi? Trübsal oder Angst oder Verfolgung oder Hunger oder Blöße oder Gefahr oder Schwert? 36 Es steht ja geschrieben: Um deinetwillen werden wir getötet den ganzen Tag, werden geachtet wie Schlachtschafe (Ps 44,23). 37 Aber in all dem überwinden wir durch ihn, der uns geliebt hat. 38 Denn ich bin gewiß: Weder Tod noch Leben, noch Engel, noch Gewalten, weder Gegenwärtiges noch Zukünftiges, noch Mächte, 39 weder Höhe noch Tiefe, noch ein anderes Geschöpf vermag uns zu trennen von der Liebe Gottes, welche ist in Christus Jesus, unserm Herrn. 31-39: Voll von kämpferischem Geist und siegesgewissem Gottvertrauen ruft der Apostel alle Feinde des Heils in die Schranken. Gott wird das Werk seiner Liebe an uns nicht unvollendet lassen.
Die Verwerfung der Juden und der Heilsplan Gottes
9 Schmerz des Apostels über die Verwerfung. 1 Ich sage die Wahrheit in Christus, ich lüge nicht, da mir mein Gewissen es mitbezeugt im Heiligen Geiste, 2 daß ich großen Kummer und beständigen Schmerz in meinem Herzen trage. 3 Gerne möchte ich gebannt und vom Messias getrennt sein für meine Brüder, meine Stammesgenossen dem Fleische nach. 4 Sind sie doch Israeliten, denen die Gotteskindschaft zuteil geworden ist und die Herrlichkeit und der Bund und die Gesetzgebung und der Gottesdienst und die Verheißung. 5 Ihnen gehören die Väter an, und aus ihnen stammt dem Fleische nach der Messias, der Gott ist, über allem, hochgelobt in Ewigkeit. Amen
6 Nicht jedoch, als ob das Wort Gottes hinfällig geworden wäre. Denn nicht alle, die aus Israel sind, sind Israeliten. 7 Noch sind alle Kinder, welche Nachkommen Abrahams sind, sondern (es heißt): Nach Isaak soll dir die Nachkommenschaft genannt werden (1 Mos 21,12). 8 Das heißt: Nicht jene, die nur der Abstammung nach Kinder sind, zählen zu den Kindern Gottes, sondern die Kinder der Verheißung werden als Nachkommen angesehen. 9 Das Wort der Verheißung nämlich lautet so: Um diese Zeit werde ich kommen, und Sara wird einen Sohn haben. 10 Aber nicht nur diese, sondern auch Rebekka, welche von einem, nämlich unserem Stammvater Isaak, empfangen hatte. 11 Ehe sie geboren waren oder etwas Gutes oder Böses getan hatten — damit der Ratschluß Gottes aus freier Wahl bestünde —,12 ward ihr nicht um der Werke willen, sondern nach dem Willen des Berufenden gesagt: Der Ältere wird dem Jüngeren dienen, 13 wie geschrieben steht: Jakob habe ich geliebt, den Esau aber gehaßt (Mal 1,2). 1-11, 36: Von der frohen Heilsgewißheit der Erlösten geht der Apostel, der sein Volk innig liebt, über zur Betrachtung der Verwerfung der Juden. Wie läßt sich ihr Schicksal mit Gottes Treue und Barmherzigkeit vereinen? Der Erörterung dieser schwierigen Frage sind die drei Kapitel 9-11 gewidmet. 6-12: Gott ist seinen Verheißungen nicht untreu geworden, denn sie waren, wie die Geschichte der Patriarchen beweist, von vornherein nicht ausschließlich an die leibliche Abstammung von Abraham geknüpft. 13: Mit bloß menschlichem Auge betrachtet, sieht die Auserwählung und Verwerfung wie Liebe oder Haß aus.
Freiheit Gottes in der Gnadenwahl. 14 Was also werden wir sagen? Ist etwa Ungerechtigkeit bei Gott? Nimmermehr! 15 Denn zu Moses sagte er: Ich erbarme mich, wessen ich mich erbarmen will, und erzeige Barmherzigkeit, wem ich Barmherzigkeit erzeigen will. 16 Demnach kommt es nicht auf das Wollen an noch auf das Laufen, sondern auf Gottes Erbarmen. 17 Denn es spricht die Schrift zu Pharao: Eben dazu habe ich dich erweckt, um an dir meine Kraft zu zeigen, damit mein Name auf der ganzen Erde verkündet werde (2 Mos 9,16). 18 Also erbarmt er sich, wessen er will, und verhärtet, wen er will. 19 Du sagst mir nun: Warum tadelt er dann noch? Wer widerstehet seinem Willen? 20 O Mensch, wer bist du, daß du mit Gott rechten willst? Spricht etwa das Gebilde zu seinem Bildner: Warum hast du mich so gemacht? 21 Hat der Töpfer nicht Macht über den Ton, aus derselben Masse ein kostbares Prunkgefäß oder ein minderwertiges Gefäß zu machen? 22 Wenn nun Gott, weil er seinen Zorn zeigen und seine Macht kundtun wollte, die Gefäße des Zornes, die zur Verdammnis bestimmt waren, in großer Geduld ertrug, 23 um den Reichtum seiner Herrlichkeit an den Gefäßen der Barmherzigkeit zu zeigen, die er zur Herrlichkeit vorbereitet hat, (was wagst du dawider zu sagen)?
Das neue Gottesvolk. 24 Zu solchen hat er auch uns berufen, nicht nur aus den Juden, sondern auch aus den Heiden. 16-24: Es steht nicht bloß bei dem Menschen, die Gnade und Barmherzigkeit Gottes zu erlangen, sondern es steht in erster Linie bei Gott selbst. Nicht unser eigenes Wollen ist Grund unserer Begnadigung; freilich, ohne daß der Mensch will und strebt, begnadigt ihn Gott auch nicht. Wenn nun der Mensch die Gnade nicht will, so kann ihn Gott auch diesem bösen Willen überlassen, oder wie V. 18 dies ausdrückt: den Menschen verhärten. Nie hat ein Mensch das Recht, Gott, seinen Schöpfer, zur Rechenschaft zu ziehen oder sich über ihn zu beklagen. 25 So sagt er auch bei Osee: Ich werde das mein Volk nennen, welches nicht mein Volk ist, und die Nichtgeliebte Geliebte heißen [und Begnadigte, die keine Begnadigte ist] (Os 2,24). 26 Und an der Stätte, wo man zu ihnen sagte: Nicht mein Volk seid ihr, werden sie Kinder des lebendigen Gottes genannt werden (Os 1,10). 27 Isaias ruft über Israel: Wenn auch die Zahl der Kinder Israels dem Sand am Meere gleich wäre, so wird doch nur der Rest gerettet werden. 28 Denn der Herr erfüllt sein Wort und beschleunigt es auf Erden [in der Gerechtigkeit; ja schnell wird der Herr sein Wort ausführen] (Is 10,22). 29 Und wie Isaias vorhergesagt hat: Hätte der Herr der Heerscharen uns nicht einen Samen übriggelassen, so wären wir geworden wie Sodoma, und Gomorrha würden wir gleichen (Is 1,9). 25-29: Die Annahme der Heiden an Kindes Statt nach Verwerfung der halsstarrigen Israeliten, aber auch die Erhaltung eines Restes in Israel hat Gott schon durch die Propheten vorausverkündet.
Die Schuld des ungläubigen Israel. 30 Was werden wir nun sagen? Daß die Heiden, die nicht nach der Gerechtigkeit strebten, Gerechtigkeit erlangt haben, aber die Gerechtigkeit aus dem Glauben. 31 Israel aber, das nach der Gesetzesgerechtigkeit strebte, ist zum Gesetze [der Gerechtigkeit] nicht gelangt. 32 Warum? Weil es nicht durch den Glauben, sondern durch die Werke darnach strebte; sie stießen sich an dem Steine des Anstoßes, 33 wie geschrieben steht: Siehe, ich setze in Sion einen Stein des Anstoßes und einen Felsen des Ärgernisses, und jeder, der auf ihn sein Vertrauen setzt, wird nicht zuschanden werden (Is 8,14; 28,16; 1 Petr 2,6). 30-33: Israel ist selber schuld daran, daß es nicht zum Heil gelangte, weil es nicht demütig den Weg des Glaubens gehen wollte.
10 Unglaube und Werkheiligkeit der Juden. 1 Brüder! Ihre Rettung ist der Wunsch meines Herzens und der Gegenstand meines Gebetes für sie. 2 Denn ich gebe ihnen das Zeugnis, daß sie Eifer für Gott haben, aber nicht die rechte Einsicht. 3 Da sie die Gerechtigkeit Gottes nicht erkennen und ihre eigene geltend machen wollen, so unterwerfen sie sich nicht der Gerechtigkeit Gottes. 4 Denn Endziel des Gesetzes ist Christus, zur Gerechtigkeit für jeden, der glaubt. 5 Moses schreibt ja von der Gerechtigkeit, die vom Gesetze kommt: Wer sie übt, der wird in ihr leben (3 Mos 18,5). 6 Die Gerechtigkeit aber, die aus dem Glauben kommt, spricht also: Sage nicht in deinem Herzen: Wer steigt zum Himmel auf? das ist, um Christus herabzuholen (5 Mos 30,12). 7 Oder: Wer wird hinabsteigen in den Abgrund? um nämlich Christus von den Toten heraufzuholen, 8 sondern, was sagt die Schrift? Nahe ist dir das Wort, in deinem Munde und in deinem Herzen, das Wort des Glaubens nämlich, das wir verkünden (5 Mos 30,14). 9 Wenn du mit deinem Munde den Herrn Jesus bekennst und in deinem Herzen glaubst, daß Gott ihn von den Toten erweckt hat, so wirst du selig werden. 10 Denn mit dem Herzen glaubt man zur Gerechtigkeit, mit dem Munde aber geschieht das Bekenntnis zum Heile. 11 Die Schrift sagt ja: Jeder, der glaubt an ihn, wird nicht zuschanden werden (Is 28,16). 12 Denn es ist kein Unterschied zwischen Juden und Griechen, einer und derselbe ist ja der Herr aller, reich für alle, die ihn anrufen. 13 Ein jeder, der den Namen des Herrn anruft, wird selig werden (Joel 2,32). 14 Doch wie sollen sie den anrufen, an den sie nicht glauben? Oder wie werden sie an den glauben, von dem sie nicht gehört haben? Wie aber werden sie hören ohne Prediger? 15 Wie kann man aber predigen, wenn man nicht gesandt ist? Steht doch geschrieben: Wie schön sind die Schritte derer, die Frieden verkünden, die frohe Botschaft vom Guten bringen! (Is 52,7). 1-15: An Eifer fehlte es den Juden nicht, aber es war nur blinder Eifer. Der Mensch hat nicht selber zu bestimmen, wie er zu Gott gelangt. In seiner Liebe hat Gott es uns leicht gemacht, ihn zu finden. Er hat Christus zum Mittler bestimmt. Der Glaube an Christus ist die unerläßliche Bedingung des Heils. Mit Wort und Tat muß dieser Glaube bekannt werden.
Unentschuldbarkeit der ungläubigen Juden. 16 Aber nicht alle gehorchten der Heilsbotschaft; denn Isaias sagt: Herr, wer glaubte unserer Predigt? (Is 53,1.) 17 Also kommt der Glaube aus dem Hören, das Hören aber durch das Wort Christi. 18 Ich frage nun: Haben sie etwa nicht gehört? Und doch ist über die ganze Erde ihr Schall ergangen und bis an die Grenzen des Erdkreises ihr Wort. 19 Und ich frage: Hat Israel es nicht verstanden? Schon Moses sagt: Zur Eifersucht will ich euch zwingen gegen ein Nichtvolk, gegen ein unverständiges Volk will ich euch zum Zorne reizen (5 Mos 32,21). 20 Ja, Isaias erkühnt sich und sagt: Von denen, die mich nicht suchten, bin ich gefunden worden, und denen, die nach mir nicht fragten, ward ich offenbar. 21 Zu Israel aber spricht er: Den ganzen Tag breite ich meine Hände aus nach einem ungehorsamen und widerspenstigen Volk (Is 65, 1,2). 16-21: Niemand kann sich mit Unkenntnis der Heilsbedingungen entschuldigen. Aber wer nicht hören will, wenn Gott die Wahrheit überall verkünden läßt, darf sich nicht wundern, wenn andere der Gnade teilhaftig werden, die ihm angeboten war.
11 Israel ist nicht gänzlich verworfen. 1 Ich frage nun: Hat Gott etwa sein Volk verworfen? Nimmermehr! Denn auch ich bin ein Israelite, ein Nachkomme Abrahams vom Stamme Benjamin. 2 Der Herr hat sein Volk nicht verworfen, das er vorher erkoren hat. Oder wisset ihr nicht, was die Schrift in der Eliasgeschichte sagt, wie er sich bei Gott beklagt gegen Israel? 3 Herr, deine Propheten haben sie getötet, deine Altare verwüstet, ich allein bin übrig, und sie streben mir nach dem Leben (3 Kg 19,18). 4 Aber was sagt ihm die göttliche Antwort? Ich habe mir übrigbehalten siebentausend Männer, welche ihre Knie nicht gebeugt haben vor Baal. 5 So ist auch in dieser Zeit ein Rest, den die Gnade sich auserwählt hat, vorhanden. 6 Ist es aber Gnade, so geschah es nicht für Werke, sonst ist die Gnade nicht mehr Gnade. 7 Wie nun? Was Israel anstrebte, das hat es nicht erreicht. Die Auserwählten haben es erreicht, die übrigen aber sind verstockt worden. 8 Wie geschrieben steht: Gott hat ihnen einen Geist der Betäubung gegeben: Augen, damit sie nicht sehen, Ohren, damit sie nicht hören, bis auf den heutigen Tag (Is 6,10). 9 Und David sagt: Ihr Tisch werde ihnen zum Fallstrick, zum Fange, zum Anstoß und zur Vergeltung. 10 Ihre Augen sollen finster werden, daß sie nicht sehen, und den Rücken beuge ihnen allezeit (Ps 69, 23. 24). 1-10: Trotz allem hat der gütige Gott sein Volk nicht ganz verworfen. Paulus selber ist ein Beweis dafür. Die große Masse geht durch eigene Schuld ins Verderben: aber eine kleine Gruppe bleibt treu. Das Geheimnis der Minderheiten in der Verwirklichung der göttlichen Absichten wiederholt sich immer wieder in der Heilsgeschichte der Menschheit.
Berufung der Heiden wird Ansporn für Israel. 11 Ich frage nun: Strauchelten sie so, daß sie für immer fielen? Nimmermehr! Durch ihre Sünde ist das Heil zu den Heiden gekommen, um sie eifersüchtig auf diese zu machen. 12 Wenn aber ihre Sünde für die Welt Reichtum bedeutet und ihre Minderung für die Heiden Reichtum, um wie viel mehr ihre Fülle? 13 Euch Heiden aber sage ich: Solange ich Heidenapostel bin, werde ich meinem Amte Ehre machen; 14 vielleicht könnte ich doch meine Volksgenossen zur Nacheiferung anregen und einige aus ihnen retten. 15 Denn wenn ihre Verwerfung die Versöhnung der Welt bedeutet, was wird ihre Wiederaufnahme anders sein als Leben aus den Toten? 16 Ist die Erstlingsgabe gottgeweiht, so ist es auch die Masse des Opferbrotes; und ist gottgeweiht die Wurzel, so sind es auch die Zweige. 11-16: Gott straft als Vater, schneidet als Arzt. In wunderbarer Wechselwirkung läßt er die Juden fallen und begnadet die Heiden, damit das Glück der Heiden den Juden endlich die Augen öffne und sie nun in heiliger Eifersucht nach den Gütern greifen, die sie ehedem verachteten. 17 Wenn nun einige Zweige abgebrochen sind und du als wilder Ölzweig zwischen ihnen eingepfropft, an der Wurzel und an der Saftfülle des edlen Ölbaums Anteil hast, 18 so erhebe dich nicht über die Zweige. Erhebst du dich aber, so bedenke: Nicht du trägst die Wurzel, sondern die Wurzel dich. 19 Du wirst sagen: Die Zweige wurden ausgebrochen, damit ich eingepfropft würde. 20 Wohl! Wegen des Unglaubens sind sie ausgebrochen worden; du aber stehst durch den Glauben. Sei nicht hoffärtig, sondern fürchte! 21 Wenn nämlich Gott der natürlichen Zweige nicht schonte, könnte er auch deiner nicht schonen. 22 Sieh also die Güte und Strenge Gottes; die Strenge gegen Gefallene, die Güte Gottes gegen dich, wenn du im Guten verharrst; sonst wirst auch du ausgehauen werden. 23 Aber auch jene, wenn sie nicht im Unglauben verharren, werden eingepfropft werden. Gott hat die Macht, sie wieder einzupfropfen. 24 Wenn du aus dem Ölbaum, der von Natur aus wild ist, ausgehauen und gegen die Natur in den edlen Ölbaum eingepfropft wurdest, um wie viel mehr werden jene, die ihm der Natur nach angehören, in ihrem Ölbaum eingepfropft werden? 17-24: Auserwähltenstolz wäre bei den bekehrten Heiden übel angebracht. Israel bleibt der edle Ölbaum, wenn auch manche Zweige abgebrochen sind. Aus dieser Wurzel wuchs das Christentum. Die Heiden, ehedem Wildlinge; sind aus Gnade dem edlen Baum aufgepfropft worden. „Gegen die Natur“ geschah das (24), da sonst ein edler Zweig auf einen wilden Stamm aufgepfropft wird. Darum ziemt dem Heidenchristen demütige Dankbarkeit für das Wunder der Erwählung.
Schließliche Bekehrung Israels. 25 Ich will euch, Brüder, nicht im unklaren lassen über folgendes Geheimnis, damit ihr euch nicht für weise haltet: Die Verstocktheit eines Teils der Israeliten dauert so lange, bis die Vollzahl der Heiden eingetreten ist. 26 Alsdann wird ganz Israel gerettet werden, wie geschrieben steht: Aus Sion wird der Retter kommen, der die Gottlosigkeit abwendet von Jakob. 27 Dies ist mein Bund mit ihnen, wenn ich ihre Sünden wegnehmen werde (Is 59,20). 28 Hinsichtlich der Heilsbotschaft sind sie zwar Feinde, um euretwillen, aber hinsichtlich der Erwählung sind sie Lieblinge um der Väter willen. 29 Denn Gottes Gaben und Berufung sind unwiderruflich. 30 So wie einstmals auch ihr Gott nicht gehorcht habt, jetzt aber Barmherzigkeit erlangt habt um ihres Unglaubens willen, 31 so haben auch diese jetzt nicht gehorcht zu eurer Begnadigung, damit auch sie Barmherzigkeit erlangen; 32 Gott hat alle zusammen in den Ungehorsam fallen lassen, damit er aller sich erbarme. 25-32: Einst wird auch für Israel die Gnadenstunde schlagen. Die Kirche betet am Karfreitag in ergreifenden Worten, daß sie bald schlagen möge.
33 O Tiefe des Reichtums, der Weisheit und der Erkenntnis Gottes; wie unbegreiflich sind seine Gerichte und wie unerforschlich seine Wege! 34 Wer hat den Sinn des Herrn erkannt, oder wer ist sein Ratgeber gewesen? 35 Oder wer hat ihm zuerst etwas geschenkt, daß ihm vergolten würde? 36 Denn aus ihm und durch ihn und für ihn ist alles; ihm sei Ehre in Ewigkeit. Amen 33-36: Das alles ist so wunderbar, daß der Apostel tiefbewegt einen Hymnus auf die göttliche Vorsehung anstimmt.
Mahnung zu gottgefälligem Leben
Mahnungen allgemeiner Art
12 Demut. 1 So ermahne ich euch denn, Brüder, bei dem Erbarmen Gottes, daß ihr euren Leib darbringt als ein lebendiges, heiliges, Gott wohlgefälliges Opfer, als euren geistigen Gottesdienst. 2 Und machet euch nicht dieser Welt gleichförmig, sondern wandelt euch um durch Erneuerung eures Sinnes, daß ihr prüfet, was der Wille Gottes, was gut, wohlgefällig und vollkommen sei. 2: Zwischen Christentum und Weltgeist besteht allzeit ein unversöhnlicher Gegensatz. Wer es mit der Welt nicht verderben will, wird sicher Christus untreu werden. Vgl. Jo 15,18-21. 3 Vermöge der mir verliehenen Gnade mahne ich euch alle, nicht höher zu denken, als sich geziemt, sondern bescheiden von sich zu denken, so wie einem jeden Gott das Maß des Glaubens zugeteilt hat. 4 Denn gleichwie wir an einem Leibe viele Glieder haben, aber nicht alle Glieder dieselbe Verrichtung haben, 5 so sind wir viele ein Leib in Christus, einzeln aber untereinander Glieder. 6 Wir haben aber Gaben, die nach der uns verliehenen Gnade verschieden sind. Ist es die Gabe der Prophetie, übt sie aus in Übereinstimmung mit dem Glauben. 7 Oder jemand hat ein Kirchenamt, der sei tätig in dem Amte, wer ein Lehramt hat, der sei tätig in der Belehrung. 8 Wer die Gabe des Ermahnens hat, der sei tätig in der Ermahnung; wer gibt, der gebe in Einfalt, wer Vorsteher ist, tue es mit Sorgfalt; wer Barmherzigkeit übt, tue es in Freudigkeit. 4-8: Hier denkt Paulus vor allem an Laienapostel.
Bruderliebe. 9 Die Liebe sei ungeheuchelt, hasset das Böse und haltet fest am Guten! 10 Liebet einander herzlich mit brüderlicher Liebe, kommt mit Achtung einander zuvor. 11 Seid nicht träge im Eifer, seid im Geiste glühend und dient dem Herrn. 12 Seid freudig in der Hoffnung, in der Trübsal geduldig, anhaltend im Gebet. 13 Den Heiligen kommet zu Hilfe in ihren Nöten, befleißigt euch der Gastfreundschaft. 14 Segnet, die euch verfolgen; segnet und verfluchet nicht (Mt 5,44). 15 Freuet euch mit den Fröhlichen, weinet mit den Weinenden. 16 Habet einerlei Gesinnung untereinander, trachtet nicht nach hohen Dingen, sondern lasset euch herab zum Niedrigen. Haltet euch nicht selbst für klug.
Friedfertigkeit. 17 Niemandem vergeltet Böses mit Bösem; seid auf das Gute bedacht [nicht nur vor Gott, sondern auch] vor allen Menschen. 18 Habet womöglich, soviel an euch liegt, Frieden mit allen Menschen. 19 Rächet euch nicht selbst, Geliebteste, sondern laßt dem Zorngerichte Gottes Raum; denn es steht geschrieben: Mein ist die Rache; ich will vergelten, spricht der Herr (5 Mos 32,35). 20 Vielmehr, wenn dein Feind Hunger hat, so speise ihn, wenn ihn dürstet, so tränke ihn; denn tust du dieses, wirst du feurige Kohlen auf sein Haupt sammeln. 20: Dem Eindruck steter und selbstloser Liebe sich auf die Dauer zu entziehen, ist so schwer, wie wenn einer glühende Kohlen auf dem Haupte trüge. 21 Laß dich nicht vom Bösen überwinden, sondern überwinde das Böse durch das Gute! 9-21: Fast jeder Satz enthält ein Lebensprogramm. Alles aber ist getragen von echt christlicher Liebe.
Pflichten gegen die Obrigkeit
13 1 Jedermann unterwerfe sich der obrigkeitlichen Gewalt; denn es gibt keine Gewalt außer von Gott, die bestehenden Gewalten aber sind von Gott angeordnet. 2 Wer also sich der Gewalt widersetzt, der widersetzt sich der Anordnung Gottes; die sich aber dieser widersetzen, ziehen sich selbst ihr Strafgericht zu. 3 Die Obrigkeiten sind nicht ein Schrecken für die gute Tat, sondern für die böse. Willst du aber, daß die Obrigkeit für dich nicht zum Schrecken sei, so tue das Gute, und du wirst Lob haben von ihr. 4 Denn Gottes Dienerin ist sie, dir zum Guten; tust du aber das Böse, so fürchte sie; nicht umsonst trägt sie das Schwert; sie ist ja Gottes Dienerin, Rächerin zur Bestrafung für den, der das Böse tut. 5 Darum muß man ihr untertan sein, nicht nur um der Strafe, sondern auch um des Gewissens willen. 6 Aus diesem Grunde entrichtet ihr auch Abgaben; denn Diener Gottes sind jene, die gerade diesem Amte obliegen. 7 Gebet also jedem, was ihr schuldig seid: Steuer, wem Steuer, Zoll, wem Zoll, Ehrfurcht, wem Ehrfurcht, Ehre, wem Ehre gebührt. 1-7: Es verdient Beachtung, daß Paulus diese Mahnungen niederschrieb, als Nero Kaiser des römischen Weltreiches war.
Liebe, Erfüllung des Gesetzes. 8 Bleibt niemand etwas schuldig, außer, daß ihr einander liebet; denn wer den Nächsten liebt, hat das Gesetz erfüllt. 9 Denn die Gebote: Du sollst nicht ehebrechen, du sollst nicht töten; du sollst nicht stehlen; [du sollst kein falsches Zeugnis geben;] du sollst nicht begehren, und jedes andere Gebot ist enthalten in dieser Vorschrift: Deinen Nächsten sollst du lieben wie dich selbst. 10 Die Liebe tut dem Nächsten nichts Böses an. Erfüllung des Gesetzes also ist die Liebe.
Wandel im Licht. 11 Und dies sollt ihr tun, weil ihr die Zeit versteht; die Stunde ist ja da, wo ihr vom Schlafe euch erheben sollt. Denn jetzt ist unser Heil näher, als da wir gläubig wurden. 12 Die Nacht ist vorgeschritten, und der Tag hat sich genaht. Laßt uns also ablegen die Werke der Finsternis und anlegen die Waffen des Lichtes. 13 Wie am Tage laßt uns ehrbar wandeln, nicht in Schmausereien und Trinkgelagen, nicht in Ausschweifung und Unzucht, nicht in Streit und Eifersucht. 14 Ziehet vielmehr den Herrn Jesus Christus an und pfleget den Leib nicht so, daß dessen Begierden geweckt werden. 11-14: Auch wer das alles treu befolgt, kann es erleben, daß ihn die Feinde des Lichtes Christi zu den Finsterlingen und Dunkelmännern zählen, sich selber aber für „aufgeklärt“ halten.
Pflichten gegenüber den Schwachen
14 Ermahnung zur Geduld mit den Schwachen. 1 Des Schwachen im Glauben nehmt euch an, ohne euch über Meinungen zu zanken. 2 Der eine glaubt, alles essen zu dürfen; wer aber schwach ist, der ißt Gemüse. 3 Wer ißt, verachte nicht den, der nicht ißt, und wer nicht ißt, soll den, der ißt, nicht verurteilen; denn Gott hat ihn angenommen. 4 Wer bist du, der du einen fremden Knecht richtest? Seinem Herrn steht oder fällt er; er wird aber stehen, denn der Herr hat die Macht, ihn aufrecht zu halten. 5 Der eine macht einen Unterschied zwischen den Tagen, der andere beurteilt jeden Tag gleich, jeder soll nach seiner festen Überzeugung handeln. 6 Wer den Tag beobachtet, beobachet ihn für den Herrn; wer ißt, der ißt um des Herrn willen; denn er dankt Gott; und wer nicht ißt, der ißt nicht um des Herrn willen und dankt Gott. 7 Niemand von uns lebt ja für sich selbst, und niemand stirbt für sich selbst. 8 Leben wir, so leben wir für den Herrn, sterben wir, so sterben wir für den Herrn. Ob wir also leben oder sterben: wir gehören dem Herrn. 9 Dazu nämlich ist Christus gestorben und ins Leben zurückgekehrt, damit er über die Toten und Lebendigen herrsche. 10 Du aber, was richtest du deinen Bruder? Oder was verachtest du deinen Bruder? Wir alle werden stehen vor dem Richterstuhle Christi. 11 Es steht ja geschrieben: So wahr ich lebe, spricht der Herr, vor mir werden sich alle Knie beugen, und jede Zunge wird Gott bekennen (Is 45,23. 24). 12 Demnach wird ier von uns Gott über sich Rechenschaft geben. 13 Darum wollen wir nicht mehr uns gegenseitig richten, sondern das sei vielmehr euer Gedanke, daß ihr keinem Bruder Anstoß oder Ärgernis gebet. 14 Ich weiß es und bin überzeugt im Herrn Jesus, daß nichts an sich unrein ist; nur dem, welcher es für unrein hält, ist es unrein. 15 Wenn aber dein Bruder wegen einer Speise betrübt wird, so wandelst du nicht mehr nach der Liebe. Richte nicht durch eine Speise jenen zugrunde, für welchen Christus gestorben ist. 16 Laßt also euer Gut nicht zum Gespött werden. 17 Denn das Reich Gottes ist nicht Speise und Trank, sondern Gerechtigkeit, Friede und Freude im Heiligen Geiste. 18 Wer in diesen Dingen Christus dient, ist Gott wohlgefällig und vor den Menschen erprobt. 19 So wollen wir nach dem streben, was den Frieden fördert, und was der Erbauung dient, [das laßt uns untereinander beobachten]. 20 Zerstöre nicht um einer Speise willen das Werk Gottes. Alles ist, rein; aber wer durch sein Essen Ärgernis gibt, für den ist es Sünde. 21 Es ist gut, kein Fleisch zu essen, keinen Wein zu trinken, noch etwas [zu tun], woran dein Bruder sich stößt [oder sich ärgert oder schwach wird]. 22 Hast du eine Überzeugung, so habe sie für dich vor Gott; selig, wer sich selbst nicht zu verdammen hat in dem, was er für recht hält. 23 Wer aber beim Essen zweifelt, der ist verurteilt, wenn er ißt, weil er nicht aus Überzeugung handelt. Alles aber, was nicht aus Überzeugung geschieht, ist Sünde. 1-23: Es gab manche Christen, namentlich Judenchristen, die sich abmühen, manche Äußerlichkeiten streng zu beobachten. Sie hielten gewisse jüdische Feiertage, enthielten sich des Genusses von Fleisch und Wein. Sie fürchteten nämlich, Fleisch oder Wein zu erhalten, die vorher den Götzen geopfert worden waren. Solche Christen werden von Paulus hier kurz „die Schwachen“ genannt. Ihre Religion bewegt sich allzusehr in den Randgebieten, Von der Freiheit der Kinder Gottes sind sie noch weit entfernt. Sehr geschickt weiß der Apostel, Licht und Schatten zu verteilen, so daß weder die „Schwachen“ noch die „Starken“ sich verletzt fühlen können.
Neue Ermahnungen
15 Eintracht und Duldsamkeit. 1 Wir Starken müssen die Gebrechen der Schwachen tragen und nicht uns selbst gefallen. 2 Ein jeder von uns sei gefällig gegen seinen Nächsten zum Guten, zur Erbauung. 3 Auch der Messias hat nicht sich selbst zu Gefallen gelebt, sondern wie geschrieben steht: Die Schmähungen derer, die dich schmähen, sind auf mich gefallen (Ps 69,10) 1 ff.: Ein Christ soll sich nach dem Vorbild Christi nie auf den kalten Rechtsstandpunkt stellen und alle Überheblichkeit meiden.. 4 Denn alles, was ehedem geschrieben worden, ist zu unserer Belehrung geschrieben, damit wir durch die Geduld und den Trost aus der Schrift die Hoffnung haben. 4: In der Bibel spricht Gott selber zu uns und gibt unserer Hoffnung eine unerschütterliche Grundlage. Wenn alle von Menschen geschriebenen Bücher uns nichts mehr zu sagen hätten, am Gotteswort vermag sich unsere Seele immer wieder aufzurichten. 5 Der Gott der Geduld und des Trostes aber verleihe euch, einer Gesinnung zu sein untereinander, nach dem Vorbild Christi Jesu, 6 damit ihr einmütig mit einem Munde Gott, den Vater unseres Herrn Jesus Christus, verherrlichet. 7 Darum nehme einer sich des andern an, so wie auch der Messias sich eurer angenommen hat zur Ehre Gottes. 8 Ich sage nämlich: Christus Jesus ist ein Diener der Beschneidung geworden um der Wahrhaftigkeit Gottes willen, um die Verheißungen an die Väter zu bestätigen. 9 Die Heiden aber verherrlichen Gott um der Barmherzigkeit willen, wie geschrieben steht: Darum will ich dich preisen, [o Herr,] unter den Völkern und deinem Namen Lob singen (Ps 18,50). 10 Und wiederum heißt es: Freuet euch, ihr Heidenvölker, mit seinem Volke (5 Mos 32,43). 11 Und weiter: Lobt den Herrn, ihr Völker alle, erhebt ihn, ihr Nationen alle (Ps 117,1). 12 Und wiederum spricht Isaias: Es wird kommen die Wurzel Jesse, und zwar er, der sich erhebt als Herrscher über die Völker; auf ihn werden die Völker hoffen (Is 11,10). 13 Der Gott der Hoffnung aber erfülle euch mit jeglicher Freude und mit Frieden durch den Glauben, damit ihr überreich seiet an Hoffnung in der Kraft des Heiligen Geistes.
Schluß des Briefes
Rückblick. 14 Ich bin selber meinerseits überzeugt von euch, meine Brüder, daß auch ihr voll Liebe und reich an aller Erkenntnis seid, fähig, einander zu ermahnen. 15 Ich habe euch zum Teil etwas freimütig geschrieben, jedoch in der Absicht, eure Erinnerung aufzufrischen, und zwar auf Grund der Gnade, die mir von Gott verliehen worden. 16 Ich soll Diener Christi Jesu sein bei den Heiden und den heiligen Dienst an der Frohbotschaft Gottes verrichten, damit die Opfergabe der Heiden wohlgefällig sei, geheiligt im Heiligen Geiste. 17 Und so kann ich mich rühmen in Christus Jesus, was Gott betrifft. 18 Denn ich erkühne mich nicht, von etwas zu reden, was nicht Christus durch mich gewirkt hat, um die Heiden zum Gehorsam zu führen durch Wort und Tat, 19 durch die Kraft der Zeichen und Wunder, durch die Kraft des Heiligen Geistes. So habe ich von Jerusalem an ringsum bis nach Illyrien die Verkündigung der Frohbotschaft vom Messias vollends ausgerichtet. 20 Dabei habe ich es aber als Ehrensache betrachtet, die Heilsbotschaft nicht dort zu verkünden, wo Christus schon bekannt war, um nicht auf fremdem Grunde zu bauen, 21 sondern wie geschrieben steht: Denen keine Kunde ward von ihm, die werden sehen, und die nicht hören, werden verstehen (Is 52,15).
Reisepläne. 22 Darum bin ich auch oft verhindert worden, zu euch zu kommen [und bin es noch immer]. 23 Da ich aber jetzt in diesen Gegenden ein Feld der Tätigkeit nicht mehr habe und schon seit vielen Jahren mich danach sehne, zu euch zu kommen, 24 so hoffe ich, wenn ich nach Spanien reise, auf der Durchreise euch zu sehen und von euch dorthin das Geleit zu empfangen, wenn ich vorher die Freude des Zusammenseins mit euch einigermaßen genossen habe. 9-24: Paulus hielt es nicht lange in der Etappe aus. In vorderster Front wollte er stets neue Eroberungen für seinen himmlischen König machen. 25 Jetzt aber reise ich nach Jerusalem, um den Heiligen zu Hilfe zu kommen. 26 Denn Mazedonien und Achaja haben beschlossen, eine Beisteuer zusammenzubringen für die Armen unter den Heiligen zu Jerusalem. 26: Vgl. 1 Kor 16,1-4, 2 Kor 8,1-9, 15. 27 Sie fanden es so für gut; sie sind aber auch deren Schuldner; denn wenn die Heiden Anteil erhalten haben an ihren geistigen Gütern, so sind sie schuldig, ihnen mit den irdischen beizustehen. 28 Wenn ich also dies vollbracht und jenen diesen Ertrag auf Heller und Pfennig eingehändigt habe, so will ich bei euch durch nach Spanien reisen. 29 Ich weiß aber, daß, wenn ich zu euch komme, ich mit der Fülle des Segens Christi kommen werde.
30 Darum bitte ich euch, Brüder, bei unserem Herrn Jesus Christus und bei der Liebe des Heiligen Geistes, helfet mir kämpfen durch eure Fürbitte für mich bei Gott, 31 damit ich vor den Ungläubigen, die in Judäa sind, errettet werde und die Heiligen in Jerusalem der überbrachten Gabe sich freuen können. 30-31: Gebetsgemeinschaft ist die beste Kampfgemeinschaft für die Sache Christi. 32 Dann werde ich in Freude zu euch kommen, so Gott will, und mit euch mich erquicken. 33 Der Gott des Friedens aber sei mit euch allen. Amen.
16 Empfehlung und Grüße. 1 Ich empfehle euch Phöbe, unsere Schwester, die im Dienste bei der Gemeinde zu Kenchreä ist, 2 nehmet sie auf im Herrn, würdig der Heiligen, und stehet ihr bei in jedem Anliegen, worin sie euer bedarf; denn auch sie ist vielen zur Schützerin geworden, auch mir selber. 1: Phöbe hat noch den Titel „Diakon“. Sie ist amtliche Seelsorgshelferin in der Hafenstadt Kenchreä. Später erst wurde die weibliche Form des Titel. „Diakonisse“ geprägt. 3 Grüßet Priska und Aquila, meine Mitarbeiter in Christus Jesus, 4 die für mein Leben ihren Hals gewagt haben, denen nicht bloß ich Dank schulde, sondern auch alle Gemeinden der Heiden. 5 Grüßet die Gemeinde, die in ihrem Hause ist. Grüßet meinen lieben Epänetus, welcher der Erstling Asiens für Christus ist. 6 Grüßet Maria, die sich viel bemüht hat um euch. 7 Grüßet Andronikus und Junias, meine Verwandten und Mitgefangenen, die unter den Aposteln angesehen sind, die auch vor mir in (Gemeinschaft mit) Christus waren. 8 Grüßet den Ampliatus, meinen Geliebten im Herrn. 9 Grüßet den Urbanus, unsern Gehilfen in Christus, und Stachys, meinen Geliebten. 10 Grüßet Apelles, den Bewährten in Christus. Grüßet die Hausgenossen des Aristobulus, 11 grüßet Herodion, meinen Verwandten; grüßet die Hausgenossen des Narzissus, die im Herrn sind. 12 Grüßet Tryphäna und Tryphosa, die sich bemühen im Herrn; grüßet Persis, die Teuerste, die viel im Herrn gearbeitet hat. 13 Grüßet Rufus, den Auserwählten im Herrn, und seine Mutter, die auch die meine ist. 14 Grüßet Asynkritus, Phlegon, Hermes, Patrobas, Hermas und die Brüder bei ihnen. 15 Grüßet Philologus und Julia, Nereus und seine Schwester Olympas und alle Heiligen, die bei ihnen sind. 15: Dieser Gruß offenbart die Gemütstiefe des Völkerapostels. 16 Grüßet euch untereinander mit heiligem Kusse. Es grüßen euch alle Gemeinden Christi. 1-16: Diese Grußliste ist ein herrliches Zeugnis für die enge Verbundenheit der jungen Christengemeinden in Ost und West und für die Bedeutung des Laienapostolates.
Warnung vor Irrlehrern. 17 Ich ermahne euch aber, Brüder, daß ihr auf der Hut seiet vor denen, welche die Spaltungen und Ärgernisse verursachen im Widerspruch zu der Lehre, die ihr gelernt habt; geht ihnen aus dem Wege. 18 Denn derlei Leute dienen nicht Christus, unserem Herrn, sondern ihrem Bauch, und mit süßen Reden und Schmeicheleien verführen sie die Herzen der Arglosen. 19 Euer Gehorsam ist allerorten bekannt; darum freue ich mich über euch. Ich wünsche aber, daß ihr weise seiet im Guten, aber arglos, wo es um Böses geht. 20 Der Gott des Friedens aber wird in Bälde den Satan unter euren Füßen zertreten. Die Gnade unseres Herrn Jesus Christus sei mit euch!
21 Es grüßt euch Timotheus, mein Mitarbeiter, und Luzius und Jason und Sosipatros, meine Verwandten. 22 Ich, Tertius, der diesen Brief geschrieben hat, grüße euch im Herrn. 22: Paulus hat dem Tertius den Brief diktiert. 23 Es grüßt euch Gajus, mein und der ganzen Gemeinde Hauswirt. Es grüßt euch Erastus, der Schatzmeister der Stadt, und der Bruder Quartus. 24 [Die Gnade unseres Herrn Jesus Christus sei mit euch allen! Amen.]
Lobpreis Gottes. 25 Dem aber, der mächtig ist, euch zu stärken nach meiner Heilsverkündigung und der Predigt über Jesus Christus gemäß der Offenbarung des Geheimnisses, das seit ewigen Zeiten verborgen gehalten war, 26 jetzt aber geoffenbart und durch Schriften der Propheten auf Anordnung des ewigen Gottes allen Völkern verkündet worden, um sie zum Glaubensgehorsam zu führen, 27 dem allein weisen Gott, ihm sei Ehre [und Herrlichkeit] durch Jesus Christus von Ewigkeit zu Ewigkeit! Amen.
Der erste Brief an die Korinther
Einleitung
Paulus war in erster Linie Großstadtmissionar. Auf seiner zweiten großen Missionsreise (von 50-52) weilte er anderthalb Jahre in Korinth, der Hauptstadt Achajas, und gründete in dieser bedeutenden Handels- und Industriestadt eine blühende Christengemeinde. Über keine urchristliche Einzelgemeinde sind wir so gut unterrichtet wie über diese. Bald nach dem Weggang des Apostels bildeten sich in der Gemeinde mehrere Parteien und drohten, die Einheit zu sprengen. In Ephesus erhielt Paulus nähere Nachrichten darüber. Zudem sahen sich die Leiter der korinthischen Kirche genötigt, dem Apostel eine Reihe schriftlicher Fragen zur Entscheidung und Auskunft vorzulegen. Das gab den Anlaß zur Abfassung unseres Briefes, nachdem ein anderer, nicht erhaltener Paulusbrief an die Korinther vorausgegangen war. Die Niederschrift erfolgte um Ostern 57.
Der erste Hauptteil ist der Abstellung der eingerissenen Mißstände gewidmet (1,10-6,20), der zweite gibt Antwort auf den korinthischen Fragebogen (7,1-15,58). Geschäftliche Anliegen, persönliche Nachrichten und Grüße bilden den Schluß.
Liegt die besondere Bedeutung des Römerbriefes in seinem dogmatischen Tiefgehalt, so ist der erste Korintherbrief eine unersetzliche Urkunde über das urkirchliche Gemeindeleben und die Arbeitsweise des größten Seelsorgers aller Zeiten. Das Werden und Wachsen, die Gefährdung und Rettung einer jungen christlichen Gemeinschaft mitten in einer sittlich verkommenen Großstadt wird daraus ebenso ersichtlich wie das Sorgen und Ringen, Belehren und Mahnen des Völkerapostels gegenüber seinen geistlichen Kindern. Alles in dem Brief atmet Lebensnähe und Wirklichkeitssinn.
1 1 Paulus, durch Gottes Willen zum Apostel Jesu Christi berufen, und Sosthenes der Mitbruder, 2 grüßen die Kirche Gottes zu Korinth, die Geheiligten in Christus Jesus, die berufenen Heiligen im Verein mit allen, die den Namen unseres Herrn Jesus Christus anrufen an jeglichem Orte, dem ihrigen wie dem unseren. 3 Gnade wünsche ich euch und Frieden von Gott, unserem Vater, und dem Herrn Jesus Christus.
Eingang. 4 Ich sage meinem Gott allezeit Dank euretwegen für die Gnade Gottes, die euch in Christus Jesus geschenkt ist. 5 Denn ihr seid durch ihn in allen Stücken reich geworden in aller Lehre und aller Erkenntnis. 6 Ebenso ist das Zeugnis vom Messias in euch befestigt worden. 7 So mangelt es euch, die ihr die Offenbarung unseres Herrn Jesus Christus sehnsüchtig erwartet, an keiner Gnadengabe. 8 Er wird euch auch befestigen bis ans Ende, auf daß ihr am Tage der Ankunft unseres Herrn Jesus Christus untadelig seid. 9 Getreu ist Gott, durch den ihr zur Gemeinschaft seines Sohnes, unseres Herrn Jesus Christus, berufen seid. 9: Von Gott zur Lebensgemeinschaft mit Jesus Christus berufen zu sein, ist der Sinn unseres religiösen Lebens und die größte aller Gnaden
Mißstände in der Gemeinde
Das Parteiwesen
Torheit des Parteiwesens. 10 Um des Namens unseres Herrn Jesus Christus willen ermahne ich euch, Brüder: Seid alle einmütig im Bekenntnisse und duldet keine Spaltungen unter euch; seid vielmehr vollkommen eines Sinnes und einer Meinung. 10 ff.: Die Einheit und Einigkeit der Gemeinde ist dem Apostel so wichtig, daß er den vierten Teil des Briefes der Abstellung des Parteihaders widmet. Er kennzeichnet zuerst den Tatbestand und den Widersinn der Parteiungen 1,10-17. Dann deckt er die tieferen Gründe der Parteisucht auf: 1,18-4,21. Die Korinther verkennen den wesenhaften Unterschied zwischen dem Gotteswort und der Weltweisheit: 1,18-31. Der Apostel aber hat bewußt auf Weltweisheit verzichtet: 2,1-5. Den Reifen verkündet er die aus Gott stammende wahre Weisheit: 2,6-16. Die Korinther aber verraten geistige Unreife: 3,1-17, Ihr Stolz ist Selbsttäuschung und Unrecht gegen die schwergeprüften Apostel: 3,18-4, 13. Dennoch bleibt Paulus noch beim Tadeln ihr Vater: 4,14-21. 11 Es ist mir nämlich über euch, meine Brüder, von den Angehörigen der Chloë berichtet worden, daß Streitigkeiten unter euch sind. 12 Ich meine das, daß bei euch der eine sagt: Ich bin Anhänger des Paulus, ein anderer: Ich bin Anhänger des Apollos, der dritte: Und ich des Kephas [Petrus], ein vierter: Ich bin Anhänger Christi. 13 Ist denn Christus geteilt? Ist etwa Paulus für euch gekreuzigt worden? Oder seid ihr auf den Namen des Paulus getauft? 14 Ich danke Gott, daß ich niemand von euch getauft habe als den Krispus und den Gajus. 15 So kann niemand sagen, ihr seiet auf meinen Namen getauft. 16 Doch ja, des Stephanas Haus habe ich getauft, sonst wüßte ich nicht, daß ich noch jemand getauft hätte. 17 Christus hat mich nicht gesandt zu taufen, sondern die Heilsbotschaft zu verkünden, doch nicht mit Menschenweisheit, damit das Kreuz Christi nicht seiner Kraft beraubt werde. 17: Die Gültigkeit und Wirksamkeit der Taufe hängt nicht von der Würde des Spenders ab. Es kommt aber sehr viel darauf an, wer uns im Glauben unterrichtet und wie es geschieht.
Die Weisheit der Gerechtfertigten. 18 Denn die Lehre vom Kreuze ist denen, die verlorengehen, Torheit, uns aber, die selig werden, ist sie Gottes Kraft. 19 Es steht ja geschrieben: Vernichten will ich die Weisheit der Weisen, die Klugheit der Klugen zuschanden machen (Is 29,14). 20 Oder wo ist ein Weiser? Wo ein Schriftgelehrter? Wo ein Wortfechter dieser Welt? (Is 33,18). Hat Gott nicht die Weisheit dieser Welt zur Torheit gemacht? 21 Weil die Welt mit ihrer Weisheit Gott in seiner Weisheit nicht erkannte, hat es Gott gefallen, durch die Torheit der Predigt diejenigen selig zu machen, welche glauben. 22 Die Juden fordern Wunderzeichen, und die Griechen suchen Weisheit, 23 wir aber verkünden Christus, den Gekreuzigten, der den Juden ein Ärgernis und den Heiden eine Torheit ist. 24 Denen aber, die berufen sind, den Juden sowohl als den Heiden, predigen wir Christus als Gottes Kraft und Gottes Weisheit. 25 Denn das Törichte, das von Gott kommt, ist weiser als die Menschen, und das Schwache, das von Gott kommt, ist stärker als die Menschen. 26 Seht nur auf eure Berufung, Brüder! Es sind nicht viele Gebildete im Sinne der Welt, nicht viele Einflußreiche, nicht viele aus vornehmen Familien, 27 sondern, was die Welt töricht nennt, das hat Gott auserwählt, um die Gebildeten zu beschämen; was die Welt schwach nennt, das hat Gott sich erwählt, um das Starke zu schanden zu machen. 28 Was die Welt für niedrig hält, was sie verachtet, ja, was keine „Existenz“ hat, das hat Gott sich erwählt, um das, was etwas ist, zunichte zu machen, 29 damit kein Sterblicher sich vor Gott rühme. 30 Aus ihm aber seid ihr in Christus Jesus, welcher uns zur Weisheit von Gott geworden ist, zur Gerechtigkeit, Heiligung und Erlösung. So hat sich das Schriftwort bestätigt: 31 Wer sich rühmt, der rühme sich im Herrn (Jer 9, 23. 24). 26-31: Diese Sätze beweisen nicht, daß das Christentum aus einer Proletarierbewegung entstanden sei; denn es gab, wenn auch „nicht viele“, so doch in hinreichender Zahl auch Christen aus den höheren Kreisen von Anfang an in der Kirche. Gott wollte aber zeigen, daß sein Reich auf Erden nicht Menschenwerk sei, nicht mit natürlichen Machtmitteln und kluger Berechnung errichtet, sondern Schöpfung der Gnade.
2 Die Predigt des Apostels ist frei von Weltweisheit. 1 Auch ich bin, als ich zu euch kam, Brüder, nicht aufgetreten mit erhabener Beredsamkeit und hoher Weisheit, um euch das Zeugnis Gottes zu verkünden. 2 Denn ich hatte mir vorgenommen, nichts unter euch zu wissen als allein Jesus Christus, und zwar als Gekreuzigten. 3 Ich trat mit Schwachheit und Furcht und großer Zaghaftigkeit bei euch auf. 4 Mein Reden und Predigen bestand nicht in weiser menschlicher Überredungskunst, sondern im Beweis von Geist und Kraft; 5 euer Glaube sollte sich nicht auf Menschenweisheit, sondern auf Gottes Kraft gründen. 1-5: Paulus war keine äußerlich imponierende Erscheinung. Der vorausgegangene Mißerfolg in Athen hatte ihn noch zaghafter gemacht. 6 Wahre Weisheit reden wir wohl auch unter den Vollkommenen, nicht jedoch Weisheit dieser Welt noch der Fürsten dieser Welt, die abgetan werden. 7 Wir reden vielmehr Gottes Weisheit, die geheimnisvolle, verborgene, die Gott vor Beginn der Welt zu unserer Verherrlichung vorherbestimmt hat. 8 Diese Weisheit hat keiner der Fürsten dieser Welt erkannt, denn hätten sie dieselbe erkannt, nie hätten sie den Herrn der Herrlichkeit gekreuzigt. 9 Vielmehr gilt davon das Schriftwort: Kein Auge hat es gesehen, kein Ohr hat es gehört, und in keines Menschen Herz ist es gedrungen, Gott hat es denen bereitet, die ihn lieben (Is 64,4). 10 Uns aber hat Gott eben das geoffenbart durch seinen Geist; denn der Geist erforscht alles, auch die Tiefen der Gottheit. 11 Denn welcher Mensch kennt das Wesen des Menschen, außer dem Geist des Menschen selbst, der in ihm ist? So erkennt auch keiner das Wesen Gottes als nur der Geist Gottes. 12 Wir aber haben nicht den Geist der Welt empfangen, sondern den Geist, der aus Gott ist, damit wir erkennen, was uns Gott geschenkt hat. 13 Dies reden wir auch nicht in Worten, wie menschliche Weisheit sie lehrt, sondern in Worten, wie der Geist sie lehrt, indem wir das Geistesgut in Geistesworte kleiden. 14 Der sinnliche Mensch faßt nicht, was des Geistes Gottes ist. Ja, als Torheit erscheint es ihm; er vermag es nicht zu verstehen, weil es geistig beurteilt werden muß. 14: Der Erfolg der Glaubensverkündigung hängt nicht nur vom Prediger sondern auch von der Geistesverfassung des Hörers ab. Wenn uns „der Sinn Christi“ abgeht, werden wir nie den Standpunkt wahrhaft religiöser Menschen verstehen. 15 Der Geistige aber beurteilt alles, doch er selbst wird von niemanden beurteilt. 16 Denn wer hat den Sinn des Herrn erkannt, daß er ihn belehren könnte? (Is 40,13.) Wir aber haben den Sinn Christi.
3 Nochmaliges Eingehen auf die Parteistreitigkeiten. 1 Auch ich, Brüder, konnte zu euch nicht reden wie zu Geistigen, sondern nur wie zu Fleischlichen, wie zu Unmündigen in Christus. 2 Milch gab ich euch zu trinken, nicht feste Speise, denn die vermochtet ihr noch nicht zu vertragen, ja, ihr vermögt es auch jetzt noch nicht; 3 denn noch seid ihr im irdischen Denken ganz befangen. Denn solange Eifersucht und Zwietracht bei euch herrschen, seid ihr da nicht fleischlich? Wandelt ihr da nicht nach recht menschlicher Weise? 4 Denn wenn einer sagt: Ich bin Anhänger des Paulus, der andere aber: Ich des Apollos — seid ihr da nicht (allzusehr) Menschen? 1-4: Die übertriebenen Ansprüche an die äußere Form der Predigt stehen bei den Korinthern in auffallendem Gegensatz zur eigenen religiösen Unkenntnis. Oberflächenmenschen finden am meisten Anlaß zum Nörgeln am Tun und Lassen der kirchlichen Behörde. 5 Was ist denn Apollos? Und was ist Paulus? Nur Diener sind sie, durch die ihr zum Glauben gelangt seid, und zwar ein jeder, wie es der Herr ihm verliehen hat. 6 Ich habe gepflanzt, Apollos hat begossen, aber Gott hat das Gedeihen gegeben. 7 Daher ist weder der etwas, welcher pflanzt, noch der, welcher begießt, sondern der das Gedeihen gibt: Gott. 8 Der da pflanzt und der begießt, sind eines, ein jeder aber wird seinen besonderen Lohn empfangen nach seiner besonderen Anstrengung.
Apostel und Gemeinde. 9 Denn wir sind Gottes Mitarbeiter; ihr seid Gottes Ackerfeld, seid Gottes Bau. 10 Nach der mir von Gott verliehenen Gnade habe ich wie ein weiser Baumeister den Grund gelegt; ein anderer baut darauf weiter. Doch sehe ein jeder, wie er darauf weiterbaue. 11 Denn einen andern Grund kann niemand legen als den, welcher gelegt ist, nämlich Jesus Christus. 11: Das gilt für die religiöse Entwicklung aller Zeiten. 12 Ob aber jemand auf diesem Grunde Gold, Silber, Edelsteine oder Holz, Heu, Stoppeln aufbaut — 13 das wird sich bei dem Werke eines jeden herausstellen; der Tag des Herrn wird es kundmachen, weil er sich im Feuer offenbaren wird. Wie das Werk eines jeden ist, wird das Feuer erproben. 14 Besteht das Werk, das er gebaut hat, so wird er Lohn empfangen. 15 Verbrennt sein Werk, so wird er Schaden leiden. Zwar wird er selbst selig werden, jedoch so wie durch Feuer. 16 Wißt ihr nicht, daß ihr ein Tempel Gottes seid und der Geist Gottes in euch wohnt? 17 Wer nun den Tempel Gottes vernichtet, den wird Gott vernichten; denn der Tempel Gottes ist heilig, und der seid ihr.
Warnung vor weltlicher Weisheit. 18 Keiner täusche sich selbst. Wenn jemand unter euch meint, weise zu sein in dieser Welt, so werde er ein Tor, damit er weise werde. 19 Denn die Weisheit dieser Welt ist Torheit vor Gott. Es steht nämlich geschrieben: Er fängt die Weisen in ihrer Schlauheit (Job 5,13). 20 Und wiederum: Der Herr kennt die Gedanken der Weisen in ihrer Nichtigkeit (Ps 94,11). 21 Darum rühme sich niemand der Menschen. Denn alles ist euer: 22 Paulus, Apollos, Kephas, Welt, Leben und Tod, Gegenwart und Zukunft — alles ist euer. 23 Ihr aber seid Christi, Christus aber ist Gottes. 20-23: Wer als Christ sich von Minderwertigkeitsgefühlen beherrschen läßt, beweist, daß er gar nicht weiß, wie recht er ist in seiner Zugehörigkeit zu Christus.
4 Die wahren christlichen Lehrer. 1 So halte man uns für Diener Christi und Verwalter der Geheimnisse Gottes. 2 Von Verwaltern fordert man nun, daß sie treu befunden werden. 3 Mir liegt gar wenig daran, daß ich von euch gerichtet werde oder überhaupt von einem menschlichen Gerichte. Doch auch nicht einmal über mich selbst fälle ich ein Urteil. 4 Ich bin mir zwar nichts bewußt, doch deswegen bin ich noch nicht gerechtfertigt; der mich richtet, ist der Herr. 5 So richtet denn nicht vor der Zeit, bis daß der Herr kommt. Er wird auch das im Finstern Verborgene an das Licht bringen und die Gesinnungen der Herzen offenbar machen. Dann wird jeder von Gott sein Lob erhalten. 1-5: Der Glaubensbote steht im Dienste Christi. Gottes Geheimnisse sind ihm zu treuen Händen anvertraut. Er darf also nie seine eigenen Ideen statt des göttlichen Wortes verkünden. Nur seinem göttlichen Herrn schuldet er Rechenschaft.
Hinweis auf die Demut. 6 Dies aber, Brüder, habe ich auf mich selbst und auf Apollos angewendet um euretwillen. Lernet so an uns die Regel: Nicht über das hinaus, was geschrieben steht, damit keiner sich aufblähe auf Kosten des einen zugunsten des andern. 6: Die echten und darum einfachen Wahrheiten der Heiligen Schrift bieten uns bessere Gewähr als dieser oder jener vielgenannte Lehrer oder Modeschriftsteller. 7 Wer gibt dir denn einen Vorzug? Was hast du denn, das du nicht empfangen hättest? Hast du es aber empfangen, was rühmst du dich, als hättest du es nicht empfangen? 8 Schon gesättigt seid ihr! Schon reich geworden seid ihr! Ihr seid ohne uns zur Herrschaft gelangt! Ja, wäret ihr nur zur Herrschaft gelangt! Dann könnten wir auch mit euch herrschen. 9 Wie mir scheint, hat Gott uns Apostel in die letzte Reihe gestellt, wie zum Tod Verurteilte. Denn ein Schauspiel sind wir der Welt geworden, den Engeln und Menschen. 10 Wir sind Toren um Christi willen; ihr seid ja klug in Christus! Wir sind schwach; ihr seid stark! Ihr seid hochgeehrt, wir sind verachtet. 11 Bis zur Stunde leiden wir Hunger und Durst und Blöße: wir werden mißhandelt und heimatlos umhergetrieben. 12 Wir müssen uns plagen mit unserer Hände Arbeit. Man flucht uns, und wir segnen; man verfolgt uns, und wir dulden. 13 Man lästert uns, und wir bitten. Wie Auswurf dieser Welt sind wir geworden, wie der allgemeine Abschaum bis zu dieser Stunde. 7-13: Den selbstgefälligen Nörglern stellt Paulus in bitterer Ironie das Bild der bescheidenen und schwergeprüften Glaubensboten gegenüber. Wo die wahre Größe zu finden ist, mögen die Leser selbst entscheiden.
Stellung des Apostels zur Gemeinde. 14 Ich schreibe das nicht, um euch zu beschämen, sondern um euch als meine geliebten Kinder zu ermahnen. 15 Denn wenn ihr zehntausend Lehrmeister hättet in Christus, so habt ihr doch nicht viele Väter. Denn in Christus Jesus bin ich durch die Heilsverkündigung euer Vater geworden. 16 So bitte ich euch denn: Werdet meine Nachahmer, [gleich wie ich Christi Nachahmer bin]. 17 Deshalb sende ich den Timotheus, meinen lieben und treuen Sohn im Herrn, zu euch; er wird euch meine Wege in Christus in Erinnerung bringen, so wie ich allenthalben in allen Gemeinden lehre. 18 Als ob ich nicht zu euch käme, so aufgeblasen sind einige geworden. 19 Ich werde, so Gott will, bald zu euch kommen. Dann will ich nicht die Rede der Aufgeblasenen, sondern ihre Kraft kennenlernen. 20 Denn nicht in Worten besteht das Reich Gottes, sondern in Kraft. 19-20: Gegenüber den heidnischen Großsprechern hat der bekehrte römische Rechtsanwalt Minucius Felix und ähnlich der heilige Cyprian von Carthago erklärt: „Wir sind Philosophen in Taten, nicht in Worten, tragen die Weisheit nicht im Mantel, sondern in der Wahrheit zur Schau. Das innere Bewußtsein der Tugend ist uns wichtiger als die Prahlerei damit. Unsere Größe zeigt sich im Leben, nicht im Reden.“ 21 Was wollt ihr? Soll ich mit der Rute zu euch kommen oder in Liebe und im Geiste der Milde?
Andere Übelstände
5 Strafurteil über einen Unzüchtigen. 1 Hört man ja doch von Unzucht unter euch und gar von einer solchen Unzucht, dergleichen nicht einmal unter den Heiden vorkommt: nämlich daß einer das Weib seines Vaters hat. 2 Und ihr seid aufgeblasen, anstatt daß ihr in Trauer geraten wäret, damit der Schuldige aus eurer Mitte entfernt würde. 3 Nun — ich für meinen Teil bin zwar nicht leiblich, wohl aber im Geiste unter euch und habe mein Urteil über diesen, der sich so schwer vergangen hat, bereits gefällt, als wäre ich leiblich anwesend. 4 Im Namen unseren Herrn Jesus Christus — im Geiste seid ihr und ich versammelt — mit der Vollmacht unseres Herrn Jesus 5 soll ein solcher dem Satan übergeben werden zum Verderben des Fleisches, damit der Geist gerettet werde am Tage unseres Herrn [Jesus Christus]. 5: Die vom Teufel verursachten körperlichen Leiden sollen den Sünder zur Reue und dadurch zur Rettung der Seele führen. 6 Nicht gut steht es um euer Rühmen. Wißt ihr nicht, daß ein wenig Sauerteig den ganzen Teig durchsäuert? 6: Der Blutschänder ist wie ein gefährlicher Bazillus in der Gemeinde. 7 Feget aus den alten Sauerteig, damit ihr ein neuer Teig seiet. Ihr seid ja ungesäuerte Brote; denn unser Osterlamm, Christus, ist geschlachtet. 8 So lasset uns denn Ostern halten nicht mit altem Sauerteig, nicht mit dem Sauerteig der Bosheit und Schlechtigkeit, sondern mit dem ungesäuerten der Lauterkeit und Wahrheit. 9 In dem (vorigen) Briefe habe ich euch geschrieben: Habt keinen Umgang mit Unzüchtigen. 9: Dieser Brief ist uns nicht erhalten geblieben. 10 Ich meinte damit nicht allgemein die Unzüchtigen dieser Welt oder die Habsüchtigen oder Räuber oder Götzendiener; sonst müßtet ihr ja aus der Welt hinausgehen. 11 Nun aber schreibe ich euch: Ihr sollt keinen Umgang haben mit einem, der sich Bruder nennt und dabei ein Unzüchtiger oder ein Habsüchtiger oder Götzendiener oder Lästerer oder Trunkenbold oder ein Räuber ist; mit einem solchen sollt ihr nicht einmal zusammen essen. 11: Bloße Namenschristen schaden der Kirche am meisten. Übertriebene Toleranz gegen sie ist übel angebracht. 12 Denn was geht es mich an, die, welche draußen sind, zu richten? Richtet ihr nicht die, welche innerhalb der Gemeinde sind? 13 Denn die Außenstehenden wird Gott richten. Schafft den Bösen fort aus eurer Mitte!
6 Prozesse zwischen Christen vor heidnischen Gerichten. 1 Wagt es jemand von euch, der einen Rechtshandel mit einem andern hat, denselben vor den Ungerechten entscheiden zu lassen und nicht vor den Heiligen? 1: Die Christen genossen damals ähnlich wie die Juden in gewissen Punkten die Vergünstigung eigener Gerichtsbarkeit. Um so schlechter wirkte es, wenn sie mit ihren Streitfragen vor die heidnischen Gerichte gingen. Vgl. Apg. 18,12-17. 2 Oder wisset ihr nicht, daß die Heiligen über diese Welt Richter sein werden? Wenn die Welt durch euch gerichtet wird, seid ihr dann nicht würdig, über die geringfügigsten Dinge zu Gericht zu sitzen? 3 Wißt ihr nicht, daß wir Engel richten werden? Um wieviel mehr weltliche Dinge! 3: Vgl. Dan 7,9 ff.; Weish 3,8; Mt 19,28; Lk 22,30. 4 Wenn ihr nun weltliche Rechtshändel habt, so bestellt jene zu Richtern in der Gemeinde, die am wenigsten Ansehen haben. 5 Zu eurer Beschämung muß ich das sagen. Also ist kein Weiser unter euch, auch nicht einer, der Schiedsrichter sein könnte zwischen Brüdern? 6 Nein! Ein Bruder rechtet mit einem Bruder — und das vor Ungläubigen! 7 Es ist überhaupt schon ein Fehler an euch, daß ihr Streitigkeiten miteinander habt. Warum erleidet ihr nicht lieber Unrecht? Warum laßt ihr euch nicht lieber übervorteilen? 8 Statt dessen verübt ihr selber Unrecht und übervorteilt andere, sogar Brüder. 9 Oder wisset ihr nicht, daß Ungerechte das Reich Gottes nicht erben werden? Täuschet euch nicht! Weder Unzüchtige noch Götzendiener, weder Ehebrecher noch Weichlinge, weder Knabenschänder 10 noch Diebe, weder Habsüchtige noch Trunkenbolde, weder Lästerer noch Räuber werden das Reich Gottes erben. 11 Und solche Menschen seid ihr, einige von euch, gewesen. Aber nun seid ihr abgewaschen, ja geheiligt, ja ihr seid gerechtfertigt im Namen unseres Herrn Jesus Christus und im Geiste unseres Gottes.
Warnung vor Unzucht. 12 Ihr sagt: Alles ist mir erlaubt. Wohl — aber nicht alles frommt. Alles ist mir erlaubt. Gut — aber ich soll mich von nichts beherrschen lassen. 12: Paulus zitiert Schlagworte korinthischer Schwärmer. Sie verwechselten die christliche Freiheit mit sittlicher Ungebundenheit und meinten, „den Reinen sei alles rein“, auch offensichtliche Unzucht. Sie verunreinige ebensowenig die Seele wie der Genuß der den Juden verbotenen Speisen. Der Christ begeht in Wirklichkeit durch die Unzucht einen Frevel gegen Christus (12-17) und schändet den eigenen Leib (18-20), 13 Die Speise ist für den Magen und der Magen für die Speise; Gott aber wird einmal beide vernichten. Jedoch der Leib ist nicht für die Unkeuschheit, sondern für den Herrn und der Herr für den Leib. 14 Gott hat aber nicht nur den Herrn auferweckt, sondern er wird auch uns durch seine Kraft auferwecken. 15 Wißt ihr nicht, daß eure Leiber Glieder Christi sind? Darf ich nun die Glieder Christi zu Gliedern einer Buhlerin machen? Das sei fern! 16 Oder wißt ihr nicht, daß, wer einer Buhlerin anhängt, ein Leib mit ihr wird? Denn es werden, heißt es, die zwei ein Leib sein (1 Mos 2,24). 17 Wer aber dem Herrn anhängt, ist ein Geist mit ihm. 18 Fliehet die Unkeuschheit! Jede (andere) Sünde, welche der Mensch begeht, bleibt außerhalb des Leibes; wer aber Unkeuschheit treibt, sündigt gegen den eigenen Leib. 19 Oder wißt ihr nicht, daß euer Leib ein Tempel des Heiligen Geistes ist, der in euch wohnt, den ihr von Gott habt? Wißt ihr nicht, daß ihr nicht euch selbst gehört? 20 Denn um hohen Preis seid ihr erkauft. Verherrlichet Gott [und traget ihn] in eurem Leibe! 19-20: Nirgendwo wird auch dem Menschenleibe so hohe Würde zuerkannt wie in der Religion Jesu; aber sie treibt keinen Fleischeskult. Es gibt kein „Recht auf den Körper“, um ihn zur Sünde zu mißbrauchen.
Beantwortung der Anfragen
Ehe und Jungfräulichkeit
7 Rechte und Pflichten in der Ehe. 1 Was die Frage betrifft, worüber ihr mir geschrieben habt, so wisset: Der Mann tut wohl daran, keine Frau zu berühren. 2 Um jedoch Unkeuschheit zu verhüten, mag ein jeder Mann seine Frau und jede Frau ihren Mann haben. 1-2: Paulus gibt Antwort auf eine diesbezügliche Frage, will also weder den einzigen noch den höchsten Zweck der Ehe nennen, wenn er sie als das von Gott gegebene Mittel zur Stillung der starken Naturtriebe empfiehlt. 3 Der Frau leiste der Mann die eheliche Pflicht, ebenso die Frau ihrem Mann. 4 Die Frau hat keine Gewalt über ihren Leib, sondern der Mann; ebenso hat auch der Mann kein Recht über seinen Leib, sondern die Frau. 5 Entziehet euch einander nicht, es sei denn mit gegenseitiger Einwilligung auf eine Zeitlang, um euch dem Gebete zu widmen. Dann kommet wieder zusammen, damit der Satan euch nicht versuche wegen eurer Unenthaltsamkeit. 3-5: Beide Gatten stehen sich mit gleichem Recht und gleicher Pflicht in diesem Punkte gegenüber. Kein Eheteil darf ohne Grund dem andern sein Recht verkürzen, aber ebensowenig etwas fordern, was gegen Gottes Gesetz und die Heiligkeit des Ehelebens verstößt.
Werte der Ehe und Ehelosigkeit. 6 Ich meine das als Zugeständnis, nicht als Gebot. 7 Ich wünschte nämlich, daß alle Menschen wären, wie ich bin. Aber ein jeder hat eben seine besondere Gnadengabe von Gott, der eine so, der andere anders. 7: Nicht nur die Berufung zur gottgeweihten Jungfräulichkeit, sondern auch zur Ehe ist eine Gnade. 8 Den Unverheirateten und den Witwen sage ich: Es ist gut für sie, wenn sie bleiben wie ich. 9 Wenn sie aber nicht die Kraft zur Enthaltsamkeit haben, so sollen sie heiraten, denn besser ist Heirat als steter Brand der Sinnlichkeit. 10 Den Verheirateten gebiete nicht ich, sondern der Herr, daß die Frau sich nicht vom Manne trenne. 11 Falls sie sich aber doch getrennt haben sollte, so bleibe sie unverheiratet oder versöhne sich mit dem Manne. Ebenso soll der Mann die Frau nicht verstoßen. 10-11: Die Unauflösbarkeit der Ehe ist also ein Gebot des Herrn und gilt für alle. Vgl. Mt 5,32; 19,3-11; Mk 10,4-12; Röm 7,1-3. Die Kirche kann daran nichts ändern, noch weniger der Staat..
Ehen zwischen Christen und Heiden. 12 Den übrigen aber sage ich, nicht der Herr: Wenn ein Mitbruder eine ungläubige Frau hat, und diese willigt ein, mit ihm zu leben, so entlasse er sie nicht. 13 Und wenn eine [gläubige] Frau einen ungläubigen Mann hat, und dieser willigt ein, mit ihr zusammenzuleben, so entlasse sie den Mann nicht. 14 Denn der ungläubige Mann ist durch die gläubige Frau geheiligt und ebenso die ungläubige Frau durch den gläubigen Mann, sonst wären ja eure Kinder unrein, nun aber sind sie heilig. 15 Wenn jedoch der Ungläubige sich trennen will, so mag er sich trennen. Denn in solchem Falle ist der Bruder oder die Schwester nicht gebunden, sondern zum Frieden hat uns Gott berufen. 16 Denn woher weißt du, Frau, ob du den Mann zum Heile führen wirst? Oder woher weißt du, Mann, ob du die Frau zum Heile führen wirst? 17 Nur wandle ein jeder so, wie es ihm der Herr zugeteilt, wie der Herr ihn berufen hat. Also verordne ich es in allen Gemeinden. 12-17: Bis heute gilt dieses „paulinische Privileg“ bei Ehen, die von zwei Ungetauften geschlossen wurden, wenn ein Ehegatte später christlich wird. 18 Ist einer als Beschnittener berufen, so suche er das nicht zu verbergen. Ist einer als Unbeschnittener berufen, so lasse er sich nicht beschneiden. 19 Weder auf Beschneidung kommt es an noch auf Unbeschnittensein, sondern auf die Beachtung der Gebote Gottes. 18-19: Die Rassenunterschiede sind nicht das Wesentliche in der Religion. 20 Ein jeder bleibe in dem Berufe, in welchem er berufen worden ist. 21 Bist du als Sklave berufen, mach dir keine Sorgen. Aber auch wenn du frei werden kannst, bleibe erst recht dabei. 22 Denn wer als Sklave im Herrn berufen ward, ist ein Freigelassener des Herrn. Ebenso, wer als Freier berufen ward, ist ein Sklave Christi. 23 Ihr seid teuer erkauft; werdet keine Menschenknechte. 24 Worin ein jeder berufen ist, Brüder, darin bleibe er bei Gott. 20-24: Andere Erklärer verstehen die Stelle im umgekehrten Sinne: Aber wenn du gar frei werden kannst, dann mache lieber Gebrauch von der Freiheit. Jedoch zeigt der Zusammenhang, daß nur die oben gegebene Übersetzung die richtige sein kann. Das Christentum wollte nicht die Massen der Sklaven unzufrieden machen und zur Revolution treiben. Es überwand die Sklaverei von innen heraus. Der Wert des Menschen ist unabhängig von seiner sozialen Stellung.
Vorzug der Jungfräulichkeit. 25 Betreffs der Jungfrauen habe ich kein Gebot vom Herrn. Einen Rat aber gebe ich als ein Mann, der durch die Gnade des Herrn Vertrauen verdient. 26 So meine ich denn, daß dieses gut sei bei der gegenwärtigen Bedrängnis, daß es nämlich gut für einen Menschen sei, also zu sein. 27 Bist du an eine Frau gebunden? — Suche keine Lösung. Bist du ledig, — Suche keine Frau. 28 Wenn du aber heiratest, so sündigst du nicht, und wenn die Jungfrau heiratet, so sündigt sie nicht. Bedrängnis des Fleisches werden sie jedoch haben. Und davon sähe ich euch gerne verschont. 29 Das sage ich euch, Brüder: Die Zeit drängt. Hinfort gilt es, daß die, welche Frauen haben, leben, als hätten sie keine; 30 und die, welche weinen, als weinten sie nicht; die, welche sich freuen, als freuten sie sich nicht; die, welche kaufen, als besäßen sie nichts; 31 und die, welche diese Welt genießen, als genössen sie dieselbe nicht; denn die Gestalt dieser Welt vergeht. 32 Ich wünsche aber, ihr möchtet ohne Sorge sein. Der Ehelose ist um das besorgt, was des Herrn ist; er möchte dem Herrn gefallen. 33 Der Verheiratete ist um das besorgt, was der Welt ist; er möchte seiner Frau gefallen. 34 So ist sein Herz geteilt. Die unverheiratete Frau und die Jungfrau ist auf das bedacht, was des Herrn ist; sie will an Leib und Seele heilig sein. Die Verheiratete aber ist auf das bedacht, was der Welt ist; sie will dem Manne gefallen. 35 Dies sage ich euch zu eurem Besten, nicht um eine Schlinge über euch zu werfen, sondern um die gute Sitte zu fördern und das unentwegte Ausharren beim Herrn. 32-35: Nicht um ein bequemeres Leben zu haben, soll einer die Jungfräulichkeit der Ehe vorziehen, sondern um in ungeteilter Hingabe Gott zu dienen und „an Leib und Seele heilig zu sein“. 36 Wenn aber jemand meint, es gereiche ihm zur Unehre, wenn seine Jungfrau über das blühende Alter hinaus ist, und wenn es so sein muß, so tue er, was er will; er sündigt nicht: sie mögen heiraten. 37 Wer aber in seinem Herzen festen Entschluß gefaßt hat, wer nicht genötigt ist, sondern Freiheit hat, nach seinem Willen zu handeln und sich dafür in seinem Herzen entschieden hat, seine Jungfrau (als Jungfrau) zu bewahren, der tut wohl daran. 38 Also, wer seine Jungfrau verheiratet, tut wohl: wer sie aber nicht verheiratet, tut besser. 36-38: Die Empfehlung des Jungfräulichkeitsideals brachte manchen Vater und Vormund in Verlegenheit, wie er es mit der Lebensgestaltung seines heiratsfähigen Mädchens halten sollte. Deshalb gibt Paulus darüber Auskunft.
Witwenstand. 39 Die Frau ist gebunden, solange ihr Mann lebt. Wenn aber ihr Mann entschlafen ist, so ist sie frei, sie heirate, wen sie will, doch geschehe es im Herrn. 40 Glücklicher aber wird sie sein, wenn sie so bleibt — nach meiner Ansicht; und ich meine doch auch den Geist Gottes zu haben.
Über den Genuß von Götzenopferfleisch
8 Der Genuß des Götzenopferfleisches ist an sich etwas Gleichgültiges. 1 Was nun das Götzenopferfleisch betrifft, so haben wir ja alle hierin Erkenntnis. — Die (bloße) Erkenntnis bläht auf; die Liebe hingegen erbaut. 2 Wenn aber jemand sich einbildet, etwas zu wissen, so hat er noch gar nicht erkannt, wie man erkennen soll. 3 Wer aber Gott liebt, der ist erkannt von ihm. — 4 Was also den Genuß des Götzenopferfleisches angeht, so wissen wir, daß ein Götze nichts in der Welt ist, und daß kein Gott ist als der Eine. — 5 Wenn es auch wirklich sogenannte Götter geben mag, sei es im Himmel, sei es auf Erden — es gibt ja (bei den Heiden) viele Götter und viele Herren —, 6 so haben wir doch nur einen Gott, den Vater, von dem alles kommt und für den wir da sind, und einen Herrn Jesus Christus, durch den alles ward und durch den wir sind.
Rücksicht auf die Schwachen. 7 Allein nicht alle haben diese Erkenntnis; vielmehr einige, die ihre bisherige Gewöhnung an den Götzendienst noch nicht abgelegt haben, essen es als Götzenopfer, und ihr Gewissen wird, weil es schwach ist, dadurch befleckt. 8 Speise gibt uns keinen Wert vor Gott. Denn bei ihm gewinnen wir nichts, wenn wir essen, und verlieren wir nichts, wenn wir nicht essen. 9 Seht aber zu, daß diese eure Freiheit nicht etwa den Schwachen zum Anstoß werde. 10 Denn wenn jemand dich, der du die „Erkenntnis“ hast, beim Opfermahle sitzen sieht, wird nicht sein Gewissen, weil es schwach ist, aufgemuntert werden, Götzenopfer zu essen? 11 Und so geht durch deine „Erkenntnis“ der Schwache verloren, der Bruder, für den Christus gestorben ist. 12 Wenn ihr so gegen eure Brüder sündigt und ihr schwaches Gewissen verletzt, sündigt ihr gegen Christus. 13 Wenn daher eine Speise meinem Bruder Ärgernis gibt, will ich in Ewigkeit kein Fleisch essen, damit ich meinem Bruder nicht Anstoß gebe. 9-13: Eine in sich erlaubte Handlung kann durch die äußeren Umstände sündhaft werden. Das Christentum ist die Religion der Liebe, nicht des starren Rechts. 1 ff.: Ein Teil des den Götzen geopferten Fleisches wurde bei der Kultmahlzeit im Tempel gegessen, anderes kam zum Verkauf auf den Markt. Da die Christen als Minderheit unter den Heiden wohnten, ergaben sich daraus bei Einladungen leicht Gewissenszweifel.
9 Beispiel des Apostels. Seine Rechtsansprüche. 1 Bin ich nicht frei? Bin ich nicht ein Apostel? Habe ich nicht [Christus] Jesus, unsern Herrn, gesehen? Seid ihr nicht mein Werk im Herrn? 2 Wenn ich für andere kein Apostel bin, so bin ich es doch für euch. Denn das Siegel meines Apostelamtes seid ihr im Herrn. 3 Dies ist meine Verteidigung gegen die, welche mich zur Rede stellen. 4 Haben wir nicht das Recht, uns Essen und Trinken reichen zu lassen? 5 Haben wir nicht das Recht, eine Frau als Schwester mit uns zu führen, wie auch die übrigen Apostel, die Brüder des Herrn und Kephas? 5: Mit der Frau oder Schwester meint der Apostel wohl eine ältere Christin, welche für die leiblichen Bedürfnisse der Apostel sorgte, wie einst auch Frauen den Herrn begleiteten und „ihm mit ihrem Vermögen dienten“ (Luk 8,3). Es ist also nicht an eine Ehefrau gedacht. Über die Brüder des Herrn vgl. Mt 12,46; Gal 1,19. 6 Oder haben nur ich und Barnabas nicht das Recht, das Handwerk aufzugeben? 7 Wer leistet denn Kriegsdienste auf eigene Kosten? Wer pflanzt einen Weinberg, ohne seine Frucht zu genießen? Wer weidet eine Herde und nährt sich nicht von ihrer Milch? 8 Rede ich dies nur nach menschlichen Vernunftgründen? Oder sagt dies nicht auch das Gesetz? 9 Denn im Gesetz des Moses steht geschrieben: Du sollst einem Ochsen beim Dreschen keinen Maulkorb anlegen (5 Mos 25,4). Kümmert sich Gott wohl um die Ochsen? 10 Oder sagt er das nicht vielmehr um unseretwillen? Ja, unseretwegen ist es geschrieben. In der Hoffnung soll der Pflüger pflügen, und der Drescher soll arbeiten in der Hoffnung, an der Frucht Anteil zu haben. 11 Wir haben euch das Geistige gesät; ist es da zuviel, wenn wir von euch Zeitliches ernten? 12 Wenn andere das Verfügungsrecht über euch genießen, warum nicht vielmehr wir? Aber wir haben von dieser Befugnis keinen Gebrauch gemacht, sondern wir ertragen alles, um nicht der Heilsbotschaft Christi ein Hindernis zu bereiten. 13 Wißt ihr nicht, daß die, welche im Heiligtum beschäftigt sind, vom Heiligtum auch leben? Daß die, welche dem Altare dienen, vom Altare auch ihren Anteil bekommen? 14 So hat auch der Herr verordnet, daß die, welche die Heilsbotschaft verkünden, von der Heilsverkündigung leben sollen.
Freiwilliger Verzicht auf die Rechtsansprüche. 15 Ich habe davon keinerlei Gebrauch gemacht. Doch schreibe ich das nicht, damit es künftig so mit mir gehalten werde; denn lieber will ich sterben, als — nein, meinen Ruhm soll mir keiner rauben! 16 Wenn ich nämlich predige, gereicht mir das noch nicht zum Ruhme. Das ist meine Pflicht und Schuldigkeit, wehe mir, wenn ich die Heilsbotschaft nicht verkünden würde! 17 Denn wenn ich meine Arbeit aus freien Stücken tue, so habe ich Anspruch auf Lohn; tue ich sie aber unfreiwillig, so ist es nur ein Verwalteramt, das mir übertragen wurde. 16-17: In der Art seiner Berufung zum Apostelamt sieht Paulus eine Verpflichtung zu höheren Leistungen. 18 Worin besteht also mein Verdienst? Darin, daß ich die Heilsbotschaft unentgeltlich verkünde und dadurch von meinem Rechte keinen Gebrauch mache, das ich hätte auf Grund der Heilsverkündigung. 19 Denn obwohl ich unabhängig von allen war, habe mich doch zum Knechte aller gemacht, um recht viele zu gewinnen. 20 Den Juden bin ich wie ein Jude geworden, um Juden zu gewinnen. Denen, die unter dem Gesetze sind, ward ich, als wäre ich unter dem Gesetz, obwohl ich nicht unter dem Gesetze bin, um die zu gewinnen, welche unter dem Gesetze sind. 21 Denen, welche ohne Gesetz sind, bin ich wie einer der ihrigen geworden, obwohl ich nicht ohne Gesetz Gottes, sondern unter dem Gesetze Christi bin, um sie, die Gesetzlosen, zu gewinnen. 22 Den Schwachen bin ich ein Schwacher geworden, um die Schwachen zu gewinnen. Allen bin ich alles geworden, um auf jeden Fall etliche zu retten. 22: Als erfahrener Menschenkenner weiß der Apostel, daß er nicht alle zu retten vermag: aber er bietet alles auf, um wenigstens etliche zum Heil zu führen. 23 Das alles tue ich um der Heilsbotschaft willen, auf daß ich ihrer mit teilhaftig werde.
Der Wettkampf des Lebens. 24 Wißt ihr nicht, daß die Läufer in den Rennbahnen zwar alle laufen, daß aber nur einer den Preis gewinnt? Laufet so, daß ihr ihn erlanget. 25 Wer im Wettkampf ringt, enthält sich von allem. Jene tun das, um einen vergänglichen Kranz zu gewinnen, wir aber einen unvergänglichen. 26 So laufe auch ich nicht wie ins Blaue hinein; so kämpfe auch ich nicht wie einer, der Lufthiebe macht. 27 Vielmehr züchtige ich meinen Leib und mache ihn mir untertan, um nicht, während ich andern Herold war, selber dazustehen wie einer, der die Prüfung nicht bestand. 24-27: Um die Berufung zum Christentum ist es etwas bitter Ernstes. Der Name allein tut es nicht, noch genügen fromme Stimmungen.
10 Die Geschichte als Lehrmeisterin. 1 Ich will euch nicht in Unkenntnis darüber lassen, Brüder, daß unsere Väter alle unter der Wolke waren und alle durch das Meer hindurchgingen 2 und alle auf Moses in der Wolke und im Meere getauft wurden 3 und alle dieselbe geistige Speise aßen 4 und alle denselben geistigen Trank tranken; sie tranken nämlich aus einem geistigen Felsen, der sie begleitete — dieser Fels war Christus. 5 Trotzdem hatte Gott an der Mehrzahl von ihnen kein Wohlgefallen; denn sie wurden niedergestreckt in der Wüste. 6 Dies ist uns zum Vorbild geschehen. Es soll uns eine Warnung sein. Wir sollen nicht auch wie jene die Begierlichkeit zum Bösen in uns aufkommen lassen. 7 Werdet auch nicht Götzendiener wie manche aus ihnen. Denn die Schrift sagt: Das Volk setzte sich, um zu essen und zu trinken, und stand dann auf, um zu tanzen (2 Mos 32,6). 8 Laßt uns auch nicht Unkeuschheit treiben, wie einige von ihnen Unkeuschheit trieben; und es fielen an einem Tage dreiundzwanzigtausend. 9 Laßt uns auch Christus nicht versuchen, wie etliche von ihnen es taten, die dafür durch die Schlangen umkamen. 10 Auch murret nicht, wie einige von ihnen murrten, die durch den Würgengel zugrunde gingen. 11 All das widerfuhr ihnen, uns zum Vorbilde. Es ist zur Warnung geschrieben für uns, zu denen das Ziel und Ende der Weltzeiten gekommen ist. 12 Wer also zu stehen glaubt, der sehe zu, daß er nicht falle. 13 Es hat euch bisher nur menschliche Versuchung betroffen. Gott ist treu, er läßt euch nicht über eure Kräfte versucht werden, sondern wird mit der Versuchung auch den Ausweg schaffen, der euch das Aushalten ermöglicht. 1-13: Die Geschichte Israels lehrt die Christen, daß die bloße Zugehörigkeit zum auserwählten Volke das Heil noch nicht sichert, auch im Neuen Bunde nicht.
Teilnahme an Götzenopfern. 14 Deshalb, Geliebte, fliehet vor dem Götzendienst. 15 Ich rede wie zu Verständigen, beurteilt denn selbst, was ich sage. 16 Der geweihte Kelch, den wir segnen, ist er nicht die Gemeinschaft des Blutes Christi? Und das Brot, das wir brechen, ist es nicht die Gemeinschaft des Leibes Christi? 17 Denn weil es ein einziges Brot ist, so sind wir trotz unserer Vielheit ein einziger Leib, wir alle teilen uns ja in das eine Brot. 18 Sehet auf die Israeliten nach dem Fleische! Haben nicht die, welche die Opfer essen, teil an dem Altare? 19 Was sage ich damit? Daß das Götzenopfer etwas sei? Oder daß ein Götze etwas sei? 20 Nein! Sondern, was die Heiden opfern, das opfern sie den bösen Geistern und nicht Gott. Ich will aber nicht, daß ihr Gemeinschaft habt mit den bösen Geistern. 21 Ihr könnt nicht den Kelch des Herrn trinken und den Kelch der bösen Geister. Ihr könnt nicht am Tische des Herrn teilnehmen und am Tische der bösen Geister. 16-21: Die hier dargelegten Wirkungen des eucharistischen Brotes und Weines beweisen klar den Glauben der Urkirche an die wahre Gegenwart des Leibes und Blutes Christi unter den Gestalten von Brot und Wein. 22 Oder wollen wir den Herrn herausfordern? Sind wir etwa stärker als er?
23 „Alles ist mir erlaubt.“ Wohl, aber nicht alles frommt. „Alles ist mir erlaubt.“ — Aber nicht alles erbaut. 24 Keiner suche den eigenen Vorteil, sondern den des Nächsten. 24: Der Satz: „Gemeinnutz geht vor Eigennutz“ war also schon den ersten Christen bekannt. Vgl. Vers 33; Röm 15,2. 25 Alles, was auf dem Fleischmarkte verkauft wird, das esset, ohne um des Gewissens willen ängstlich nachzuforschen. 26 Des Herrn ist die Erde und alles, was sie erfüllt (Ps 24,1). 27 Wenn euch ein Ungläubiger einladet und ihr euch entschließt, hinzugehen, so esset alles, was euch vorgesetzt wird, ohne um des Gewissens willen nachzuforschen. 28 Sagt aber einer: Dies ist Opferfleisch, dann esset nicht, um dessentwillen, der es gesagt hat, und um des Gewissens willen. 29 Aber nicht dein Gewissen meine ich, sondern das des andern. Warum denn soll ich meine Freiheit von einem fremden Gewissen richten lassen? 30 Wenn ich mit Danksagung etwas genieße, warum soll ich mich lästern lassen wegen dessen, wofür ich Danke sage? 31 Ihr möget also essen oder trinken oder sonst etwa tun, tut alles zur Ehre Gottes. 32 Gebt kein Ärgernis, weder Juden noch Heiden, noch der Kirche Gottes, 33 so wie auch ich allen in allem zu Gefallen bin und nicht meinen Vorteil, sondern den Nutzen der vielen suche, damit sie selig werden. 25-33: Nach der vorausgehenden Erörterung gibt der Apostel nun praktische Anweisungen über den Genuß von Götzenopferfleisch.
11 1 Seid meine Nachahmer, wie ich Christi Nachahmer bin.
Über die gottesdienstlichen Versammlungen
Die Frauen beim Gottesdienste. 2 Ich lobe euch, Brüder, daß ihr in allem meiner eingedenk seid und meine Vorschriften haltet, wie ich sie euch überliefert habe. 3 Ihr müßt wissen, daß das Haupt eines jeden Mannes Christus ist; das Haupt der Frau aber ist der Mann, Christi Haupt endlich ist Gott. 4 Jeder Mann, der mit verhülltem Haupte betet oder prophetisch redet, entehrt sein Haupt. 5 Jede Frau aber, die mit unverhülltem Haupte betet oder prophetisch redet, entehrt ihr Haupt; denn es ist geradeso, als wäre sie geschoren. 6 Denn wenn eine Frau sich nicht verhüllt, so mag sie sich gleich auch die Haare abschneiden lassen; gilt es aber für eine Frau als Schande, sich die Haare abschneiden oder kahlscheren zu lassen, so verhülle sie ihr Haupt. 7 Der Mann dagegen soll das Haupt nicht verschleiern; denn er ist das Ebenbild und der Abglanz Gottes; die Frau aber ist des Mannes Abglanz. 8 Denn der Mann stammt nicht von der Frau, sondern die Frau vom Manne. 9 Auch ist der Mann nicht der Frau wegen geschaffen, sondern die Frau des Mannes wegen. 10 Deshalb soll die Frau ein Machtzeichen auf dem Haupte haben um der Engel willen. 11 Jedoch ist weder der Mann ohne die Frau noch die Frau ohne den Mann im Herrn. 12 Wie nämlich die (erste) Frau vom Manne stammt, so ist (seither) der Mann durch die Frau; alles aber kommt von Gott. 13 Urteilt selbst: Ist es schicklich, daß eine Frau unverschleiert zu Gott bete? 14 Lehrt euch nicht die Natur selbst, daß einem Manne langes Haar zur Unehre gereicht, 15 wenn aber die Frau langes Haar trägt, es ihr eine Zierde ist? Die Haare sind ihr ja zum Schleier gegeben. 16 Wenn jedoch einer glaubt, streitsüchtig auf seiner Meinung bestehen zu müssen, der wisse: Wir haben einen solchen Brauch nicht und auch nicht die Gemeinden Gottes. 2-16: Korinthische Frauen zogen aus der christlichen Lehre von der Gleichberechtigung beider Geschlechter vor Gott falsche Schlüsse und wollten nun auch äußerlich wie die Männer auftreten, indem sie keinen Schleier mehr trugen. Dieser Bruch mit alter Sitte und Gewohnheit brachte Verwirrung beim Gottesdienst und gefährdete den guten Namen der Christen, weil damals die ehrlosen Frauen ohne Schleier aufzutreten pflegten. Deshalb erteilt Paulus auf die diesbezügliche Anfrage eine so entschiedene Antwort. Von Minderbewertung der Frau ist dabei keine Rede. Ist doch gerade der Schleier ein tiefes Symbol echten und reinen Frauentums.
Feier des Abendmahles. 17 Die folgende Anordnung treffe ich, ohne euch loben zu können, weil ihr nicht zum Wohl, sondern zum Schaden zusammenkommt. 18 Fürs erste höre ich, daß bei euren Gemeindeversammlungen Spaltungen unter euch seien und teilweise glaube ich es. 19 Es muß ja Spaltungen geben, damit die Bewährten unter euch offenbar werden. 20 Bei euren Zusammenkünften heißt es nicht mehr, des Herrn Abendmahl halten. 21 Nimmt doch ein jeder sein eigenes Mahl beim Essen vorweg; der eine hungert, während der andere betrunken ist. 22 Habt ihr denn nicht eure Häuser zum Essen und Trinken? Oder verachtet ihr die Kirche Gottes und beschämt die, welche nichts haben? Was soll ich euch sagen? Soll ich euch loben? Hierin kann ich euch nicht loben. 17-22: Mit der Feier der eucharistischen Geheimnisse pflegte die Urkirche ein Liebesmahl (Agape) zu verbinden. Es war Ausdruck des liebenden Familiengeistes und bot Gelegenheit zur Unterstützung der Armen. In Korinth waren schlimme Mißstände dabei eingerissen. 23 Denn ich habe vom Herrn empfangen, was ich euch auch überliefert habe: In der Nacht, in welcher er verraten wurde, nahm der Herr Jesus Brot, 24 dankte, brach es und sprach: [Nehmet hin und esset,] das ist mein Leib, der für euch [hingegeben wird]. Tut dies zu meinem Andenken. 25 Auf gleiche Weise nahm er nach dem Mahle den Kelch und sprach: Dieser Kelch ist der Neue Bund in meinem Blute. So oft ihr trinket, tut es zu meinem Andenken. 25: Das im Kelche enthaltene Blut ist Christi Blut, wodurch der Neue Bund geschlossen wird, wie auch der Alte Bund mit Opferblut geschlossen worden ist. (2 Mos 24,8). 26 So oft ihr nämlich dieses Brot esset und diesen Kelch trinket, verkündet ihr den Tod des Herrn, bis er kommt. 27 Wer daher unwürdig das Brot ißt oder den Kelch des Herrn trinkt, der ist schuldig des Leibes und Blutes des Herrn. 27: Wer das Brot oder den Kelch unwürdig empfängt, ist nach den Worten des Apostels schuldig des Leibes und Blutes Christi; daraus folgt, daß unter jeder der beiden Gestalten der ganze Christus gegenwärtig ist und der Genuß unter einer Gestalt genügt. 23-27: Dem Zerrbild der korinthischen Eucharistiefeier stellte Paulus das heilige Urbild des Herrenmahls gegenüber.
Unwürdiger Empfang. 28 Darum prüfe jeder sich selbst, und so esse er von dem Brote und trinke von dem Kelche. 29 Denn wer [unwürdig] ißt und trinkt, ißt und trinkt sich das Gericht, da er den Leib [des Herrn] nicht unterscheidet. 30 Darum sind unter euch so viele Schwache und Kranke, und viele sind entschlafen. 31 Wenn wir uns aber selbst richteten, so würden wir nicht gerichtet werden. 32 Wenn wir aber gerichtet werden, so werden wir vom Herrn gezüchtigt, damit wir nicht mit der Welt verdammt werden. 33 Deshalb, meine Brüder, wenn ihr zum Mahle zusammenkommt, so wartet aufeinander. 34 Ist aber jemand hungrig, so esse er zu Hause, damit eure Versammlung euch nicht zum Strafgerichte wird. Das übrige will ich anordnen, wenn ich komme. 34: Das Nüchternheitsgebot vor Empfang der heiligen Kommunion galt damals noch nicht.
Über die Geistesgaben
12 Ursprung und Nutzen. 1 Über die Geistesgaben will ich euch, Brüder, nicht im unklaren lassen. 1 Unter Geistesgaben oder Charismen versteht man außerordentliche übernatürliche Gnadengeschenke des Heiligen Geistes, die einzelnen Gläubigen zum Nutzen anderer und zur Erbauung des mystischen Leibes Christi verliehen werden. Sie traten in der Urkirche besonders stark in Erscheinung. Unklare Begriffe darüber und Überschätzung einzelner Gaben aus Sensationslust brachten Unordnung in den Gottesdienst. 2 Ihr wisset, als ihr Heiden waret, ließet ihr euch willenlos zu den stummen Götzen hinziehen. 3 Darum tue ich euch kund: Keiner, der im Geiste Gottes redet, flucht Jesus. Ebenso kann niemand sagen: Herr Jesus, außer im Heiligen Geiste. 3: Gläubiges Bekenntnis Christi oder Christushaß sind die besten Kennzeichen echter oder unechter Geistesgaben. 4 Es gibt verschiedene Gnadengaben, aber es ist derselbe Geist. 5 Verschieden sind die Ämter, aber es ist derselbe Herr. 6 Verschieden sind die Wunderwirkungen; aber es ist derselbe Gott, der alles in allem wirket. 7 Jedem aber wird die Offenbarung des Geistes zum (allgemeinen) Nutzen gegeben. 8 Dem einen wird durch den Geist das Wort der Weisheit verliehen, einem andern das Wort der Wissenschaft nach demselben Geiste. 9 Einem dritten Glauben in demselben Geist; einem andern die Gnadengabe zu Heilungen in dem einen Geiste. 10 Diesem die Gabe, Wunder zu wirken, jenem die Prophetengabe, einem andern die Unterscheidung der Geister, diesem mancherlei Sprachengabe, jenem die Auslegung solcher Sprachen. 11 All dies bewirkt ein und derselbe Geist, der einem jeden nach seiner Art zuteilt, wie er will.
Die Gläubigen sind Glieder des Leibes Christi. 12 Wie nämlich der Leib einer ist und doch viele Glieder hat, alle Glieder des Leibes aber, obgleich ihrer viele sind, doch einen Leib bilden, also auch Christus. 13 Denn in einem Geiste sind wir alle zu einem Leibe getauft, ob Juden oder Heiden, ob Sklaven oder Freie; und alle sind wir mit einem Geiste getränkt. 14 Denn auch der Leib besteht nicht aus einem Glied, sondern aus vielen. 15 Wenn der Fuß sagte: Weil ich nicht Hand bin, gehöre ich nicht zum Leibe, so gehörte er darum doch zum Leibe. 16 Und wenn das Ohr sagte: Weil ich nicht Auge bin, gehöre ich nicht zum Leibe, so gehört es darum doch zum Leibe. 17 Wenn der ganze Leib Auge wäre, wo wäre das Gehör? Wenn der ganze Leib Gehör wäre, wo wäre der Geruch? 18 So aber hat Gott ein jedes der Glieder am Leibe angebracht, wie er wollte. 19 Wenn alles nur ein Glied wäre, wo wäre da der Leib? 20 Nun aber sind es viele Glieder, jedoch nur ein Leib. 21 Es kann aber das Auge nicht zur Hand sagen: Ich bedarf deiner Dienste nicht, oder das Haupt zu den Füßen: Ich brauche euch nicht. 22 Nein; vielmehr sind diejenigen Glieder des Leibes, welche die schwächeren zu sein scheinen, besonders notwendig. 23 Jene, die als weniger ehrbar gelten, umkleiden wir mit reichlicherem Schmucke, und was an uns unanständig ist, wird mit um so mehr Anstand behütet; 24 die anständigen Teile brauchen das nicht. Gott hat den Leib so eingerichtet, daß er demjenigen mehr Ehre zuteil werden ließ, welchem es daran gebrach, 25 damit es keine Unordnung am Leibe gebe, sondern die Glieder einmütig füreinander Sorge trügen. 26 Wenn ein Glied leidet, so leiden alle Glieder mit; wenn ein Glied ausgezeichnet wird, so freuen sich alle mit. 12-26: Wie es sinnlos wäre, wenn alle Glieder am Menschenleibe die gleiche Stellung und Aufgabe hätten, so haben die mit weniger auffälligen Geistesgaben ausgerüsteten Gläubigen keinen Grund, sich zurückgesetzt zu fühlen. Die Inhaber der vielbegehrten Gaben dürfen ebensowenig verächtlich auf die anderen herabschauen. Alle sollen miteinander und füreinander wirken. 27 Ihr aber seid Christi Leib, einzeln genommen dessen Glieder. 28 Und zwar hat Gott die einzelnen in der Kirche bestimmt, teils zu Aposteln, teils zu Propheten, zu Lehrern, dann für Wundertaten, dann für Krankenheilungen, für Hilfeleistungen, für Verwaltungen, für verschiedene Arten von Sprachengaben [und Auslegungen]. 29 Es sind doch nicht alle Apostel? Doch nicht alle Propheten? Doch nicht alle Lehrer? Haben etwa alle Wunderkräfte? 30 Alle die Gabe zu heilen? Reden alle in Sprachen? Haben alle die Gabe der Auslegung? 27-30: Die Lehre von der mystischen Einheit aller Gläubigen mit Christus von unserem Sein und Wirken in Christus und durch Christus, gehört zu den Lieblingsgedanken des Apostels. Die Kirche ist der mystische Leib Christi, Christus das Haupt. Also ist die Kirche keine bloße Organisation von Menschen, sondern ein göttlich-menschlicher Organismus. 31a Bemühet euch eifrig um die besseren Gaben. 31b Doch noch einen vorzüglicheren Weg will ich euch weisen.
13 Das Hohelied der Liebe. 1 Wenn ich mit Menschen‑, ja mit Engelszungen redete, hätte aber die Liebe nicht, so wäre ich wie ein tönendes Erz und eine klingende Schelle. 2 Hätte ich die Prophetengabe, wüßte ich alle Geheimnisse und besäße alle Erkenntnis, hätte ich alle Glaubenskraft, so daß ich Berge versetzen könnte, fehlte mir aber die Liebe, so wäre ich nichts. 3 Wenn ich alle meine Habe den Armen zur Speise austeilte, und wenn ich meinen Leib zum Verbrennen hingäbe, hätte aber die Liebe nicht, so nützte es mir nichts. 4 Die Liebe ist langmütig, gütig ist die Liebe; die Liebe ist nicht eifersüchtig, sie prahlt nicht und bläht sich nicht auf. 5 Sie handelt nicht taktlos, sucht nicht das Ihrige; sie läßt sich nicht erbittern, sie trägt das Böse nicht nach. 6 Sie freut sich nicht über das Unrecht, freut sich vielmehr mit der Wahrheit. 7 Sie erträgt alles, sie glaubt alles, sie hofft alles, sie hält alles aus. 7: Statt „sie erträgt alles“ kann es auch heißen „sie deckt alles zu“, aber nicht aus Schwäche, wie es zuweilen mit dem Ausdruck bezeichnet wird: „Alles mit dem Mantel der Liebe zudecken.“ 8 Die Liebe hört nie auf. Die Prophetengaben verschwinden; die Sprachengaben hören auf; Erkenntnis wird ein Ende nehmen. 9 Denn Stückwerk ist unser Wissen, und unsere Prophetengabe ist Stückwerk. 10 Wenn das Vollkommene erscheint, wird das, was Stückwerk ist, abgetan werden. 11 Als ich ein Kind war, redete ich wie ein Kind, dachte wie ein Kind, urteilte wie ein Kind; als ich aber Mann ward, legte ich das kindische Wesen ab. 12 Jetzt sehen wir nur wie durch einen Spiegel in Rätseln, dann aber von Angesicht zu Angesicht. Jetzt ist mein Erkennen Stückwerk; dann aber werde ich erkennen, wie auch ich erkannt bin. 13 Nun aber bleiben Glaube, Hoffnung, Liebe, diese drei; das größte aber unter ihnen ist die Liebe. 13: Denn die Liebe dauert im Himmel fort; dagegen geht der Glaube über ins Schauen, die Hoffnung in den Besitz. 1-13: Dieses Hohelied der Liehe zählt zu den kostbarsten Perlen aller religiösen Literatur. Die erste Strophe (1-3) preist den unersetzlichen Wert der Liebe in dreifachem Vergleich mit den Geistesgaben. In der zweiten Strophe werden die Eigenschaften der Liebe genannt (4-7). Die dritte Strophe gilt dem besonderen Vorzug der Liebe: ihrer Unvergänglichkeit (8-13).
14 Über den Wert der Sprachengabe und Prophetengabe. 1 Strebet nach der Liebe! Wenn ihr dann noch Geistesgaben begehrt, so vorzüglich die Prophetengabe. 2 Denn wer „in Sprachen redet“, redet nicht für Menschen, sondern für Gott, ihn versteht ja niemand, er redet im Geiste Geheimnisse. 3 Wer dagegen prophetisch redet, redet für Menschen zur Erbauung, Ermahnung und Tröstung. 1-3: Unter den wunderbaren Gaben, womit Gott den Eifer der ersten Christen belohnte, ragen besonders die Sprachengabe und Prophetengabe hervor. Das „Reden in Sprachen“ war eine Verzückung, ein wunderbares Reden mit Gott in einer Sprache, welche die Zuhörer nicht verstanden. Die „Prophetengabe“ war ebenfalls ein gotterleuchtetes, begeistertes Sprechen, welches aber für die Zuhörer verständlich war und darum zur allgemeinen Erbauung, Ermahnung und Tröstung gereichte. 4 Wer „in Sprachen redet“, erbaut sich selber; wer aber prophetisch redet, erbaut die Gemeinde [Gottes]. 5 Ich wünsche zwar, daß ihr alle in Sprachen redet, noch lieber aber, daß ihr prophetisch redet. Denn der Prophet steht über dem Sprachenredner, es sei denn, daß dieser zugleich auslegt, damit die Gemeinde erbaut wird. 6 Nun denn, Brüder, wenn ich als Sprachenredner zu euch käme, was würde ich euch nützen, wenn ich nicht zu euch redete in Offenbarung oder Erkenntnis oder Prophezeiung oder Belehrung? 7 Schon bei leblosen Instrumenten, die einen Ton geben, wie Flöte oder Zither, ist es so. Wenn sie nicht bestimmt unterschiedene Töne geben, wie sollte man doch das Geblasene oder Gespielte erkennen? 8 Ebenso, wenn die Trompete einen unbestimmten Ton gibt, wer wird dann zur Schlacht rüsten? 9 So ist es auch bei euch. Wenn ihr mittels der Sprachengabe nicht eine wohlverständliche Rede hervorbringet, wie wird man das Gesprochene verstehen? Ihr werdet in den Wind reden. 10 Soviel Arten von Sprachen sind wohl in der Welt, und keine ist zur Verständigung ungeeignet. 11 Wenn ich aber den Sinn der Sprache nicht kenne, so werde ich dem Redenden ein Fremdling sein, und der Redende ist für mich ein Fremdling. 12 So ist es auch bei euch. Da ihr euch also um die Geistesgaben bemüht, so trachtet danach, solche in Fülle zu haben, welche zur Erbauung der Gemeinde dienen. 12: Immer wieder betont der Apostel, daß beim Gottesdienst der Gemeinde in erster Linie der Nutzen der Gesamtheit zu erstreben ist, nicht bloß private Ergriffenheit. Liturgie ist Gemeinschaftsdienst vor Gott. 13 Wer daher „in Sprachen redet“, der bitte um die Gabe der Auslegung. 14 Denn wenn ich „in Sprachen bete“, so betet zwar mein Geist, aber mein Verstand bleibt ohne Frucht. 15 Was folgt daraus? Ich will mit dem Geiste beten, aber ich will auch mit dem Verstande beten; ich will singen mit dem Geiste, aber ich will auch mit dem Verstande singen. 16 Sonst, wenn du mit dem Geiste lobpreisest, wie soll der unkundige Laie zu deiner Lobpreisung das Amen sagen? Er weiß ja nicht, was du sagst. 17 Du sprichst zwar ein schönes Dankgebet; aber der andere wird nicht erbaut. 18 Ich danke Gott, daß ich mehr die Sprachengabe besitze als ihr alle. 19 Aber in der Gemeinde will ich lieber fünf Worte mit einem Verstande reden, um auch andere zu belehren, als zehntausend Worte „in Sprachen“. 20 Brüder, seid keine Kinder im Denken. In der Bosheit seid kleine Kinder, im Urteil aber Erwachsene. 21 Im Gesetz steht geschrieben: In fremden Sprachen und mit fremden Lippen will ich zu diesem Volke reden; aber auch so werden sie mir kein Gehör schenken, spricht der Herr (Is 28,11). 21: Den übermütigen Spöttern drohte Gott im Alten Bund seine Strafe in der Sprache der Feinde an, aber umsonst. So wird der Unglaube durch die Sprachengabe bestärkt: den Gläubigen aber ist solch ein Zeichen nicht nötig. 22 Demnach ist die Sprachengabe zum Zeichen nicht für die Gläubigen, sondern für die Ungläubigen; die Prophetengabe aber nicht für die Ungläubigen, sondern für die Gläubigen. 23 Wenn also die ganze Gemeinde sich versammelt und alle „in Sprachen reden“, und es kommen dann Nichteingeweihte oder Ungläubige hinein, werden sie nicht sagen, daß ihr von Sinnen seid? 24 Wenn aber alle prophetisch reden, und es kommt ein Ungläubiger oder Nichteingeweihter dazu, so wird er von allen überführt, von allen beurteilt, 25 das Verborgene seines Herzens wird offenbar; er wird niederfallen auf sein Angesicht, wird Gott anbeten und bekennen: Wahrhaftig, Gott ist unter euch!
Vorschriften über die richtige Anwendung der Geistesgaben. 26 Was ist also zu tun, Brüder? Wenn ihr zusammenkommt, hat jeder einen Psalm oder eine Lehre oder eine Offenbarung oder die Sprachengabe oder die Auslegung; da gilt: Alles geschehe zur Erbauung. 27 Redet jemand „in Sprachen“, so sollen es nur zwei tun oder höchstens drei, und zwar nacheinander, und einer gebe die Auslegung. 28 Ist aber kein Ausleger da, so schweige jener in der Versammlung; er rede mit sich und Gott. 29 Propheten mögen zwei oder drei sprechen, und die übrigen mögen es beurteilen. 30 Wenn aber einem andern, der noch dasitzt, eine Offenbarung zuteil wird, so soll der erste schweigen. 31 Denn ihr könnt alle der Reihe nach prophetisch reden, damit alle lernen und alle ermahnt werden. 32 Und Prophetengeister sind Propheten untertan. 33 Denn Gott ist nicht ein Gott der Unordnung, sondern des Friedens. So soll es gelten in allen Gemeinden der Heiligen. 26-33: Während heute mit allen Mitteln versucht werden muß, die Laien zum aktiven Anteil am Gemeindegottesdienst zu bringen, mußten der Begeisterung der ersten Christen straffe Zügel durch Vorschriften angelegt werden, wie sie Paulus hier gibt.
34 Die Frauen sollen in den Versammlungen schweigen. Denn es ist ihnen nicht gestattet zu reden, sondern sie sollen sich unterordnen, wie auch das Gesetz sagt. 35 Wollen sie aber sich über etwas unterweisen lassen, so mögen sie zu Hause ihre Männer fragen; denn es steht der Frau übel an, in der Gemeindeversammlung zu reden. 36 Oder ist etwa von euch Gottes Wort ausgegangen? Oder ist es zu euch allen gekommen? 34-36: Die Frauen dürfen und sollen sich aktiv am Gottesdienst beteiligen (vgl. 11,5-16). Nicht darauf bezieht sich das Schweigegebot. Aber das endlose Disputieren (vgl. 14,29-33) und ungezügelte Fragestellen sowie das amtliche Lehren, das „Reden von der Kanzel herab“ beim allgemeinen Gottesdienst verwehrt Paulus den Frauen, weil es dem Feinsten und Tiefsten in der Frauenseele widerstreitet und zugleich Störung hervorruft. 37 Wenn jemand meint, Prophet zu sein oder eine andere Geistesgabe zu besitzen, so anerkenne er, daß dies, was ich euch schreibe, ein Gebot des Herrn ist. 38 Wer es aber nicht anerkennt, der wird auch nicht anerkannt werden. 39 Also, meine Brüder, strebt nach der Prophetengabe, und das Sprachenreden hindert. 40 Alles aber geschehe mit Anstand und Ordnung.
Die Auferstehung Christi und unsere Auferstehung
15 Tatsache der Auferstehung des Herrn. 1 Ich mache euch, Brüder, aufmerksam auf die Heilsbotschaft, die ich euch verkündet habe. Ihr habt sie angenommen, ihr steht in ihr fest. 2 Durch sie werdet ihr gerettet, wenn ihr sie genauso festhaltet, wie ich sie euch verkündet habe. Sonst hättet ihr ja vergebens geglaubt. 3 Ich habe euch nämlich vor allem vorgetragen, was ich auch selber überkommen habe, nämlich, daß Christus für unsere Sünden gestorben ist gemäß der Schrift, 4 daß er begraben worden und am dritten Tage wieder auferstanden ist gemäß der Schrift, 5 daß er dem Kephas erschienen ist und danach den Zwölfen. 6 Hierauf ist er mehr als fünfhundert Brüdern auf einmal erschienen, von denen die Mehrzahl jetzt noch am Leben ist, während einige entschlafen sind. 7 Weiter ist er dem Jakobus erschienen, dann sämtlichen Aposteln. 8 Zuletzt von allen ist er auch mir erschienen, der ich doch gleichsam eine Mißgeburt bin. 9 Denn ich, ich bin der geringste unter den Aposteln, nicht wert, Apostel zu heißen, weil ich die Kirche Gottes verfolgt habe. 10 Durch die Gnade Gottes bin ich, was ich bin, und seine mir geschenkte Gnade ist nicht unwirksam gewesen, sondern ich habe mehr als sie alle gearbeitet, doch nicht ich, sondern die Gnade Gottes mit mir. 11 Ob ich oder sie — also predigen wir, und also habt ihr geglaubt. 1-11: Der Bericht des Apostels über die Auferstehung Jesu ist keine Legende oder Privatmeinung, sondern ein durch viele Zeugen erhärteter Beweis für einen geschichtlichen Vorgang der jüngsten Vergangenheit, ein Hauptstück des urchristlichen Glaubensbekenntnisses.
Bedeutung der Auferstehung Christi für uns. 12 Wenn aber gepredigt wird, daß Christus von den Toten auferstanden ist, wie behaupten dann einige von euch: Es gibt keine Auferstehung der Toten? 13 Gibt es aber keine Auferstehung der Toten, so ist auch Christus nicht auferstanden. 14 Wenn aber Christus nicht auferstanden ist, so ist unsere Predigt ohne Sinn, ohne Sinn auch euer Glaube. 15 Dann sind wir als falsche Zeugen Gottes befunden, weil wir gegen Gott bezeugt haben, daß er Christus auferweckt habe, den er nicht auferweckt hat, wenn nämlich Tote nicht auferstehen. 16 Denn wenn Tote nicht auferstehen, so ist auch Christus nicht auferstanden. 17 Wenn aber Christus nicht auferstanden ist, so ist euer Glaube nichtig; dann seid ihr noch in euren Sünden. 18 Dann sind auch die in Christus Entschlafenen verloren. 19 Wenn wir bloß in diesem Leben auf Christus unsere Hoffnung setzen, so sind wir bejammernswerter als alle Menschen. 12-19: Weil Christus und die Christen eine einzige mystische Person bilden, so haben die Glieder teil am Geschick des Hauptes. Leugnet also jemand die allgemeine leibliche Auferstehung, so muß er auch die Auferstehung Christi leugnen. 20 Nun aber ist Christus von den Toten auferstanden als Erstling der Entschlafenen. 21 Denn weil durch einen Menschen der Tod gekommen ist, so durch einen Menschen die Auferstehung der Toten. 22 Und gleichwie in Adam alle sterben, so werden auch in Christus alle belebt werden. 23 Ein jeder aber, wenn die Reihe an ihm ist, als Erstling Christus, dann die, welche Christus angehören, bei seiner Wiederkunft. 24 Hierauf ist das Ende, wenn er das Reich Gottes dem Vater übergibt, nachdem er jede Herrschaft, Macht und Gewalt vernichtet hat. 25 Denn er muß herrschen, bis er alle Feinde unter seine Füße gelegt hat. 26 Als letzter Feind wird der Tod vernichtet. 27 Denn alles hat er seinen Füßen unterworfen (Ps 8, 8). Wenn er aber erklärt: Alles ist unterworfen, so ist offenbar der ausgenommen, welcher ihm alles unterworfen hat. 28 Wenn ihm aber alles unterworfen ist, dann wird auch der Sohn sich selbst dem unterwerfen, der ihm alles unterworfen hat, auf daß Gott sei alles in allem. 20-28: Diese herrliche Schilderung der jenseitigen Vollendung nennt man die „Apokalypse des hl. Paulus“. Die „christliche Zeit“ geht über in die ewige Seligkeit bei dem dreieinigen Gott.
Folgen der Leugnung der Auferstehung. 29 Was wollen sonst die tun, welche in Stellvertretung für die Toten sich taufen lassen? Wenn überhaupt Tote nicht auferstehen, wozu lassen sie sich noch taufen in Stellvertretung für dieselben? 29: Die stellvertretende Taufe ist zwecklos. Paulus knüpft nur an diesen Mißbrauch seine Darlegung an, ohne ihn gutzuheißen, 30 Wozu setzen wir uns stündlich der Gefahr aus? 31 Täglich sterbe ich, so wahr ihr mein Ruhm seid, Brüder, den ich habe in Jesus Christus, unserem Herrn. 32 Wenn ich nur nach Menschenart in Ephesus mit wilden Tieren gekämpft habe — was nützt es mir, wenn Tote nicht auferstehen? Laßt uns dann essen und trinken, denn morgen sind wir tot! 32: Paulus gebraucht wohl den Ausdruck „wilde Tiere“ bildlich von den verrohten Feinden. 33 Laßt euch nicht irreführen! Böser Umgang verdirbt gute Sitten. 34 Werdet gründlich nüchtern und sündigt nicht! Denn einigen mangelt es an Erkenntnis Gottes; zu eurer Beschämung sage ich es.
Beschaffenheit unserer Auferstehung. 35 Aber es könnte einer sagen: Wie stehen die Toten auf? Mit was für einem Leibe kommen sie zum Vorschein? 36 Du Tor! Was du säest, keimt nicht auf, wenn es nicht zuvor abstirbt. 37 Und wenn du säest, säest du nicht die Pflanze, die erst werden soll, sondern ein bloßes Korn, etwa ein Weizen- oder ein anderes Samenkorn. 38 Gott aber gibt ihm einen Körper, so wie er will, und einer jeden Samenart einen eigenen Körper. 39 Nicht alles Fleisch ist dasselbe Fleisch; vielmehr ein anderes ist das Fleisch der Menschen, ein anderes das der Vierfüßler, anders das der Vögel, anders das der Fische. 40 So gibt es auch himmlische Körper und irdische Körper; aber anders ist der Glanz der himmlischen, anders derjenige der irdischen. 41 Anders ist der Glanz der Sonne, anders der Glanz des Mondes, anders der Glanz der Gestirne; denn Stern unterscheidet sich von Stern an Glanz. 42 So ist's auch mit der Auferstehung der Toten. Gesät wird in Verweslichkeit, auferweckt in Unverweslichkeit. 43 Gesät wird in Häßlichkeit, auferweckt in Herrlichkeit. Gesät wird in Hinfälligkeit, auferweckt in Kraft. 44 Gesät wird ein sinnlicher Leib, auferweckt ein vergeistigter Leib. Wenn es einen sinnlichen Leib gibt, so gibt es auch einen geistigen Leib. 45 Also steht geschrieben: Der erste Mensch, Adam ward zum lebenden Wesen (1 Mos 2,7), der letzte Adam ward zum lebendigmachenden Geist. 46 Freilich ist das Geistige nicht das Erste, sondern zuerst das Sinnliche, dann das Geistige. 47 Der erste Mensch ist aus der Erde, ist Staub, der zweite Mensch ist vom Himmel [ist himmlisch]. 48 Wie der Irdische, so auch die Irdischen, und wie der Himmlische, so auch die Himmlischen. 49 Wie wir daher das Bild des Irdischen getragen haben, so werden wir auch das Bild des Himmlischen tragen. 35-49: An Beispielen aus der Natur erläutert der Apostel die Möglichkeit der leiblichen Auferstehung und weist auf die Eigenschaften des Auferstehungsleibes hin, wie sie am verklärten Leibe Christi offenbar wurden.
50 Das aber versichere ich, Brüder: Fleisch und Blut können das Reich Gottes nicht erben, so wenig die Verwesung erbt die Unverweslichkeit. 51 Sehet, ich sage euch ein Geheimnis: Wir werden zwar nicht alle entschlafen, wohl aber werden wir alle verwandelt werden. 51: Im Lateinischen lautet der Vers: „Alle werden wir zwar auferstehen, aber nicht alle verwandelt werden.“ Daraus wollte man schließen, vor dem letzten Gericht müßte das dann noch lebende Geschlecht für kurze Zeit sterben, um auferstehen zu können. Der Urtext verbietet diese Schlußfolgerung. 52 Plötzlich, in einem Augenblick, auf den Schall der letzten Posaune; diese wird ertönen, und die Toten werden unverweslich auferstehen, und wir werden verwandelt werden. 53 Dieses Verwesliche nämlich muß anziehen Unverweslichkeit; und dieses Sterbliche muß anziehen Unsterblichkeit.
Dank an Christus, den Sieger über den Tod. 54 Wenn aber dieses Verwesliche Unverweslichkeit angezogen und dieses Sterbliche sich mit Unsterblichkeit umkleidet hat, dann wird das Wort der Schrift erfüllt werden: Verschlungen ist der Tod im Sieg (Is 25,8). 55 Tod, wo ist dein Sieg? Tod, wo ist dein Stachel? (Os 13,14.) 56 Der Stachel des Todes ist die Sünde, die Macht der Sünde ist das Gesetz. 57 Gott sei Dank, der uns den Sieg verliehen hat durch unsern Herrn Jesus Christus. 58 Darum, meine lieben Brüder, seid fest, seid unerschütterlich, voll des Eifers im Werke des Herrn allezeit. Ihr wißt ja, daß eure Arbeit nicht vergeblich ist im Herrn. 58: Aus dem Jenseitsglauben wächst der Mut zur rechten Lebensgestaltung auf Erden. Er schafft Helden.
Schluß
16 Sammlung für die Gemeinde in Jerusalem. 1 Was die Sammlung für die Heiligen betrifft, macht es ebenso, wie ich es für die Gemeinden von Galatien angeordnet habe. 2 An jedem ersten Tage der Woche lege ein jeder von euch daheim zurück, was ihm gutdünkt, damit nicht erst bei meiner Ankunft gesammelt zu werden braucht. 2: Der Sonntag wurde schon in der Urkirche als „Tag des Herrn“ gefeiert, d. h. als Tag des verklärten Christus. Vgl. Offb 1,10. 3 Bin ich dann da, so will ich jene, die ihr für geeignet haltet, mit Empfehlungsschreiben abschicken, damit sie eure Liebesgaben nach Jerusalem bringen. 4 Lohnt es sich, daß auch ich reise, so sollen sie mit mir reisen.
Reiseplan. 5 Ich werde zu euch kommen, sobald ich die Reise durch Mazedonien beendet habe; denn Mazedonien wird für mich nur Durchgangsland sein. 6 Bei euch aber werde ich vielleicht bleiben oder auch den Winter zubringen, damit ihr mir die Missionsreise in sorgfältiger Vorbereitung unterstützet. 7 Ich will euch nämlich jetzt nicht nur im Vorbeigehen sehen, ich hoffe vielmehr, einige Zeit bei euch zu verweilen, wenn es dem Herrn gefällt. 8 In Ephesus werde ich bis Pfingsten bleiben. 9 Denn eine große vielversprechende Türe hat sich mir aufgetan; doch auch der Widersacher sind viele.
Timotheus und Apollos. 10 Wenn aber Timotheus kommt, so sehet zu, daß er nicht eingeschüchtert wird unter euch; denn er arbeitet am Werke des Herrn wie ich. 11 Niemand also verachte ihn; geleitet ihn vielmehr in Frieden, daß er zu mir komme; denn ich erwarte ihn mit den Brüdern. 12 Von dem Mitbruder Apollos tue ich euch kund, daß ich ihn dringend gebeten habe, mit den Brüdern zu euch zu gehen. Indes er war durchaus nicht gewillt, jetzt zu gehen; er wird jedoch kommen, sobald es ihm gelegen ist.
Schlußermahnungen. 13 Seid wachsam, steht fest im Glauben, seid Männer, seid stark. 14 Alles, was ihr tut, geschehe in Liebe. 15 Ich habe noch eine Ermahnung an euch, Brüder: Ihr kennet die Familie des Stephanus [des Fortunatus und Achaikus]. Ihr wisset, daß sie die Erstlingsfrucht Achajas ist und daß sie sich der Dienstleistung an den Heiligen zur Verfügung gestellt haben. 16 Ordnet auch ihr euch solchen unter und allen, welche mitwirken und arbeiten. 17 Ich freue mich über die Anwesenheit des Stephanas Fortunatus und Achaikus, weil sie den Mangel eurer Gegenwart ersetzt haben. 18 Denn sie haben meinen Geist erquickt und den eurigen. Solche Männer haltet in Ehren.
Grüße: 19 Es grüßen euch die Gemeinden von Asien. Auch grüßen euch vielmals im Herrn Aquila und Priska samt der Gemeinde in ihrem Hause [bei denen ich auch Obdach habe]. 20 Es grüßen alle Brüder. Grüßet einander mit heiligem Kusse. 21 Hier den Gruß von meiner, des Paulus, Hand! 21: Die eigenhändige Unterschrift galt zugleich als Beglaubigung. 22 Wenn jemand unsern Herrn Jesus Christus nicht liebt, der sei verflucht. Maran atha. 22: Maran atha ist ein altchristlicher Spruch, er wird übersetzt: Der Herr kommt; oder: Unser Herr komme! 23 Die Gnade unseres Herrn Jesus Christus sei mit euch. 24 Meine Liebe gehört euch allen in Christus Jesus. [Amen.]
Der zweite Brief an die Korinther
Einleitung
Bald nach der Absendung unseres ersten Briefes an die Korinther mußte Paulus Ephesus verlassen, weil die Innung der Silberschmiede einen Aufstand gegen ihn anzettelte. In Mazedonien traf er mit Titus zusammen, der ihm Nachrichten aus Korinth brachte. Bei der Mehrheit der Gemeinde herrschte tiefes Bedauern, dem geliebten geistlichen Vater so großen Kummer bereitet zu haben. Die Gemeinde sehnte sich nach seinem Besuch. Durch judenchristliche Hetzer aber wurden allerlei Verdächtigungen und Verleumdungen gegen ihn ausgestreut und fanden bei manchen offenes Gehör. Das Hilfswerk für die Armen in Jerusalem stockte. Die Freiheitsschwärmer fuhren fort mit ihrer ärgerniserregenden Verletzung des christlichen Sittengesetzes. Bei dieser Lage der Dinge hätte ein sofortiges persönliches Erscheinen und Eingreifen des Apostels in Korinth leider zu einer Katastrophe führen können. Darum sandte Paulus, um seinen Besuch vorzubereiten, den Titus mit zwei Begleitern nach Korinth zurück und gab ihnen unseren zweiten Korintherbrief mit. Der erste Teil ist der Selbstverteidigung des Apostels gewidmet (1,12-7,16). Im zweiten wird das Hilfswerk für Jerusalem empfohlen (8,1-9,15). Der dritte Teil stellt eine scharfe Abrechnung mit den judaistischen Gegnern und den Unbußfertigen dar (10,1-13,10).
Der Brief wurde etwa ein halbes Jahr nach dem ersten Korintherbrief geschrieben, im Herbst 57. Liegt die Bedeutung des ersten Schreibens in dem Aufschluß über urchristliches Gemeindeleben, so verdanken wir diesem zweiten Brief die wertvollsten Selbstbekenntnisse des Apostels.
1 Gruß und Lobpreis Gottes. 1 Paulus, durch Gottes Willen Apostel Jesu Christi, und der Bruder Timotheus grüßen die Gemeinde Gottes zu Korinth samt allen Heiligen in ganz Achaja. 4: Zu trösten versteht am besten, wer selber durch tiefes Leid hindurchgegangen ist und auf dem Weg des Kreuzes Gott näherkam. 2 Gnade wünsche ich euch und Frieden von Gott, unserem Vater, und dem Herrn Jesus Christus.
3 Gepriesen sei der Gott und Vater unseres Herrn Jesus Christus, der Vater der Erbarmungen und der Gott alles Trostes, 4 der uns tröstet in all unserer Trübsal, damit wir wiederum diejenigen, welche in allerlei Bedrängnis sind, trösten können eben mit dem Troste, mit dem wir selbst getröstet werden von Gott. 5 Denn gleichwie die Leiden Christi sich reichlich über uns ergießen, so strömt auch durch Christus reichlicher Trost auf uns. 6 Sei es nun, daß wir bedrängt werden, so geschieht es zu eurem Trost und Heil; sei es, daß wir getröstet werden, so geschieht es ebenfalls zu eurem Troste. Dieser erweist sich wirksam im standhaften Ertragen derselben Leiden, die auch wir erdulden. 7 So steht unsere Hoffnung fest für euch; wir sind überzeugt, daß ihr, wie an unsern Leiden, so auch an unserem Troste Anteil habt. 8 Denn wir wollen euch, Brüder, nicht in Unkenntnis lassen über die Trübsal, die uns in Asien widerfahren ist. Da sind wir über die Maßen und über unsere Kraft bedrängt worden, so daß wir sogar am Leben verzweifelten. 9 Ja, wir hatten uns schon das Todesurteil gesprochen, damit wir unser Vertrauen nicht auf uns selbst setzten, sondern auf Gott, der die Toten auferweckt. 10 Aus so bitterer Todesnot hat er uns errettet und wird uns auch ferner retten. Auf ihn haben wir die Hoffnung gesetzt, daß er uns auch fürderhin retten wird. 11 Ihr helft ja mit durch eure Fürbitte für uns, damit aus dem Munde vieler in unserem Namen für die uns erwiesene Gnade ein vielfacher Dank erstattet werde.
Selbstverteidigung gegen feindliche Anklagen
Gegen den Vorwurf der Unbeständigkeit
Lauterkeit seines Wirkens. 12 Unser Ruhm ist das Zeugnis unseres Gewissens, das Bewußtsein, daß wir in gottgefälliger Heiligkeit und Lauterkeit, nicht in fleischlicher Weisheit, sondern in der Gnade Gottes gewandelt sind in der Welt, ganz besonders aber euch gegenüber. 13 Wir schreiben euch ja nichts anderes als das, was ihr leset und verstehet. Ich hoffe aber, 14 ihr werdet die gute Meinung bis ans Ende bewahren, die ihr zum Teil wenigstens von uns gehegt habt, und werdet erkennen, daß wir euer Ruhm sind, wie auch ihr der unsrige am Tage unseres Herrn Jesus [Christus].
Verteidigung wegen Änderung des Reiseplans. 15 In dieser Zuversicht wollte ich früher zu euch kommen, damit ihr einen zweiten Hulderweis empfinget, 16 und bei euch durchreisen nach Mazedonien, dann wieder von Mazedonien zu euch kommen und von euch mir das Geleite nach Judäa geben lassen. 17 Habe ich nun etwa, als ich mir solches vornahm, leichtfertig gehandelt? Oder beschließe ich, was ich beschließe, in fleischlicher Weise, so daß es bei mir ja, ja und (zugleich) nein, nein heißt? 18 So wahr Gott treu ist, unsere Rede an euch ist nicht Ja und Nein zugleich. 15-18: Die Änderung des Reiseplanes benutzten die Gegner, um den Apostel als unwahrhaftigen, wankelmütigen Menschen zu verdächtigen. 19 Denn der Sohn Gottes, Jesus Christus, der unter euch durch uns verkündet wurde, durch mich, Silvanus und Timotheus, war nicht Ja und Nein, sondern in ihm ist das Ja Wirklichkeit geworden. 20 Denn alle Verheißungen Gottes, so viele es gibt, sind in ihm zum Ja geworden und durch ihn auch zum Amen, Gott zur Ehre durch uns. 19-20: Die göttlichen Verheißungen sind in Christus Ja geworden, d. h. an ihm bejaht, bestätigt und erfüllt worden. 20: Die ganze Gemeinde bekennt ihren Glauben an Christus, das göttliche Amen, wenn sie beim Gottesdienst Amen spricht und so Gott die Ehre gibt durch ihr „Ja und Amen in der Kirche“. 21 Gott ist es, der uns samt euch in Christus befestigt, der uns gesalbt, 22 der uns auch das Siegel aufgeprägt und den Geist als Angeld in unsere Herzen gegeben hat.
Grund des Nichtkommens. 23 Ich aber rufe Gott zum Zeugen an — bei meiner Seele! —, daß ich aus Schonung gegen euch nicht mehr nach Korinth kam. 24 Nicht meine ich damit, daß wir euren Glauben meistern wollen, denn im Glauben steht ihr fest; nein, Mitarbeiter an eurer Freude sind wir.
2 1 So entschied ich mich dahin, nicht wieder in Betrübnis zu euch zu kommen. 2 Denn wenn ich euch betrübe, wer ist dann noch, der mich erfreut? Doch nur der, den ich in Betrübnis versetzte. 3 Geschrieben habe ich euch eben das, damit ich nicht bei meiner Anwesenheit Betrübnis erleide von denen, von welchen ich hätte Freude erfahren müssen; hege ich ja doch die Zuversicht zu euch allen, daß meine Freude euer aller Freude ist. 4 Denn aus vieler Trübsal und Beklemmung des Herzens heraus schrieb ich euch, unter vielen Tränen, nicht um euch wehe zu tun, sondern damit ihr die Liebe erkennen möchtet, die ich vorzugsweise zu euch hege. 1,23-2,4: Nicht aus Wankelmut, sondern aus schonender Liebe wurde der Besuch hinausgeschoben.
Dem Reuigen soll verziehen werden. 5 Wenn aber einer Betrübnis verursacht hat, so hat er nicht mich betrübt, sondern teilweise — um nicht zuviel zu sagen — euch alle. 6 Es genügt für den Betreffenden diese Bestrafung durch die Mehrheit. 7 Nun mögt ihr im Gegenteil lieber verzeihen und ihn trösten, damit nicht der Sünder durch übermäßige Betrübnis untergehe. 8 Deshalb ermahne ich euch, Liebe gegen ihn walten zu lassen. 9 Denn zu diesem Zwecke habe ich euch geschrieben, um eure Gesinnung zu prüfen, ob ihr in allem gehorsam wäret. 10 Wenn ihr aber etwas verzeihet, dem verzeihe auch ich; denn meine Verzeihung, wenn ich überhaupt etwas zu vergeben hatte, ist geschehen um euretwillen im Angesichte Christi, 11 damit wir nicht vom Satan überlistet würden, seine Schliche sind uns ja nicht unbekannt. 5-11: Der reuige Sünder scheint nicht der 1 Kor 5,1-13 erwähnte Blutschänder zu sein, sondern ein Mitglied der Gemeinde, das den Apostel schwer beleidigt hatte. Das 2, 3, 9 erwähnte Schreiben ist wohl verlorengegangen. 12 Als ich zur Verkündigung der Frohbotschaft Christi nach Troas kam, tat sich mir eine Türe im Herrn auf. 13 Ich hatte doch keine Ruhe in meinem Innern, weil ich meinen Mitbruder Titus nicht vorfand. Ich nahm daher von ihnen Abschied und zog nach Mazedonien. 14 Gott sei Dank, der uns allzeit in Christus [Jesus] triumphieren läßt und durch uns den Wohlgeruch seiner Erkenntnis allerwärts verbreitet. 15 Denn Christi Wohlgeruch sind wir für Gott unter denen, welche selig werden, und bei denen, welche verlorengehen, 16 den einen ein Geruch des Todes, der den Tod bringt, den andern ein Geruch des Lebens, der das Leben bringt. Und wer ist dazu geeignet? 15-16: Wie die gleiche Medizin dem einen Heilung bringt, dem andern Tod, so ist es mit dem Wirken der Glaubensboten. Vgl. Lk 2,34-35. Ähnlich sagt die Liturgie im „Lauda Sion“ vom Genuß der heiligen Eucharistie: „Bösen wird es Tod und Hölle — Guten ihres Lebens Quelle — So verschieden wirkt dies Brot.“ Die seelische Verfassung des Menschen ist dabei entscheidend. 17 Wir sind nämlich nicht, wie so viele, Verschacherer des Wortes Gottes, sondern aus lauterer Gesinnung, wie einer, der aus Gott redet, reden wir vor Gott in Christus.
Erhabenheit des Apostelamtes
3 1 Fangen wir an, uns wieder selbst zu empfehlen? Oder brauchen wir etwa, wie gewisse Leute, Empfehlungsbriefe an euch oder von euch? 2 Unser Empfehlungsbrief seid ihr, uns ins Herz hineingeschrieben, gekannt und gelesen von allen Menschen. 3 Ihr seid offensichtlich ein Brief Christi, ausgefertigt von uns und geschrieben nicht mit Tinte, sondern mit dem Geiste des lebendigen Gottes, nicht auf steinerne Tafeln, sondern auf fleischerne Tafeln des Herzens.
4 Ein solches Vertrauen haben wir durch Christus zu Gott, 5 nicht als ob wir tüchtig wären, von uns selbst etwas zu ersinnen wie aus eigener Kraft, sondern unsere Tüchtigkeit ist aus Gott. 6 Er hat uns auch dazu befähigt, Diener des Neuen Bundes zu sein, der nicht durch Buchstaben, sondern durch den Geist geschlossen ist. Denn der Buchstabe tötet, der Geist aber macht lebendig. 7 Wenn nun der Dienst des Todes, der in Buchstaben auf Steinen eingemeißelt war, schon eine solche Herrlichkeit hatte, daß die Israeliten nicht Moses in das Angesicht schauen konnten wegen des Glanzes seines Antlitzes, der doch verging, — 8 wie wird nicht viel mehr der Dienst des Geistes voll Herrlichkeit sein? 9 Denn wenn der Dienst der Verdammung herrlich war, so ist noch vielmehr der Dienst der Gerechtigkeit überreich an Herrlichkeit. 4-9: Als Diener des Neuen Bundes steht der Apostel hoch über Moses; denn der Alte Bund war auf den Buchstaben des Gesetzes gegründet, im Neuen Bund dagegen herrscht der Geist Gottes. Dort Tod, hier Leben.
Vorzug des Neuen Bundes. 10 Ja, was dort verherrlicht war, war im Vergleich hierzu so gut wie nicht verherrlicht wegen der überschwenglichen Herrlichkeit. 11 Denn wenn das Vergängliche herrlich war, so wird noch viel mehr das Bleibende voll Herrlichkeit sein. 10-11: Der Stern des altbundlichen Gesetzes mußte trotz seiner strahlenden Schönheit erblassen, als die Sonne des Neuen Bundes in Christus aufging. 12 Da wir nun eine solche Hoffnung haben, beweisen wir großen Freimut. 13 Wir machen es nicht so wie Moses, der eine Hülle über sein Angesicht legte, damit die Israeliten das schließliche Verschwinden des Vergänglichen (Lichtglanzes) nicht sehen sollten. 14 Aber ihr Sinn ward verhärtet. Denn bis auf den heutigen Tag bleibt dieselbe Hülle bei der Vorlesung des Alten Bundes liegen, ohne daß es sich dabei enthüllt, daß er (der Alte Bund) in Christus sein Ende gefunden hat. 15 Ja, bis auf den heutigen Tag liegt eine Decke auf ihren Herzen, wenn Moses gelesen wird. 16 Sobald sich aber Israel zum Herrn bekehrt, wird die Decke weggenommen. 17 Der Herr ist der Geist, wo aber der Geist des Herrn ist, da ist Freiheit. 18 Und wir alle schauen die Herrlichkeit des Herrn unverhüllt und werden umgestaltet in dasselbe Bild von Klarheit zu Klarheit, wie das der Wirkung entspricht, die vom Herrn, vom Geiste ausgeht. 12-18: Ein Apostel braucht nicht wie Moses das Schwinden des Glanzes zu verhüllen. Die Hülle des Moses ist ein Sinnbild der Verstocktheit der Juden. Am Karfreitag betet die Kirche, Gott möge die Hülle von ihren Herzen nehmen und sie zum Glauben an Christus gelangen lassen.
4 Der Apostel und sein Dienst. 1 Darum, weil wir dieses Amt bekleiden durch die Barmherzigkeit, die uns zuteil geworden, verlieren wir den Mut nicht. 2 Wir versagen uns schändliche, heimliche Kunstgriffe; nicht wandeln wir in Arglist, noch verfälschen wir das Wort Gottes; wir empfehlen uns vielmehr durch Offenbarung der Wahrheit jedem menschlichen Gewissen vor Gottes Angesicht. 3 Wenn indes wirklich unsere Heilsverkündigung verhüllt ist, so ist sie nur bei denen verhüllt, die verloren gehen, bei den Ungläubigen, 4 deren Sinn der Gott dieser Welt verblendet hat, damit ihnen nicht erstrahle der Lichtglanz der Frohbotschaft von der Herrlichkeit Christi, welcher das Ebenbild Gottes ist. 5 Denn nicht uns selbst verkünden wir, sondern Christus Jesus als den Herrn, uns aber als eure Diener um Jesu willen. 6 Denn Gott, welcher befahl, daß aus Finsternis Licht leuchte, er hat auch in unsern Herzen das Licht aufleuchten lassen, damit strahlend aufgehe die Erkenntnis der Herrlichkeit (Gottes im Antlitz [Jesu] Christi. 1-6. Bekenner Christi brauchen die Wahrheit nicht zu fürchten und das Licht nicht zu scheuen. Als Künder der Wahrheit dienen sie Christus, der das Licht der Welt ist. In ihm ist Gottes Herrlichkeit in menschlichem Antlitz sichtbar geworden. Jeder Christ soll für die andern ein Transparent Christi sein.
Bekenntnis der eigenen Schwäche 7 Wir tragen jedoch diesen Schatz in irdenen Gefäßen, damit die überschwengliche Fülle der Kraft nicht uns, sondern Gott beigemessen werde. 8 Allenthalben sind wir bedrängt, aber nicht erdrückt, im Zweifel, aber nicht in Verzweiflung. 9 Wir werden verfolgt, fühlen uns aber nicht verlassen, niedergeworfen, aber keineswegs umgebracht. 10 Immerdar tragen wir das Todesleiden Jesu an unserm Leibe herum, damit auch das Leben Jesu an unserem Leibe offenbar werde. 11 Immerdar werden wir, die wir leben, dem Tode preisgegeben um Jesu willen, damit auch das Leben Jesu an unserem sterblichen Fleische offenbar werde. 12 So ist in uns der Tod mächtig, das Leben aber in euch. 12: Die Todesnot des Apostels um Christi willen vermittelt den Gläubigen den Zugang zum Leben in Christus.
Trost im Leiden. 13 Da wir aber denselben Glaubensgeist besitzen, wie ihn das Schriftwort bezeugt: Ich glaubte, darum redete ich (Ps 116,1), so glauben auch wir, und darum reden wir auch. 14 Dies tun wir in der Überzeugung, daß der, welcher den Herrn Jesus auferweckt hat, auch uns mit Jesus auferwecken und mit euch darstellen wird. 15 Denn alles geschieht um euretwillen, damit die Gnade sich mehre mit der Zahl (der Begnadeten) und so die Danksagung sich steigere zur Ehre Gottes. 16 Daher verlieren wir den Mut nicht, sondern wenn auch unser äußerer Mensch aufgerieben wird, so wird doch der innere von Tag zu Tag erneuert. 17 Denn die leichte Not des Augenblicks erwirkt uns eine überschwengliche, ewige, alles überwiegende Herrlichkeit, 18 wenn wir nicht auf das Sichtbare, sondern auf das Unsichtbare unsere Blicke richten. Denn das Sichtbare ist bloß zeitlich, das Unsichtbare aber ewig. 7-18: Alle äußeren Leiden und Verfolgungen können den inneren Widerstand dessen nicht brechen, in dem Christus lebt und wirkt. Wenn der Blick aufs Ewige gerichtet ist, verlieren zeitliche Drangsale ihre Schrecken.
5 1 Denn wir sind gewiß, daß, wenn dieses unser irdisches Gezelt abgebrochen wird, wir einen Bau von Gott empfangen, ein nicht mit Händen gemachtes, ewiges Wohnhaus im Himmel. 1: Der Leib ist das vergängliche Zelt der Seele, ihr irdisches Kleid. Im Himmel hat uns Gott eine ewige Wohnung bereitet und ein herrliches Festkleid. Die Seele sehnt sich danach, aber der Abbruch des Erdenzeltes und das Ausziehen des irdischen Kleides, der leibliche Tod, bleibt etwas Schmerzliches. Diese Stelle hat in der Präfation der Totenmesse Verwendung gefunden. 2 Eben darum seufzen wir voll Verlangen, mit unserer himmlischen Wohnung überkleidet zu werden, 3 da wir nur dann, wenn wir sie angezogen haben, nicht entblößt befunden werden. 3: Vorausgesetzt, daß der Herr schon zum Gericht kommt, solange wir noch mit dem irdischen Körper bekleidet (also noch lebend) und nicht bereits vom Leibe entblößt (also gestorben) sind. Im letzteren Fall hätten wir das Kleid des Leibes gar nicht mehr, könnten also nicht „über“kleidet werden. Freilich wäre ihm, wie er in V. 4 sagt, das erstere lieber, wenn, nämlich noch zu seinen Lebzeiten der jüngste Tag käme und er dann gleich mit dem unsterblichen Leibe überkleidet würde, ohne daß zuvor die gewaltsame Trennung des Leibes von der Seele eintreten müßte. 4 Ja, in dieser Hütte seufzen wir beklommen, weil wir nicht entkleidet, sondern überkleidet werden wollen, damit das Sterbliche vom Leben verschlungen werde. 5 Der uns aber dazu bereitet, ist Gott, der uns auch den Geist als Angeld gegeben hat. 6 Deswegen sind wir allezeit voll Zuversicht. Wir wissen ja: Solange wir im Leibe sind, sind wir Pilger, fern vom Herrn. 7 Denn im Glauben wandeln wir und nicht im Schauen. 8 Ja, wir haben guten Mut und wünschen lieber auszuziehen aus dem Leibe und bei dem Herrn Heimat zu finden. 7-8: Dieser Satz spendet Trost und Kraft und lehrt die einzig richtige „Weltanschauung“. 9 Daher befleißigen wir uns auch, in der Fremde wie daheim, ihm zu gefallen. 10 Denn wir alle müssen erscheinen vor dem Richterstuhl Christi, damit ein jeder, je nachdem er während seines Lebens im Leibe Gutes oder Böses tat, seine Vergeltung empfange.
Alles aus Liebe zu Christus 11 Da wir also mit der Furcht des Herrn vertraut sind, reden wir den Menschen zu, Gott sind wir schon bekannt; ich hoffe aber, daß wir auch in eurem Gewissen erkannt sind. 12 Wir wollen uns damit nicht wieder empfehlen, sondern geben euch Gelegenheit, für uns ein rühmendes Zeugnis abzulegen. Dann könnt ihr denen antworten, die ihren Ruhm im Äußeren und nicht im Innern suchen. 13 Denn mögen wir außer uns geraten, so geschieht es zur Ehre Gottes; oder mögen wir uns besonnen zeigen, so ist es zu eurem Nutzen. 14 Die Liebe Christi drängt uns ja, seitdem wir zu folgender Überzeugung gelangten: Ist einer für alle gestorben, so sind alle gestorben. 15 Er ist für alle gestorben, damit auch die, welche leben, nicht mehr sich selbst leben, sondern dem, der für sie gestorben und auferstanden ist. 16 Daher kennen wir von nun an niemand dem Fleische nach; wenn wir einstmals Christus dem Fleische nach gekannt haben, so kennen wir ihn jetzt nicht mehr so. 16: Früher, vor seiner Bekehrung, kannte der Apostel Christus nur dem Fleische nach, beurteilte ihn nach den fleischlichen Gesichtspunkten eines ungläubigen Juden; jetzt hat er die wahre Kenntnis von ihm, kennt ihn als den von den Toten Auferstandenen, als den wahren Erlöser und Urheber des neuen Lebens. Die Eingliederung in Christus bei der Taufe ist eine wahre Neuschöpfung des Menschen. 17 Wer somit in Christus ist, ist ein neues Geschöpf; das Alte ist vergangen, siehe, etwas Neues ist geworden. 18 Das alles kommt von Gott, er hat uns mit sich versöhnt durch Christus und uns das Amt der Versöhnung übertragen. 1l-18: Die Gegner spotteten, wenn Paulus in unbegrenztem Seeleneifer außer sich geriet. Die Parole „Nur nichts übertreiben“, war stets denen eigen, die nicht von Christusliebe, sondern von berechnender Eigenliebe geleitet werden und darum fürchten, das Leben könne „ungemütlich“ werden. 19 Denn Gott ist es, der in Christus die Welt mit sich versöhnt, den Menschen ihre Sünden nicht anrechnet und uns die Verkündigung der Versöhnung auferlegt hat. 20 An Christi Statt sind wir also gesandt, indem Gott durch uns ermahnt. Wir bitten an Christi Statt: Laßt euch versöhnen mit Gott. 21 Er hat den, welcher von Sünde nichts wußte, für uns zur Sünde gemacht, damit wir in ihm Gottes Gerechtigkeit darstellen. 18-21: Gott allein konnte die Erlösung herbeiführen. Es gibt keine Selbsterlösung. Aber der Mensch muß zum göttlichen Heilswillen sein freies Ja sprechen und sich erlösen lassen durch Christi stellvertretende Sühne.
6 Diener Gottes in Leid und Freud. 1 Als Mitarbeiter ermahnen wir euch, daß ihr nicht vergeblich die Gnade Gottes empfanget. 2 Denn es heißt: Zur gnadenreichen Zeit erhörte ich dich, und am Tage des Heils half ich dir (Is 49,8). Seht, jetzt ist die gnadenreiche Zeit, seht, jetzt ist der Tag des Heils. 3 Niemand wollen wir irgendeinen Anstoß geben, damit nicht unser Amt getadelt werde. 4 Vielmehr wollen wir uns in allen Dingen als Gottes Diener erweisen durch viele Geduld in Trübsalen, in Nöten, in Ängsten, 5 unter Schlägen, in Gefängissen, in Aufständen, in Mühen, in Nachtwachen, in Fasten, 6 in Lauterkeit, in Erkenntnis, in Langmut, in Güte, im Heiligen Geiste, in aufrichtiger Liebe, 7 durch wahrhaftige Lehre, in der Kraft Gottes, durch die Waffen der Gerechtigkeit zu Schutz und Trutz, 8 bei Ehre und Schmach, bei schlechtem und gutem Ruf. Wir gelten als Betrüger und sind doch wahrhaftig, 9 als unbekannte Persönlichkeiten und sind doch wohlbekannt, als Sterbende, und siehe, wir leben immer noch; als Gezüchtigte und sind doch noch nicht getötet. 10 Wir gelten als Trauernde und sind doch immer fröhlich, als Arme und machen doch viele reich, als solche, die nichts haben, und wir besitzen doch alles. 1-10: Paulus hat hier ein Selbstbildnis gezeichnet, das uns in einzelnen Zügen in vielen Heiligen entgegenstrahlt. Vers 10 sehen wir als Wirklichkeit beim Armen von Assisi, bei Elisabeth von Thüringen, Don Bosco, Bruder Konrad u. a.
Mahnungen und Warnungen
Warnung vor heidnischen Lastern. 11 Offen habe ich zu euch geredet, ihr Korinther; mein Herz hat sich weit aufgetan. 12 Ihr nehmt keinen engen Raum in uns ein; aber in euren Herzen ist es eng. 13 Vergeltet Gleiches mit Gleichem, erweitert ihr euer Herz; ich rede ja zu euch wie zu Kindern.
14 Ziehet nicht an einem Joche mit den Ungläubigen. Denn welche Gemeinschaft hat die Gerechtigkeit mit der Ungerechtigkeit? Oder wie kann sich Licht zu Finsternis gesellen? 15 Wie stimmt Christus mit Beliar überein? Oder was hat der Gläubige mit dem Ungläubigen zu tun? 16 Wie verträgt sich der Tempel Gottes mit Götzen? Denn wir sind der Tempel des lebendigen Gottes, wie Gott bezeugt: Ich will unter ihnen wohnen und wandeln, und ich werde ihr Gott sein, und sie werden mein Volk sein (3 Mos 26,12). 17 Darum gehet hinweg aus ihrer Mitte und sondert euch ab, spricht der Herr, und rühret nicht an, was unrein ist (Is 52,11). So werde ich euch aufnehmen 18 und werde euer Vater sein, und ihr werdet mir Söhne und Töchter sein, spricht der Herr, der Allmächtige (2 Sm 7,14).
7 1 Da wir diese Verheißungen haben, Geliebteste, so laßt uns von aller Befleckung des Fleisches und des Geistes uns reinigen und die Heiligung vollenden in der Furcht Gottes. 6,14-7,1: Vertrauter Verkehr mit der heidnischen Umgebung brachte den Christen große Gefahren, Ein kräftiger Trennungsstrich ist oft die einzige Rettung, also sittliche Pflicht.
Aussöhnung mit der Gemeinde 2 Gebt uns Raum (in euren Herzen)! Wir haben niemandem unrecht getan, niemanden zugrunde gerichtet, niemanden übervorteilt. 3 Das sage ich nicht, um euch anzuklagen. Denn ich habe schon vorhin gesagt, daß ihr in unsern Herzen seid, um im Tod und im Leben mit uns vereint zu bleiben. 4 Groß ist meine Zuversicht zu euch; groß mein Rühmen über euch, erfüllt bin ich mit Trost, ich bin übervoll von Freude bei all unserer Trübsal.
Freude des Apostels über die Wirkung seines ersten Briefes. 5 Hat doch auch, als wir nach Mazedonien kamen, unser Fleisch keine Ruhe gehabt, sondern wir erduldeten Trübsale aller Art; von außen Kämpfe, von innen Befürchtungen. 6 Allein der, welcher die Niedergebeugten tröstet, Gott, tröstete uns durch die Ankunft des Titus. 7 Doch nicht bloß durch seine Ankunft, sondern auch durch den Trost, den er bei euch gefunden. Er erzählte uns von eurer Sehnsucht, von eurer Trauer und von eurem Eifer für mich, so daß ich mich noch mehr freute. 8 Wenn ich euch durch den Brief betrübt habe, so bereue ich es doch nicht. Und wenn es mich auch reute — ich sehe nämlich, daß jener Brief, obwohl nur auf kurze Zeit, euch betrübt hat —, 9 so freue ich mich jetzt, nicht über eure Betrübnis, sondern weil die Betrübnis euch zur Ruhe geführt hat. Ihr seid ja in einer gottgefälligen Weise betrübt worden, so daß ihr durch uns in keiner Weise Schaden erlittet. 10 Denn gottgefällige Traurigkeit bewirkt heilsame Sinnesänderung, die keiner zu bereuen braucht; der Weltschmerz aber bewirkt Tod. 11 Sehet, eben eure gottgefällige Traurigkeit — welch große Sorgsamkeit hat sie in euch bewirkt, ja Entschuldigung, ja Entrüstung, Furcht, Sehnsucht, Eifer, Bestrafung. In allem habt ihr bewiesen, daß ihr unschuldig seid in dieser Angelegenheit. 10-11: Aus christlicher Reue wachsen sittliche Helden; denn sie ist das Zeichen innerer Kraft. Aus Weltschmerz gehen schwächliche Menschenverächter und feige Selbstmörder hervor. 12 Wenn ich euch also schrieb, so war es nicht wegen dessen, der unrecht getan hat, noch auch wegen dessen, der es erdulden mußte, sondern damit euer Eifer für uns offenbar werde unter euch vor Gott. 13 Deshalb sind wir getröstet. Zu diesem Trost hinzu empfanden wir aber noch weit mehr Freude über die Freude des Titus, weil sein Geist von euch allen erquickt wurde. 14 Wenn ich ihm über euch Gutes gesagt habe, so bin ich nicht zuschanden geworden, sondern, so wie wir euch alles in Wahrheit gesagt haben, so ist auch unser Lob vor Titus als Wahrheit bestätigt worden. 15 Sein Herz ist euch nun noch mehr zugetan im Gedanken an den Gehorsam euer aller, wie ihr ihn mit Ehrfurcht und Zittern aufgenommen habt. 16 Ich freue mich, daß ich mich in allem auf euch verlassen kann. 2-16: Die rechte Liebe glaubt an das Gute im andern und will es wecken und entfalten, auch wenn sie dabei wehetun muß.
Das Hilfswerk für die Christen in Jerusalem
8 Mazedonien ging voran. 1 Wir tun euch, Brüder, die Gottesgabe kund, die in den Gemeinden Mazedoniens gespendet worden ist. 2 Trotz vieler Prüfung durch Trübsal war nämlich ihre Freude übergroß, und aus der Tiefe ihrer Armut ergoß sich doch ein reicher Strom von Mildherzigkeit. 3 Denn nach Vermögen, ja, wie ich bezeugen kann, über Vermögen haben sie aus freiem Antrieb gegeben. 4 Inständig baten sie uns um die Gnade, an dem Hilfswerk für die Heiligen teilnehmen zu dürfen. 5 Sie gaben nicht nur, wie wir gehofft hatten, sondern sich selbst gaben sie zuerst dem Herrn hin, dann uns durch den Willen Gottes. 6 Infolgedessen baten wir den Titus, er möge, wie er angefangen, so auch dieses Liebeswerk bei euch zu Ende führen. 1 ff.: Paulus hatte auf dem. Apostelkonzil die Aufgabe übernommen, sich der verarmten Christen Jerusalems besonders anzunehmen. Die Art und Weise, wie er bisher in Galatien und Mazedonien Sammlungen für sie veranstaltete und wie er nun die Korinther dazu ermuntert (vgl. 1 Kor 16, 1-4), beweist, daß er nicht nur ein eifriger Missionar und gelehrter Theologe war, sondern auch als Organisator eines großen Hilfswerkes sich bewährte. Mit den kräftigsten natürlichen und übernatürlichen Beweggründen versteht er die Gebefreudigkeit zu wecken, ohne auch nur ein einziges Mal das Wort „Geld“ zu gebrauchen oder unfein die Opfer zu erpressen.
Korinth möge folgen. 7 Doch wie ihr in allen Dingen überreich seid, im Glauben, in der Rede, in der Erkenntnis und jeglichem Eifer und überdies in eurer Liebe zu uns, so sollt ihr auch in diesem Liebeswerk euch auszeichnen. 8 Nicht als wollte ich befehlen, sage ich das, sondern um durch den Eifer anderer die Echtheit eurer Liebe zu erproben. 9 Denn ihr kennet die Gnade unseres Herrn Jesus Christus; ihr wisset, daß er um euretwillen arm geworden, da er reich war, damit ihr durch seine Armut reich würdet. 9: Christi Beispiel ist für jeden echten Christen der stärkste Beweggrund. 10 Einen Rat nur gebe ich euch in dieser Angelegenheit; denn es ist euch nützlich, weil ihr nicht nur mit dem Tun, sondern auch mit dem Wollen schon seit dem vorigen Jahre den Anfang gemacht habt. 11 Nun aber führet es auch durch die Tat zu Ende, damit der Bereitwilligkeit auch die Ausführung entspreche nach dem Vermögen. 12 Ist der Wille bereit, so ist er wohlgefällig (vor Gott) nach dem, was er hat, nicht nach dem, was er nicht hat. 13 Nicht so ist es gemeint, daß andere Erleichterung, ihr aber Last haben sollt, sondern es soll ein Ausgleich stattfinden. 13: Nicht die Umkehr der Besitzverhältnisse ist beabsichtigt, so daß die Spender verarmen, die Unterstützten aber reich werden, sondern liebevoller Ausgleich und Austausch sollen stattfinden. 14 In der gegenwärtigen Zeit soll euer Überfluß ihrem Mangel abhelfen, damit auch ihr Überfluß eurem Mangel zugute komme, auf daß ein Ausgleich eintrete 15 nach dem Wort der Schrift: Wer vieles sammelte, hatte keinen Überfluß, und wer wenig, hatte keinen Mangel (2 Mos 16,18). 15: Gott verhütete beim Sammeln des Mannas in der Wüste, daß die einen zuviel, die andern zu wenig bekamen.
Empfehlung des Sammlungsleiters Titus und seiner Gehilfen. 16 Dank aber sei Gott, der dem Titus denselben Eifer für euch ins Herz gab. 17 Er nahm nämlich meine Aufforderung willig an; ja, da er sehr eifrig war, reiste er schon aus freiem Antrieb zu euch. 18 Wir haben auch mit ihm den Bruder gesandt, dessen Lob bei der Heilsverkündigung in allen Gemeinden verbreitet ist. 19 Nicht allein dies, sondern er ist auch von den Gemeinden als unser Reisegefährte zu diesem Liebeswerke abgeordnet worden, das von uns zur Ehre des Herrn und als Erweis unseres guten Willens besorgt wird. 20 Wir wollten nämlich verhüten, daß jemand uns übel nachrede bei dieser reichen Gabe, die von uns vermittelt wird. 21 Denn wir nehmen Bedacht auf das, was recht und billig ist, nicht bloß vor dem Herrn, sondern auch vor Menschen. 20-21: In Geldfragen muß auch der Schein selbstsüchtiger Absichten vermieden werden, am meisten vom „Geistlichen“. 22 Mit ihnen haben wir noch unsern Mitbruder gesandt, dessen Eifer wir oft und in vielen Dingen erprobt haben, und der jetzt noch viel eifriger ist durch das große Vertrauen, das er zu euch hat. 23 Sei es, daß ich Titus empfehle — er ist mein Gefährte und Mitarbeiter bei euch, seien es unsere Brüder — sie sind die Abgesandten der Gemeinden, Christi Ehre. 24 Gebt ihnen deshalb den Beweis eurer Liebe und der Wahrheit dessen, was ich Rühmliches über euch gesagt habe; ihr gebt ihn vor den Gemeinden.
9 1 Über das Hilfswerk für die Heiligen ist es ja überflüssig, euch zu schreiben. 2 Kenne ich doch eure Bereitwilligkeit und pflege sie den Mazedoniern gegenüber an euch zu rühmen. Ich sage nämlich, daß Achaja schon seit dem vorigen Jahre bereit sei; und dieser euer Eifer hat die meisten von ihnen zur Nachahmung angeeifert. 3 Ich habe aber doch die Brüder gesandt, damit nicht unser Rühmen über euch in diesem Punkte zunichte gemacht werde, daß ihr vielmehr, wie ich sagte, gerüstet seiet. 4 Nicht daß, wenn mit mir Mazedonier kommen und euch unvorbereitet finden, wir — um nicht zu sagen, ihr — beschämt würden in dieser Sache. 5 Ich habe es deswegen für nötig erachtet, die Brüder zu bitten, daß sie zu euch vorausreisen und die verheißene Segensgabe vorbereiten, damit sie bereitliege wie eine Segensspende, nicht wie eine Geizhalsspende. 1-5: Sehr geschickt weiß Paulus die Mazedonier mit dem Eifer der Christen Achajas anzuspornen und diese wiederum zu ermuntern, sich vor jenen nicht bloßzustellen durch geringere Leistungen.
Einen fröhlichen Spender hat Gott lieb. 6 Noch eins! Wer spärlich sät, wird auch spärlich ernten, und wer reichlich sät, wird auch reichlich ernten. 7 Jeder gebe, wie er es sich in seinem Herzen vorgenommen hat, nicht aus Verdrossenheit oder aus Zwang, denn einen freudigen Geber liebt Gott (Sir 35,11). 8 Gott hat die Macht, euch jegliche Gabe im Überflusse zukommen zu lassen, damit ihr an allem genug habt und dazu noch Überfluß zu guten Werken aller Art. 9 Denn es steht geschrieben: Er streute aus, er gab den Armen; seine Gerechtigkeit währet in Ewigkeit (Ps 112,9). 10 Der, welcher dem Sämann Samen darreicht und Brot zur Nahrung, wird auch euch den Samen schenken und ihn mehren und die Früchte eurer Gerechtigkeit vervielfältigen. 11 So werdet ihr in allem reich zu jeder Art von Freigebigkeit, welche durch uns Danksagung gegen Gott bewirkt. 6-11: Gott läßt sich vom Menschen an Großmut nicht übertreffen. 12 Denn die Leistung dieser Liebesspende hilft nicht nur dem Mangel der Heiligen ab, sondern bringt euch reichsten Segen durch die vielen Dankgebete zu Gott. 13 Wegen dieses erprobten Liebesdienstes preisen sie Gott für euren Glaubensgehorsam gegen die Heilsbotschaft Christi und die Einfalt, mit welcher ihr ihnen und allen mitgeteilt habt. 14 In ihrem Gebete sehnen sie sich auch nach euch wegen der überschwenglichen Gnade, welche Gott gegen euch bewiesen hat. 15 Gott sei Dank für seine unaussprechlich große Gabe! 12-15: Der liebste Dank für das Wohltun liegt darin, daß die Armen Gott preisen und seinen Segen auf ihre Wohltäter herabrufen.
Abrechnung mit den Gegnern
Die Vorwürfe der Gegner sind unbegründet
10 Wir sind keine Schwächlinge. 1 Ich selbst, Paulus, mahne euch bei der Sanftmut und Milde Christi, ich, der ich (wie man behauptet) ins Angesicht zwar unter euch bescheiden bin, aus der Ferne aber mich als starken Mann gegen euch aufspiele. 2 Ich bitte euch, daß ich nicht bei meiner Anwesenheit kühn auftreten muß mit jener Entschiedenheit, mit der ich einzuschreiten gedenke gegen gewisse Leute, die da meinen, daß wir nach dem Fleische wandelten. 3 Denn ob wir auch im Fleische wandeln, so kämpfen wir doch nicht nach dem Fleische. 4 Die Waffen unseres Kampfes sind nicht fleischlich, sondern machtvoll durch Gott, um Festungen zu zerstören. Wir zerstören damit 5 Pläne und jede Mauer, welche sich wider die Erkenntnis Gottes auftürmt; wir nehmen gefangen jeden Verstand, um ihn zum Gehorsam Christi zu führen; 6 wir sind auch bereit, allen Ungehorsam zu züchtigen, sobald euer Gehorsam vollendet sein wird. 1 ff.: Im Kampf mit den judaistischen Hetzern wird die Sprache des Apostels schärfer. Er fürchtet sich nicht vor ihnen; denn sein Gewissen ist rein.
7 Beachtet das, was so klar vor Augen liegt. Wer sich zutraut, Christus anzugehören, der möge dies wiederum bei sich bedenken, daß, wie er Christus gehört, ebenso auch wir. 8 Denn wenn ich mich auch irgendwie noch weit mehr unserer Vollmacht rühmen wollte, die uns der Herr zu eurer Erbauung und nicht zu eurer Zerstörung gegeben hat, so würde ich nicht zuschanden werden. 9 Ich will das unterlassen, damit ich nicht den Schein erwecke, als wollte ich euch durch die Briefe in Schrecken setzen, 10 denn die Briefe, sagen sie, sind wohl wuchtig und gewaltig, wenn er aber leibhaftig da ist, ist er kraftlos und seine Rede verächtlich. 11 Der Betreffende bedenke folgendes: Geradeso, wie wir uns aus der Ferne durch Briefe mit dem Worte geben, werden wir uns auch bei unserer Anwesenheit durch die Tat erweisen.
Rechtes und unrechtes Rühmen. 12 Denn wir wagen es nicht, uns auf eine Linie zu stellen oder zu vergleichen mit gewissen Leuten, welche sich selbst empfehlen; doch sie sind nicht recht bei Sinnen, indem sie sich an sich selbst messen und sich mit sich selbst vergleichen. 13 Wir jedoch wollen uns nicht ins Maßlose rühmen, sondern nach dem Maße der Richtschnur, welche uns Gott zugemessen hat. Dies Maß reicht bis zu euch hinan. 14 Denn wir dehnen uns nicht über Gebühr aus, als wären wir nicht zu euch gelangt; wir sind ja bis zu euch gekommen mit der Heilsbotschaft Christi. 15 Nicht ins Maßlose rühmen wir uns über fremde Arbeiten, wohl aber hegen wir die Hoffnung: Wenn euer Glaube wächst, werden wir unter euch auf unserem eigenen Gebiet bis zur höchsten Höhe emporwachsen. 16 Dann können wir uns auch in den über euch hinaus liegenden Gegenden die Heilsbotschaft verkünden und müssen nicht innerhalb eines fremden Wirkungskreises uns dessen rühmen, was schon von anderen fertiggestellt wurde. 17 Wer sich aber rühmt, rühme sich im Herrn. 18 Denn nicht der ist bewährt, der sich selbst empfiehlt, sondern der, welchen der Herr empfiehlt. 12-18: Mit humorvoller Ironie sind die Großsprecher gekennzeichnet, mit denen niemand einen Vergleich aushält in ihrer Einbildung, Paulus aber hat wirkliche Erfolge aufzuweisen und braucht sich nicht mit fremden Federn zu schmücken.
Selbstruhm wider Willen
11 Ertragt unsere Torheit. 1 Möchtet ihr doch ein klein wenig Torheit von mir ertragen! Ja, ertraget mich! 2 Denn ich eifere um euch mit Gottes Eifer. Ich verlobte euch ja einem einzigen Manne, um euch als keusche Jungfrau Christus darzustellen. 3 Ich fürchte aber, es möchte wohl gleichwie die Schlange durch ihre Arglist die Eva betrog, so auch euer Sinn verderbt werden und sich abwenden von der Einfalt und Lauterkeit gegenüber Christus. 4 Wenn einer kommt und einen andern Christus predigt, den wir nicht predigen, oder ihr einen andern Geist empfanget, den ihr nicht empfinget, oder eine andere Heilsbotschaft, die ihr nicht erhieltet, so würdet ihr euch das wohl gefallen lassen! 4: Ständen sie fester in der Treue zu Christus, so hätten sie von vornherein den Hetzern kein Gehör schenken dürfen. 5 Ich dächte wohl, daß ich in keiner Beziehung hinter den „Überaposteln“ zurückstehe. 5: Damit meint der Apostel jene zugewanderten Lehrer, die sich in der Christengemeinde zu Korinth festsetzten, mit ihrer Redefertigkeit prahlten und über die Missionsarbeit des heiligen Paulus aburteilten. 6 Denn wenn ich auch ein Stümper bin in der Rede, so doch nicht in der Erkenntnis, vielmehr haben wir solche stets in allen Stücken unter euch kundgetan.
Uneigennützigkeit. 7 Oder habe ich etwa eine Sünde begangen, daß ich mich selbst erniedrigte, um euch zu erhöhen, indem ich nämlich euch unentgeltlich die Frohbotschaft Gottes verkündet habe? 8 Andere Gemeinden habe ich beraubt und habe Unterstützung von ihnen genommen für den Dienst bei euch. 9 Als ich bei euch war und in Not kam, bin ich gleichwohl keinem lästig gefallen; denn meinem Mangel halfen die aus Mazedonien gekommenen Brüder ab. So habe ich mich in allem gehütet, euch lästig zu sein, und werde es auch ferner tun. 10 So gewiß die Wahrheit Christi in mir ist, dieser Ruhm soll mir in den Gegenden Achajas nicht geschmälert werden. 11 Warum? Weil ich euch nicht liebe? Gott weiß es! 12 Was ich aber tue, werde ich auch ferner tun, um denen, die danach suchen, die Gelegenheit abzuschneiden, bei ihrem Rühmen sich mir gleichstellen zu können. 13 Die Betreffenden sind nämlich Lügenapostel, Pfuscher in ihrer Arbeit, die sich das Aussehen von Aposteln Christi zu geben suchen. 14 Und das ist kein Wunder. Denn der Satan selbst verkleidet sich in einen Engel des Lichtes. 15 Darum ist es nichts Sonderliches, wenn auch seine Diener sich verkleiden als Diener der Gerechtigkeit; doch ihr Ende wird sein nach ihren Werken. 7-15: Die Gegner ließen sich gut bezahlen und ärgerten sich über Paulus, der jede Unterstützung mit Geld seitens der Korinther ablehnte. Ihre Verlogenheit rechtfertigt den scharfen, sarkastischen Ton der Abwehr.
Vergleich mit seinen Gegnern. 16 Abermals sage ich: Niemand halte mich für einen Toren. Wenn aber doch, so nehmet mich als Toren hin, damit auch ich mich ein klein wenig rühme. 17 Was ich rede, sage ich nicht im Sinne des Herrn, sondern wie in Torheit, in diesem Punkte meines Rühmens. 18 Da viele sich rühmen nach dem Fleische, so werde auch ich mich rühmen. 19 Gern ertragt ihr ja die Toren, da ihr kluge Leute seid. 20 Laßt ihr es euch doch gefallen, wenn einer euch knechtet, wenn einer euch aussaugt, wenn einer euch überlistet, wenn einer sich stolz überhebt, wenn einer euch ins Gesicht schlägt. 21 Zu meiner Schande muß ich zugestehen, daß wir uns schwach gezeigt haben in diesem Stücke. Worauf einer pocht, ich rede in Torheit, darauf kann auch ich pochen. 22 Sie sind Hebräer? Ich auch! Sie sind Israeliten? Ich auch! Sie sind Nachkommen Abrahams? Ich auch! 23 Sie sind Diener Christi? Nun rede ich ganz dumm: Ich noch mehr! In Mühseligkeiten ohne Zahl, in Gefangenschaften überreichlich, in Schlägen über die Maßen, in Todesnöten oftmals. 21-23: In jeder Beziehung wagt Paulus den Vergleich mit den Gegnern. Gibt die Rasse oder Nationalität den Ausschlag, so ist er ihnen völlig ebenbürtig. In der Stellung zu Christus aber, worauf es doch ankommt, und in den Leiden für Christus übertrifft er sie alle. 24 Von den Juden erhielt ich fünfmal vierzig Streiche weniger einen. 24: Um nur ja die zulässige Höchstzahl von 40 Streichen nicht zu überschreiten, pflegten die Juden bei der Geißelung nur 39 Streiche zu geben. Aber auch diese überlebten manche nicht oder blieben zeitlebens gebrochene Menschen. 25 Dreimal bin ich mit Ruten geschlagen, einmal gesteinigt worden, dreimal habe ich Schiffbruch gelitten eine Nacht und einen Tag habe ich in den Meereswogen zugebracht. 26 Auf Reisen häufig in Gefahren von Flüssen, Gefahren von Räubern, Gefahren vom eigenen Volk, Gefahren von Heiden, Gefahren in den Städten, Gefahren in der Wüste, Gefahren auf dem Meere, Gefahren von falschen Brüdern. 27 In Mühe und Beschwerde, in vielfältigen Nachtwachen, in Hunger und Durst, in vielem Fasten, in Kälte und Blöße. 28 Abgesehen von allem andern (müßte ich noch nennen) den täglichen Andrang zu mir, die Sorge für alle Gemeinden. 29 Wo ist einer schwach, und ich wäre es nicht auch? Wer erleidet Ärgernis, ohne daß ich brennenden Schmerz empfinde? 30 Wenn denn gerühmt sein muß, so will ich mich meiner Schwachheit rühmen. 31 Der Gott und Vater unseres Herrn Jesus Christus, der hoch gelobt ist in Ewigkeit, weiß, daß ich nicht lüge. 32 Zu Damaskus ließ der Statthalter des Königs Aretas die Stadt der Damaszener bewachen, um mich zu ergreifen. 33 Da wurde ich aus einem Fenster in einem Korb durch die Mauer hinabgelassen und entkam so seinen Händen.
12 Gnaden des Apostels. 1 Gerühmt muß sein, wenn es auch nicht taugt, so will ich denn auf die Gesichte und Offenbarungen des Herrn zu sprechen kommen. 2 Ich kenne einen Menschen in Christus, der vor vierzehn Jahren — ob in dem Leibe, ich weiß es nicht, ob außer dem Leibe, ich weiß es nicht, Gott weiß es — 3 entrückt wurde bis in den dritten Himmel. Ich weiß, daß dieser Mensch — ob in oder außer dem Leibe, ich weiß es nicht, Gott weiß es — 4 in das Paradies entrückt ward und geheimnisvolle Worte hörte, die auszusprechen keinem Menschen verstattet ist. 5 Deswegen will ich mich rühmen; meiner selbst aber will ich mich nicht rühmen, es sei denn meiner Armseligkeiten. 1-5: Als ob er selber gar nicht der begnadete Mensch sei, so spricht Paulus von sich in dritter Person. Er rühmt Gottes Güte, nicht seine eigenen Leistungen. Der über dem Wolkenhimmel und Sternenhimmel liegende „dritte Himmel“ ist dort, wo die Engel und Seligen Gottes Herrlichkeit schauen, im himmlischen Paradies.
Selbstverdemütigung. 6 Wenn ich mich aber auch rühmen wollte, so wäre ich nicht töricht, denn ich würde nur die Wahrheit sagen. Ich enthalte mich aber dessen, damit niemand von mir mehr halte, als er an mir sieht oder von mir hört.
Leiden und Versuchungen. 7 Und damit ich mich nicht wegen der außerordentlichen Offenbarungen überhebe, ward mir ein Stachel für mein Fleisch gegeben, ein Engel des Satans, auf daß er mich mit Fäusten schlage, damit ich mich nicht überhebe. 8 Um seinetwillen habe ich dreimal den Herrn angefleht, daß er von mir weichen möge. 9 Er aber sprach zu mir: Es genügt dir meine Gnade, denn die Kraft kommt in der Schwachheit zur Vollendung. Sehr gern will ich mich darum meiner Schwachheiten rühmen, damit die Kraft Christi in mir wohne. 10 Deswegen habe ich Wohlgefallen an [meinen] Schwachheiten, an Schmähungen, an Nöten, an Verfolgungen und Bedrängnissen um Christi willen; denn wenn ich schwach bin, dann bin ich stark. 7-10: Die großen Erfolge und die Begnadigungen hätten eine Versuchung zum Stolze werden können, darum kam ein schweres Leiden über ihn. Es ist an ein schmerzhaftes körperliches Leiden zu denken, das wie ein Stachel im Fleische saß. Was das für ein Leiden war, läßt sich nicht bestimmt sagen. Weil er durch dasselbe an der vollen Ausübung seines apostolischen Amtes gehindert wurde, führte der Apostel das Leiden auf eine Einwirkung Satans zurück. Das Apostolat geduldigen Leidens führt am schnellsten zur Verähnlichung mit Christus. Wenn wir im Bewußtsein des eigenen Unvermögens nur Werkzeuge in Gottes Hand sein wollen, erreicht der göttliche Meister am meisten mit uns.
Nachklänge zum Selbstruhm 11 Ein Tor bin ich geworden! Ihr habt mich dazu gezwungen, denn von euch hätte ich empfohlen werden sollen. Blieb ich doch hinter den „Überaposteln“ in nichts zurück, wenn ich auch nichts bin. 12 Die Beweise für mein Apostelamt wurden unter euch erbracht in aller Ausdauer durch Zeichen sowohl wie durch Wunder und Kräfte.
Uneigennützigkeit des Apostels. 13 Denn was ist es, worin ihr zu kurz gekommen wäret gegenüber den übrigen Gemeinden außer darin, daß ich persönlich euch nicht zur Last fiel? Verzeiht mir dieses Unrecht! 14 Seht, zum drittenmal bin ich jetzt bereit, zu euch zu kommen, und ich werde euch auch jetzt nicht zur Last fallen. Denn ich suche nicht euer Hab und Gut, sondern euch. Es müssen ja nicht die Kinder für ihre Eltern Schätze sammeln, sondern die Eltern für ihre Kinder. 15 Überaus gern will ich Opfer bringen, ja, mich selbst will ich opfern für eure Seelen. Wenn ich euch im Übermaß liebe, soll ich da weniger geliebt werden? 16 Doch genug! Ich bin euch nicht zur Last gefallen. Allein, „da ich verschlagen sei, habe ich euch mit List gefangen“. 16: Die Gegner stellen Paulus als ganz schlauen Egoisten hin, der persönlich selbstlos erscheint, aber durch seine Gehilfen sich bereichert. 17 Habe ich etwa durch einen von denen, die ich zu euch sandte, euch übervorteilt? 18 Ich bat den Titus und sandte mit ihm den Mitbruder. Hat euch etwa Titus übervorteilt? Sind wir nicht in demselben Geiste gewandelt? Nicht in denselben Fußstapfen? 13-18: Der bittere Sarkasmus soll die Irregeleiteten aufrütteln. Der Apostel kämpft um die Liebe seiner Kinder und um ihr Heil mit allen Waffen.
Schlußermahnungen
19 Ihr denkt wohl schon lange, daß wir uns vor euch verteidigen? Nein! Vor Gott in Christus reden wir; alles aber, Geliebte, geschieht zu eurer Erbauung. 20 Denn ich fürchte, ich möchte euch bei meiner Ankunft nicht so finden, wie ich es wünsche, und ihr möchtet mich dann so finden, wie ihr es nicht wünscht. Ich fürchte, es möchte unter euch etwa Streit, Eifersucht, Zorn, Zwietracht Verleumdung, Zwischenträgerei, Aufgeblasenheit, Auflehnung herrschen. 21 Ich fürchte, mein Gott möchte mich dann, wenn ich wiederkomme, bei euch demütigen, und ich müßte trauern über viele, die vorher gesündigt und nicht Buße getan haben wegen der Unlauterkeit, Unzucht und Ausschweifung, die sie verübt.
13 Strafandrohung. 1 Ich komme jetzt zum drittenmal zu euch. Auf die Aussage von zwei oder drei Zeugen soll (dann) jede Sache festgestellt werden. 2 Ich habe es schon vorhergesagt, als ich zum zweitenmal anwesend war, und sage es jetzt noch einmal in der Abwesenheit vorher, und zwar denen, die früher gesündigt haben, sowie allen übrigen: Wenn ich wiederkomme werde ich keine Schonung üben! 3 Ihr fordert ja einen Beweis, daß Christus in mir redet! Er hat sich doch nicht schwach, sondern mächtig an euch erwiesen. 1-3: Übertriebene Geduld wird zur Schwäche. 4 Zwar ist er aus Schwachheit gekreuzigt worden; aber er lebt aus Gottes Kraft. Auch wir sind schwach in ihm, doch werden wir aus Gottes Kraft euch gegenüber mit ihm leben. 4: Zum ganzen Christus gehört nicht nur „die zerbrochene Knechtsgestalt“ des Karfreitags, sondern auch der Todesüberwinder des Ostermorgens. 5 Prüfet euch selbst, ob ihr im Glauben seid, erprobt euch selbst. Oder erkennet ihr euch selbst nicht, daß Jesus Christus in euch ist: Es müßte denn sein, daß ihr euch nicht bewährt. 5: Es war immer so: Wer selber schwach im Glauben ist, kontrolliert am liebsten den Glauben und die Befugnisse der kirchlichen Vorgesetzten. 6 Ich hoffe aber, ihr werdet erkennen, daß wir nicht unbewährt sind. 7 Wir flehen zu Gott, ihr möchtet nichts Böses tun, nicht, damit wir bewährt erscheinen, sondern daß ihr das Gute tuet, wir aber wie unbewährt seien. 8 Denn wir vermögen nichts gegen die Wahrheit, sondern für die Wahrheit. 9 Wir freuen uns ja, wenn wir schwach sein dürfen, ihr aber stark seid. Eben darum, um eure Vollkommenheit, beten wir. 10 Deshalb schreibe ich dies aus der Ferne, damit ich bei meiner Ankunft nicht streng verfahren muß vermöge der Gewalt, die mir der Herr zum Aufbauen und nicht zum Niederreißen verliehen hat. 7-10: Wahrhaft große Männer wie Paulus bleiben, wenn auch hohe Macht in ihre Hand gelegt ist, gütig und wollen retten. Kleine Geister fürchten stets, ihre Macht zu verlieren, wenn sie nicht rücksichtslosen Gebrauch davon machen.
Gruß und Segen. 11 Im übrigen, Brüder, freuet euch, werdet vollkommen, ermuntert euch gegenseitig, lebt in Eintracht, haltet Frieden, und der Gott des Friedens und der Liebe wird mit euch sein. 12 Grüßet einander mit heiligem Kusse. Es grüßen euch alle Heiligen. 13 Die Gnade unseres Herrn Jesus Christus und die Liebe Gottes und die Gemeinschaft des Heiligen Geistes sei mit euch allen. [Amen.] 13: Der Segenswunsch ist ein herrliches Zeugnis für den Glauben der Urkirche an den einen Gott in drei Personen..
Der Brief an die Galater
Einleitung
Im dritten vorchristlichen Jahrhundert siedelte sich eine Gruppe keltischer, aus Europa nach dem Südosten ausgewanderter Volksstämme im Hochland Kleinasiens an. Nach diesen Kelten wurde das Gebiet fortan Galatien und die Bewohner Galater genannt. Angora (Ankyra), der heutige Sitz der türkischen Regierung, gehörte zu den Hauptstädten der Galater. Hieronymus berichtet aus eigener Beobachtung, daß die galatische Sprache mit der Sprache des Trierer Landes verwandt sei. Auf seiner zweiten und dritten Missionsreise wirkte der heilige Paulus mit großem Erfolg unter den Galatern. Als er aber danach sich in Ephesus aufhielt, kamen beunruhigende Nachrichten aus den jungen Christengemeinden. Judaistische Irrlehrer brachten die noch nicht genügend im Glauben befestigten, aber auch ihrem keltischen Temperament entsprechend leicht beeinflußbaren Christen in Verwirrung (1,7; 3,1). Sie forderten als Bedingung der Rechtfertigung die Beobachtung des mosaischen Gesetzes. namentlich die Beschneidung. Der Glaube an Christus allein genüge nicht; der rechte Weg zum Christentum führe nur über das Judentum. Paulus, der Spätberufene unter den Aposteln, sei nicht maßgebend; denn er lehre anders als die „Altapostel“ Petrus, Jakobus und Johannes.
Die Gefahr für das Glaubensleben der Galater war groß. Um sie abzuwehren, schrieb Paulus um das Jahr 55 von Ephesus aus unsern Brief an die Galater. Darin stellt er mit allem Nachdruck „sein Evangelium“, das Evangelium von der Rechtfertigung des Menschen aus dem Glauben an Christus, dem „andern Evangelium“ der Judaisten gegenüber. Er weist den göttlichen Charakter seiner Lehre nach aus ihrem Ursprung (1,6 bis 2,21) und aus ihrem Inhalt (3,1-5,12). Nach diesem echten Evangelium muß sich das christliche Leben formen (5,13-6,18). Der Anlaß des Briefes und sein Inhalt machen die Schärfe des Tones begreiflich. Wie ein reinigendes Gewitter fahren diese Sätze zwischen die Galater. Als echter Streiter Christi führt Paulus die siegreiche Waffe der Wahrheit. Dennoch bleibt er der fast mütterlich um seine Kinder besorgte Apostel (4,12-20).
1 Gruß des Apostels. 1 Paulus, nicht von Menschen noch durch einen Menschen zum Apostel bestellt, sondern durch Jesus Christus und Gott den Vater, der ihn von den Toten auferweckt hat, 2 und alle Brüder bei mir an die Gemeinden von Galatien.
3 Gnade und Friede euch von Gott dem Vater und unserem Herrn Jesus Christus! 4 Um uns aus dieser schlimmen Welt zu erretten, hat er sich selbst für unsere Sünden dahingegeben. So war es der Wille unseres Gottes und Vaters. 5 Ihm sei Ehre in alle Ewigkeit! Amen. 1-5: Die sonst im Eingang übliche Danksagung an Gott für die den Lesern geschenkten Gnaden und den guten Stand des Glaubenslebens fehlt aus naheliegenden Gründen in diesem Brief.
Das Evangelium ist göttlichen Ursprungs
Sein Evangelium nicht Menschenwerk
6 Mich wundert, daß ihr euch so rasch von dem abwendig machen lasset, der euch durch die Gnade Christi berufen hat, und euch einer andern Heilsbotschaft zuwendet. 7 Es gibt doch gar keine „andere“, sondern etliche Leute wollen euch nur verwirren und die Heilsbotschaft Christi umkehren. 8 Aber sollten auch wir oder ein Engel vom Himmel euch eine andere Heilsbotschaft verkünden wollen, als wir euch verkündet haben, der sei verflucht! 9 Was wir eben gesagt, das wiederhole ich jetzt: Sollte jemand euch eine andere Heilsbotschaft verkünden, als die ihr erhalten habt, so sei er verflucht! 6-9: Das eine und einzige Evangelium Christi darf nicht dem Zeitgeschmack angepaßt werden, jede Zeit hat sich nach ihm zu richten, sonst geht sie des Heils verlustig. Die Wahrheit ist ihrem Wesen nach intolerant.
Wandel im Judentum. 10 Rede ich etwa jetzt Menschen zulieb oder Gott, oder suche ich Menschen zu gefallen? Wenn ich noch Menschen gefallen wollte, könnte ich Christi Diener nicht sein. 10. Vgl. Lk 16,13; Mt 12,30. 11 Ich tue euch nämlich kund, meine Brüder, daß die von mir verkündete Heilsbotschaft nicht Menschenwerk ist. 12 Ich habe sie ja von keinem Menschen bekommen, noch bin ich darin von jemand unterwiesen worden, sondern Jesus Christus hat sie mir geoffenbart. 13 Ihr habt ja von meinem einstigen Wandel im Judentum gehört: Ich verfolgte die Kirche Gottes über die Maßen und suchte sie zu vernichten. 14 Vor vielen meiner Altersgenossen in meinem Volke tat ich mich hervor in meiner Leidenschaft für das Judentum und zeigte mich als übertriebenen Eiferer für die Überlieferungen meiner Väter.
Berufung zum Apostel von Gott. 15 Da gefiel es dem, der mich vom Mutterschoß an erwählt und durch seine Gnade berufen hat, 16 seinen Sohn in mir zu offenbaren. 15: Die plötzliche Bekehrung bei der Erscheinung vor Damaskus war ein Wunder der Gnade, lag aber von jeher im Plane Gottes. Ich sollte unter den Heiden die Frohbotschaft von ihm verkünden. Ich zog nicht Fleisch und Blut zu Rate 17 und reiste deswegen auch nicht nach Jerusalem hinauf zu denen, die vor mir Apostel waren, sondern ging sofort nach Arabien und kehrte dann wieder nach Damaskus zurück. 18 Erst drei Jahre später reiste ich nach Jerusalem, um den Petrus zu besuchen. Bei ihm blieb ich fünfzehn Tage. 18: Es ist ein deutlicher Beweis für den Vorrang des heiligen Petrus, daß der heilige Paulus es für notwendig hielt, ihn aufzusuchen, obwohl er einer Belehrung und Sendung von ihm nicht bedurfte; denn ein Apostel kann seine Berufung und Sendung. Nur unmittelbar von Gott empfangen. (vgl. 1,1.) 19 Sonst sah ich von den Aposteln keinen, außer dem Jakobus, dem Bruder des Herrn. 19: Der Vater dieses Apostels Jakobus ist Alphäus, seine Mutter die Schwester der Mutter Jesu. Das beweist klar, daß der Titel „Bruder des Herrn“ hier und an den anderen Stellen nur einen Verwandten (Vetter), keinen leiblichen Bruder Jesu bezeichnet. 20 Was ich euch da schreibe — siehe, Gott ist mein Zeuge, daß ich nicht lüge. 21 Hierauf ging ich in die Gegenden von Syrien und Cilicien. 22 Den Christengemeinden Judäas war ich persönlich noch unbekannt. 23 Sie wußten nur vom Hörensagen: Unser einstiger Verfolger predigt jetzt den Glauben, den er ehemals vernichten wollte. 24 Sie priesen darum Gott um meinetwillen.
Sein Evangelium und die Apostel
2 Gutheißung des Evangeliums Pauli durch die Apostel. 1 Vierzehn Jahre später reiste ich wieder nach Jerusalem; ich hatte den Barnabas und auch den Titus bei mir. 2 Meine Reise erfolgte auf eine Offenbarung hin. Damals legte ich ihnen die Heilsbotschaft, die ich unter den Heiden verkünde, vor, insonderheit den angesehenen Männern. Ich wollte nicht ins Leere laufen oder gelaufen sein. 2: Als Apostel brauchte Paulus keine Bestätigung; aber den Hetzern gegenüber konnte er sich nun auf die volle Übereinstimmung mit den Aposteln berufen. 3 Aber nicht einmal Titus, mein Begleiter, ein geborener Grieche, wurde zur Beschneidung gezwungen. 4 Hatten sich doch falsche Brüder eingeschlichen; sie drängten sich herzu, unserer Freiheit, die wir in Christus Jesus haben, aufzulauern, in der Absicht, uns unter das Joch der Knechtschaft zu beugen. 5 Ihnen wollten wir auch nicht für einen Augenblick nachgeben; wir haben uns deswegen nicht unterworfen, damit die Wahrheit der Heilsbotschaft bei euch erhalten bleibe. 5: Im Grundsätzlichen hat Paulus, der sich sonst gern den gegebenen Verhältnissen anpaßte (vgl. 1 Kor 9,19-22), nie nachgegeben. 6 Von seiten der angesehenen Männer aber — wer sie einst gewesen, geht mich nichts an; Gott sieht nicht auf das Ansehen der Person —, mir haben die Angesehenen nichts weiter auferlegt. 7 Im Gegenteil, sie sahen ein, daß ich mit der Heilsbotschaft für die Unbeschnittenen betraut sei, wie Petrus mit der für die Beschnittenen; 8 denn der dem Petrus wirksam beistand zur Ausübung des Apostelamtes unter den Beschnittenen, stand auch mir bei unter den Heiden. 9 Auch erkannten sie, daß mir eine besondere Gnade verliehen sei. Deswegen gaben Jakobus, Kephas und Johannes, die als Säulen gelten, mir und dem Barnabas den Handschlag zum Zeichen der Gemeinschaft: Wir sollten zu den Heiden, sie selbst zu den Juden gehen. 10 Nur sollten wir der Armen eingedenk sein, was zu tun ich mich eifrig bemüht habe.
Anerkennung durch Petrus. 11 Als aber Kephas nach Antiochien kam, widerstand ich ihm ins Angesicht, weil er Tadel verdiente. 12 Bevor nämlich Leute von Jakobus her gekommen waren, pflegte er Tischgemeinschaft mit den Heiden; nach ihrer Ankunft aber zog er sich zurück und sonderte sich von ihnen ab aus Furcht vor den Judenchristen. 13 Auch die andern Juden schlossen sich seiner Verstellung an, so daß sogar Barnabas sich von ihnen zu jener Verstellung bewegen ließ. 14 Da ich aber sah, daß ihr Wandel der Wahrheit der Heilsbotschaft nicht entsprach, sagte ich vor allen zu Kephas: Wenn du, obwohl Jude, nach Art der Heiden und nicht der Juden lebst, wie magst du die Heiden nötigen, nach der Weise der Juden zu leben? 14: Die Heidenchristen wollten in Gemeinschaft mit Petrus bleiben; da dieser aber zeitweilig sich zu den Judenchristen hielt, mußten sie sich den jüdischen Bräuchen anpassen. 11-14: Paulus trat dem Petrus nicht entgegen, weil er etwa mit dessen Lehre nicht einverstanden war; auch warf er ihm nicht Unwahrhaftigkeit vor, sondern er fand die gutgemeinte Anpassung Petri an die Judenchristen (Fernbleiben von der Tischgemeinschaft mit den Heidenchristen) für unvereinbar mit seiner Überzeugung von der Gleichheit der Juden- und Heidenchristen. Wir lesen nirgendwo, daß Petrus seinem Mitapostel Paulus diesen Freimut verübelt habe. Wem es nur um die Sache zu tun ist, der soll auch dem Vorgesetzten gegenüber ein offenes Wort nicht scheuen.
Freiheit der Christen vom Gesetz. 15 Zwar sind wir von Geburt Juden und nicht von Heiden stammende Sünder. 16 Aber wir wissen, daß der Mensch nicht durch Gesetzeswerke gerechtfertigt wird, sondern durch den Glauben an Jesus Christus. Deswegen haben wir den Glauben an Jesus Christus angenommen; wir wollten auf Grund des Glaubens an Christus gerechtfertigt werden, nicht um der Gesetzeswerke willen; denn durch Gesetzeswerke wird kein Mensch gerechtfertigt. 17 Wenn wir bei dem Bestreben, in Christus gerechtfertigt zu werden, doch selbst als Sünder erfunden würden, wäre da nicht Christus Diener der Sünde? Das sei ferne! 18 Wenn ich nämlich das wieder aufbaue, was ich niedergerissen habe, bekenne ich mich selbst als Übertreter. 17-18: Um Christi willen beobachtete Paulus das Gesetz nicht; wäre das Sünde, so hülfe Christus dazu mit. Hat der Christ um Christi willen einmal das Gesetz verlassen, so wäre die nachträgliche Wiederholung desselben ein Beweis, daß die Annahme des Glaubens ein Fehler war. 19 Ich bin ja durch das Gesetz dem Gesetz gestorben, um Gott zu leben. Mit Christus bin ich gekreuzigt. 20 Nicht mehr ich lebe, sondern Christus lebt in mir. Sofern ich aber noch im Fleische lebe, lebe ich im Glauben an den Sohn Gottes, der mich geliebt und sich für mich dahingegeben hat. 21 Ich setze die Gnade Gottes nicht auf die Seite. Denn käme die Gerechtigkeit durch das Gesetz zustande, so wäre ja Christus umsonst gestorben.
Das Evangelium hat göttlichen Inhalt
3 Die Gerechtigkeit eine Frucht des Glaubens, nicht des Gesetzes. Eigene Erfahrung. 1 O ihr unverständigen Galater! Wer hat euch verzaubert? Euch ist doch Jesus Christus als der Gekreuzigte vor die Augen gezeichnet worden! 1: Paulus hat in seinen Predigten mit lebendiger Anschaulichkeit das Leiden Christi geschildert. Die Lehre von der Erlösung am Kreuze bildete das Kernstück seiner Unterweisungen. Vgl. 1 Kor 2,2. 2 Das allein möchte ich von euch wissen: Habt ihr den Geist auf Grund von Gesetzeswerken oder wegen der Annahme des Glaubens erhalten? 3 So verständig seid ihr? Im Geist habt ihr begonnen und wollt nun im Fleisch enden? 4 Solltet ihr umsonst so viel erduldet haben? Ja, wenn es nur bloß umsonst wäre! 5 Der euch den Geist verleiht und Wunder unter euch wirkt — tut er das wegen eurer Gesetzeswerke oder um der Annahme des Glaubens willen?
Beispiel Abrahams. 6 Steht ja doch geschrieben: Abraham glaubte Gott, und das wurde ihm zur Gerechtigkeit angerechnet (1 Mos 15,6). 7 Erkennet daraus: Die, welche Glauben haben, sind Abrahams Söhne. 8 Die Schrift sah vorher, daß Gott die Heiden um des Glaubens willen rechtfertigt. Deswegen gab sie dem Abraham die Verheißung: In dir werden alle Völker gesegnet werden. 9 Daher werden mit dem gläubigen Abraham die Glaubenden gesegnet. 10 Alle nämlich, welche sich an die Gesetzeswerke halten, stehen unter einem Fluche. Es steht ja geschrieben: Verflucht sei jeder, der nicht alles, was im Gesetzesbuch geschrieben steht, beobachtet und danach handelt (5 Mos 27,26). 10: Wer meint, er könnte das Heil durch Beobachtung des Gesetzes erlangen, irrt; denn er ist nach dem Worte der Schrift dem Fluche verfallen. Wer nämlich nicht das ganze Gesetz beobachtet, ist verflucht. Es ist aber niemand möglich, aus eigener Kraft das Gesetz in seinem ganzen Umfange zu befolgen. 11 Daß aber durch das Gesetz keiner bei Gott gerechtfertigt wird, ist offenbar, denn: Der Gerechte wird aus dem Glauben Leben empfangen (Hab 2,4). 12 Das Gesetz aber ruht nicht auf dem Glauben, sondern: Wer seine Gebote vollbringt, wird durch sie das Leben haben (3 Mos 18,5). 13 Christus hat uns vom Fluche des Gesetzes erlöst, da er für uns zum Fluch geworden ist. Denn es steht geschrieben: Verflucht ist jeder, der am Holze hängt (5 Mos 21,23). 14 Es sollte der Segen Abrahams durch Christus Jesus den Heiden zuteil werden, damit wir durch den Glauben den verheißenen Geist empfangen.
15 Liebe Brüder! Ich will an menschliche Verhältnisse erinnern. Ein rechtsgültig ausgefertigtes Testament eines Menschen kann niemand umstoßen, noch irgendwelchen Zusatz zu diesem machen. 16 Dem Abraham und seinem Sohn wurden aber die Verheißungen zugesagt. Es heißt nicht: „und den Samen“, in der Mehrzahl, sondern in der Einzahl: „und deinem Samen“, das ist Christus. 17 Ich will damit sagen: Ein von Gott rechtskräftig gegebenes Testament kann durch das 430 Jahre später gekommene Gesetz nicht umgestoßen werden, so daß es die Verheißung hinfällig machen würde. 18 Denn würde das Erbe durch das Gesetz erlangt, so würde es nicht mehr erlangt durch die Verheißung. Dem Abraham aber hat Gott durch die Verheißung Gnaden geschenkt. 15-18: Gott hat dem Abraham das Erbe des Heils verheißen, das er auf Grund seines Glaubens erhalten sollte. Das später gegebene Gesetz ändert an dieser Verheißung nichts, so wenig die rechtskräftige Verfügung (das gültige Testament) eines Menschen umgestoßen wird.
Das Gesetz Vorbereitung auf den Glauben. 19 Wozu nun das Gesetz? Es wurde um der Übertretungen willen hinzugefügt, bis der Same käme, dem die Verheißung geworden ist. Durch Engel angeordnet, ist es durch eines Mittlers Hand ergangen. 20 Es gibt aber keinen Mittler, wo es sich nur um eine einzige Partei handelt; nun ist aber Gott ein Einziger. 21 So ist also das Gesetz den Verheißungen Gottes entgegen? Nimmermehr. Denn wenn ein Gesetz gegeben worden wäre mit der Kraft, Leben zu schaffen, dann käme wirklich die Gerechtigkeit aus dem Gesetze. 22 Allein die Schrift erklärt, daß alle der Sünde unterworfen sind, damit die Verheißung auf Grund des Glaubens an Jesus Christus den Glaubenden verliehen werde. 19-22: Diese höchst schwierige Stelle hat bis jetzt über 300 Erklärungsversuche veranlaßt, weil meist der Titel „Mittler“ auf Christus, statt auf Moses bezogen wurde, der am Sinai das Gesetz Gottes den Menschen vermittelte, wobei nach alttestamentlicher Ausdrucksweise Engel mitwirkten. Die Verheißung erging ohne Zwischenglied (= ohne Mittler) an Abraham und „den Samen“ (= Christus). Das Gesetz aber bedurfte eines Mittlers, steht also an Wert unter der mittlerlosen Verheißung und fällt fort, nachdem sich in Christus die göttliche Verheißung erfüllt hat. Ein Mittler setzt eine Vielheit von Menschen voraus, zwischen denen er vermittelt, Gott und Christus aber sind nur einer, weil Christus selber Gott ist. Dieser paulinische Beweis für Jesu Gottheit erinnert an Jo 10,30; 14,7-12.
23 Vor der Ankunft des Glaubens wurden wir in den Banden des Gesetzes in Gewahrsam gehalten für den Glauben, der geoffenbart werden sollte. 24 So ist das Gesetz unser Zuchtmeister zu Christus hin geworden, damit wir durch Glauben gerechtfertigt würden. 25 Da nun aber der Glaube gekommen ist, stehen wir nicht mehr unter dem Zuchtmeister. 26 Denn ihr seid alle Kinder Gottes durch den Glauben an Christus Jesus. 27 Ihr alle, die ihr auf Christus getauft wurdet, habt Christus angezogen. 28 Jetzt gilt nicht mehr Jude und Grieche, Sklave und Freier, Mann und Weib; ihr alle seid ja Einer in Christus Jesus. 29 Wenn ihr Christi Eigentum seid, so seid ihr auch Abrahams Nachkommen, Erben auf Grund der Verheißung. 26-29: Die durch die Taufe bewirkte Lebensweisheit mit Christus hat die Christen auch untereinander zu einer Einheit verbunden. Die Spaltung durch nationale, soziale und sexuale Bevorzugung hat aufgehört.
4 Aufhören des Gesetzes mit Christi Ankunft. 1 Ich sage aber: Solange der Erbe unmündig ist, unterscheidet er sich nicht vom Knechte, obwohl er Herr von allem ist. 2 Er steht vielmehr unter Vormündern und Verwaltern bis zu der vom Vater festgesetzten Zeit. 3 So waren auch wir, als wir noch unmündig waren, Sklaven der Weltelemente. 4 Als aber die Fülle der Zeit gekommen war, sandte Gott seinen Sohn, der aus einem Weibe geboren und dem Gesetz unterworfen war. 4: Paulus wußte also um die jungfräuliche Geburt des Gottessohnes aus Maria. 5 Er sollte die unter dem Gesetz Stehenden erlösen, damit wir die Annahme an Kindes Statt empfingen. 6 Weil ihr nun Söhne seid, hat Gott den Geist seines Sohnes in unsere Herzen gesandt, der da ruft: Abba, Vater. 7 Also bist du nicht mehr Knecht, sondern Sohn; wenn aber Sohn, dann auch Erbe durch Gott. 1-7: Die noch unmündige Menschheit vor Christus bedurfte des Gesetzes als Vormund. Juden wie Heiden, besonders die Heiden, waren den Weltelementen dienstbar. Der geistlose pharisäische Buchstabendienst war nicht viel besser als die heidnische Naturvergötterung. Christus brachte uns die Freiheit der Gotteskinder.
Warnung vor Rückfall in die Knechtschaft des Gesetzes. 8 Damals freilich, als ihr Gott nicht kanntet, habt ihr Göttern gedient, die es in Wirklichkeit gar nicht gibt. Jetzt aber kennet ihr Gott, oder besser: 9 Ihr seid von Gott erkannt. Wie wollt ihr nun wieder zu den schwachen und armseligen Elementen zurückkehren und ihnen nochmals dienstbar werden? 10 Ihr treibt Kult mit Tagen, Monaten, Festzeiten und Jahren! 11 Ich muß für euch fürchten, vergeblich mich um euch abgemüht zu haben. 12 Liebe Brüder! Ich bitte euch: Werdet wie ich; auch ich richte mich ja nach euch. Ihr habt mir nie etwas zuleid getan. 12: Paulus hat sich nach den Heidenchristen gerichtet, sie sollen nur seinem Beispiel folgen, nicht den judenchristlichen Verführern. 13 Ihr wißt ja: In körperlicher Schwäche habe ich euch das erstemal die Frohbotschaft verkündet; 14 gleichwohl habt ihr mich, obschon eine Versuchung für euch in meinem leiblichen Zustand lag, nicht verachtet noch verabscheut, sondern wie einen Engel Gottes, ja wie Christus Jesus selbst aufgenommen. 15 Wo ist nun eure Seligpreisung? Ich kann euch ja bezeugen, daß ihr euch, wenn es möglich gewesen wäre, die Augen ausgestochen und sie mir gegeben hättet. 16 Bin ich nun dadurch euer Feind geworden, daß ich euch die Wahrheit sage? 17 Sie bemühen sich um euch auf keine gute Art; nein, sie wollen euch von mir wegdrängen, damit ihr euch um sie bemühet. 18 Der Eifer ist etwas Schönes, wenn er sich recht betätigt, und zwar allezeit, nicht nur solange ich bei euch bin. 19 Meine Kinder! Von neuem leide ich Geburtsschmerzen um euch, bis Christus in euch Gestalt angenommen hat. 20 Am liebsten möchte ich jetzt bei euch sein und meine Sprache ändern; denn ich weiß mir keinen Rat mehr euretwegen. 12-20: Nach den ernsten Zurechtweisungen wird Paulus in seiner Sorge und Liebe um die Christen zärtlich wie eine Mutter um ihr Kind. Christus in den Menschen zu formen, ist höchstes Ziel aller Seelsorge.
Leibliche und geistige Söhne Abrahams: Söhne der Knechtschaft und Söhne der Freiheit. 21 Sagt mir, die ihr unter dem Gesetz stehen wollt, versteht ihr denn das Gesetz nicht? 22 Es steht ja geschrieben: Abraham hatte zwei Söhne, einen von der Magd und einen von der Freien. 23 Der von der Magd war nach dem Fleische geboren, der von der Freien auf Grund der Verheißung. 24 Das ist bildlich zu verstehen: Diese beiden Mütter bedeuten die zwei Bünde. Der eine ist jener vom Berg Sinai, der zur Knechtschaft gebiert; das ist Hagar. 25 Das Wort Hagar bedeutet nämlich den Berg Sinai in Arabien. Er entspricht dem jetzigen Jerusalem; denn dieses ist samt seinen Kindern in Knechtschaft. 26 Das obere Jerusalem aber ist die Freie: Das ist unsere Mutter. 27 Denn es steht geschrieben: Freue dich, du Unfruchtbare, die du kinderlos bist, frohlocke und juble, die du keine Geburtswehen kennst! Denn die Alleinstehende hat mehr Kinder als die Vermählte (Is 54,1). 28 Wir aber, meine Brüder, sind wie Isaak Kinder der Verheißung. 29 Aber wie damals der nach dem Fleisch Geborene den nach dem Geist Geborenen verfolgte, so ist es noch immer. 30 Doch was sagt die Schrift dazu? Stoße hinaus die Magd und ihren Sohn; denn der Sohn der Magd soll nicht mit dem Sohne der Freien Erbe sein! (1 Mos 21,10. 12.) 31 Also sind wir, liebe Brüder, nicht Kinder der Magd, sondern der Freien. 21-31: Die beiden Mütter, Hagar und Sara, sind die Sinnbilder des Alten und Neuen Bundes. Hagar, die Magd Abrahams, deren Sohn zur Knechtschaft bestimmt ist, ist das Sinnbild des Alten Bundes, der auf dem Berge Sinai gestiftet wurde. Seine Söhne sind unfrei und stehen unter der Knechtschaft des Gesetzes. Sara ist das Vorbild des oberen Jerusalems, d. h. der Kirche Christi. Diese ist frei von der Knechtschaft des Gesetzes und ist unsere Mutter. So sind die Gläubigen ebenso wie Isaak Kinder der Verheißung. Daran darf sie nicht irremachen, daß Verfolgungen über sie kommen; denn auch Isaak, der Sohn der Sara, wurde von Ismael, dem Sohne der Hagar, verfolgt. Edles Selbstbewußtsein muß trotz aller Verfolgungen die Christen erfüllen.
5 Mahnung zur Bewahrung der christlichen Freiheit. 1 Für die Freiheit hat Christus uns frei gemacht. Stehet also fest und lasset euch nicht aufs neue unter das Joch der Knechtschaft zwingen! 2 Seht, ich, Paulus, sage euch: Wenn ihr euch beschneiden laßt, so wird euch Christus nichts nützen. 3 Nochmals bezeuge ich jedem Menschen, der sich beschneiden läßt: Er ist verpflichtet, das ganze Gesetz zu halten. 4 Wollt ihr durch das Gesetz gerecht werden, so ist eure Verbindung mit Christus gelöst, ihr seid der Gnade verlustig gegangen. 5 Denn wir erwarten im Geiste auf Grund des Glaubens die erhoffte Gerechtigkeit. 6 In Christus Jesus gilt weder Beschneidung noch Unbeschnittensein etwas, sondern nur der Glaube, der durch Liebe wirksam ist. 1-6: In der Religion geht es ums Ganze. Man kann nicht nach Belieben einzelnes annehmen, anderes verwerfen. Nicht Nationalität und Rasse geben den Ausschlag, sondern der lebendige Glaube an Christus. Anders denken heißt in jüdische Enge und Geistesknechtung zurückfallen. 7 Ihr hattet einen so schönen Anlauf genommen; wer hat euch aufgehalten, so daß ihr der Wahrheit nicht mehr gehorcht? 8 Die Lockung kommt nicht von dem, der euch berufen hat. 9 Ein wenig Sauerteig durchsäuert den ganzen Teig. 10 Ich habe im Herrn das Vertrauen zu euch, daß ihr nicht anders gesinnt sein werdet. Wer unter euch die Verwirrung anrichtet, hat die Strafe zu tragen, wer er auch sei. 11 Wenn aber ich die Beschneidung weiterpredigte, würde man mich dann noch verfolgen? Dann wäre ja das Ärgernis des Kreuzes behoben. 12 Die Verwirrung unter euch schaffen, sollten sich doch lieber gleich zerschneiden lassen! 11-12: Gerade der Kampf gegen die Notwendigkeit der Beschneidung und für die Erlösung am schmachvollen Kreuz hat dem Apostel die Feindschaft der Juden zugezogen. Ihnen sagt er sarkastisch: Wenn die Operation der Beschneidung das Heil bewirkt, dann laßt euch doch gleich kastrieren, um so des Heils noch sicherer zu sein.
Der Wandel des Christen
Herrschaft des Geistes über die bösen Begierden. 13 Denn zur Freiheit seid ihr berufen, liebe Brüder! Nur mißbraucht die Freiheit nicht zu einem Vorwand für fleischliche Gelüste; dienet vielmehr einer dem anderen durch die Liebe. 13: Freiheit vom jüdischen Gesetz bedeutet nicht sittliche Ungebundenheit. 14 Denn das ganze Gesetz ist in dem einen Wort erfüllt: Du sollst deinen Nächsten lieben wie dich selbst. 15 Wenn ihr aber einander beißt und freßt, sehet zu, daß ihr einander nicht aufzehrt! 16 Ich sage euch vielmehr: Wandelt im Geiste; dann werdet ihr die Gelüste des Fleisches nicht vollbringen. 16: Die beste Bekämpfung der Begierlichkeit ist die Übung der Werke des Geistes, der positiven, ihr entgegengesetzten Tugenden, 17 Das Fleisch gelüstet wider den Geist, der Geist aber wider das Fleisch; beide widerstreben einander, so daß ihr nicht das tut, was ihr etwa wollt. 18 Laßt ihr euch vom Geiste leiten, so steht ihr nicht unter dem Gesetz. 19 Als Werke des Fleisches sind offenkundig: Unzucht, Unkeuschheit, [Schamlosigkeit,] Wollust, 20 Abgötterei, Zauberei; Feindschaft, Hader, Eifersucht, Zorn, Ränke, Spaltungen, Parteiungen, 21 [Haß,] Mord, Trunkenheit, Schlemmerei und dergleichen. Was ich euch schon zuvor gesagt, wiederhole ich: Die solches treiben, werden das Reich Gottes nicht erben.
Früchte des geistigen Lebens. 22 Die Frucht des Geistes aber ist: Liebe, Freude, Friede, Geduld, Milde, Güte, Treue, 23 Sanftmut, [Mäßigkeit,] Enthaltsamkeit, [Keuschheit]. Gegen dergleichen ist das Gesetz nicht da. 23: Wo durch die Gnade solche Früchte des Geistes reifen, braucht man kein Gesetz mehr, das ja nur gegen die Sünde gerichtet ist. 24 Die aber Christus angehören, haben ihr Fleisch mitsamt den Leidenschaften und Gelüsten ans Kreuz geschlagen. 25 Leben wir durch den Geist, so laßt uns auch im Geiste wandeln! 26 Laßt uns nicht nach eitlem Ruhme verlangen, nicht einander herausfordern noch einander beneiden!
6 Mahnung zur Nachsicht und werktätigen Nächstenliebe. 1 Liebe Brüder! Wenn nun jemand in der Übereilung einen Fehltritt begeht, so weiset als Geistesmänner einen solchen im Geiste der Sanftmut zurecht! Dabei habe acht auf dich selbst, daß du nicht auch versucht werdest! 2 Einer trage des andern Lasten; so werdet ihr das Gesetz Christi erfüllen! 3 Wenn einer sich einbildet, er sei etwas, da er doch nichts ist, so betrügt er sich selbst. 4 Ein jeder prüfe vielmehr sein eigenes Tun. Dann wird er seinen Ruhm für sich behalten und andere damit verschonen. 5 Jeder muß seine eigene Last tragen. 6 Wer in der Lehre Unterricht erhält, soll von allen seinen Gütern dem mitteilen, der ihn unterrichtet. 7 Lasset euch nicht irremachen. Gott läßt seiner nicht spotten. Was der Mensch sät, das wird er ernten. 8 Wer auf sein Fleisch sät, wird vom Fleisch Verderben ernten: wer aber auf den Geist sät, wird vom Geiste ewiges Leben ernten. 9 Lasset uns aber nicht müde werden, Gutes zu tun! Denn wenn wir nicht nachlassen, werden wir zu seiner Zeit auch ernten. 10 Lasset uns also, solange wir Zeit haben, allen Gutes tun, zumal den Glaubensgenossen! 10: Die christliche Pflicht: „Tut Gutes allen!“ wird dadurch nicht verletzt, daß wir auch konfessionelle Liebestätigkeit üben. Solche wird hier geradezu gefordert als Krönung der allgemeinen Wohltätigkeit. 1-10: Brüderliche Zurechtweisung ist sittliche Pflicht. Keiner darf wie Kain sprechen: „Bin ich etwa der Hüter meines Bruders?“ Christsein legt Verantwortung für alle auf uns. Das Bewußtsein der eigenen Armseligkeit zur Bescheidenheit.
Schluß
Christus einzige Hoffnung des Heils. 11 Seht, mit welch großen Buchstaben ich euch eigenhändig geschrieben habe! 11: Das folgende hat der heilige Paulus eigenhändig geschrieben. Den übrigen Text des Briefes hat er diktiert. Bei den hohen Beamten der römischen Kaiserzeit war es Sitte, einer amtlichen Kundgebung eigenhändig einige Worte oder Sätze beizufügen. Wenn Paulus ebenso verfährt, will er seine Mahnungen als der amtlich Beauftragte Christi um so eindringlicher machen. Die schwere Arbeit am Webstuhl oder Zeltstoff hat wohl die Hand des Apostels ungelenk gemacht (vgl. Apg 18,3-4). 12 Leute, die bei den Menschen wohlgelitten sein möchten, nötigen euch die Beschneidung auf, nur damit sie wegen des Kreuzes Christi nicht Verfolgung leiden. 13 Denn sie halten, obwohl selbst beschnitten, das Gesetz nicht; vielmehr wollen sie eure Beschneidung nur, um sich eures Fleisches rühmen zu können. 14 Mir aber sei es fern, mich zu rühmen, außer im Kreuze unseres Herrn Jesus Christus, durch welchen mir die Welt gekreuzigt worden ist und ich der Welt. 12-14: Die von Paulus getadelten Eiferer wollten sich bloß bei ihren Volksgenossen in Gunst setzen und sich so vor den Verfolgungen wegen der Religion des Kreuzes schützen. 15 In Christus Jesus hat weder die Beschneidung einen Wert noch das Unbeschnittensein, sondern nur eine neue Schöpfung. 16 Wie viele immer nach diesem Grundsatz wandeln — Friede und Erbarmen über sie und über das neue Israel Gottes! 17 Möge mir fernerhin niemand lästig fallen; denn ich trage die Wundmale Jesu an meinem Leibe! 17: Die Wunden und Narben, die Paulus als Spuren der Mißhandlungen und Verfolgungen an sich trägt, weisen ihn aus als Diener, Kämpfer und Herold Christi. Sie sollten ihn künftig vor den Verdächtigungen der Gegner schützen. Daß Paulus wie der heilige Franz von Assisi und andere „Stigmatisierter“ gewesen sei, folgt aus dieser Stelle keineswegs.
18 Die Gnade unseres Herrn Jesus Christus sei mit eurem Geiste, liebe Brüder! Amen.
Der Brief an die Philpper
Einleitung
Philippi, die alte Bergwerksstadt Mazedoniens, hat den Ruhm, die erste europäische Missionsstation des Völkerapostels geworden zu sein, als er um das Jahr 50 mit der Bekehrung unseres Erdteils begann. Die dort rasch erblühende Christengemeinde blieb stets seine Lieblingsgemeinde. Von ihr ließ er sich, was er bei allen andern ablehnte, mehrmals durch Spenden unterstützen. Als darum die Philipper hörten, Paulus leide in der Gefangenschaft Not, sandten sie, obwohl selbst verarmt, den Epaphroditus mit einer namhaften Summe nach Rom. Ihre kindliche Anhänglichkeit, ihre Besorgnis um sein Geschick und um die Sache Christi, ihre Glaubenstreue und Opferwilligkeit erfreuten den Gefangenen und bewogen ihn, dem heimkehrenden Epaphroditus einen Dankbrief an die Gemeinde und ihre Vorsteher mitzugeben. Es ist der herzlichste aller Paulusbriefe, ein unsterbliches Zeugnis für das reiche Gemüt und die edle Menschlichkeit des größten Missionars. Die Gefangenschaft hat seinen Bekennermut nicht zu brechen vermocht, aber sein ganzes Wesen abgeklärt. Der Brief wurde kurz vor dem Ende der Haft geschrieben, also im Frühjahr 63.
1 Gruß. 1Paulus und Timotheus, Diener Christi Jesu, an alle Heiligen in Christus Jesus zu Philippi, samt den Bischöfen und Diakonen. 1: Wenn die Titel „Bischöfe“ und „Diakone“ damals auch noch nicht den erst später festumgrenzten kirchenrechtlichen Sinn hatten, so beweist die besondere Begrüßung doch schon die Anfänge einer hierarchischen Ordnung in der Kirche. 2 Gnade euch und Friede von Gott, unserem Vater, und dem Herrn Jesus Christus!
Danksagung und Fürbitte
3 Ich danke meinem Gott, so oft ich eurer gedenke. 4 Allezeit bitte ich in allen meinen Gebeten mit Freuden für euch alle wegen eurer Teilnahme 5 an der Heilsverkündigung Christi, die ihr gezeigt vom ersten Tage an bis jetzt. 6 Und ich habe dabei das Vertrauen, daß der, welcher in euch das gute Werk angefangen, es vollenden werde bis auf den Tag Christi Jesu. 7 Es ist ja auch billig für mich, so von euch allen zu denken, weil ich euch im Herzen trage, da ihr alle sowohl in meinen Banden als in der Verteidigung und Bekräftigung der Heilsbotschaft Mitgenossen meiner Gnade seid. 7: Lateinisch: „Mitgenossen meiner Freude“. Christliche Freude ist die aus der Wurzel der Gnade sprossende Blüte. Für Christus leiden zu dürfen, ist dem Apostel Gnade und Freude zugleich. 8 Gott ist mein Zeuge, daß ich mich nach euch allen sehne mit der Zärtlichkeit Jesu Christi. 9 Darum bete ich, daß eure Liebe mehr und mehr zunehme in Erkenntnis und allem Verständnis, 10 damit ihr das Bessere prüfen könnt, so daß ihr rein und ohne Tadel seid auf den Tag Christi, 11 voll Frucht der Gerechtigkeit durch Jesus Christus zur Ehre und zum Lobe Gottes. 3-11: Dankbare Gesinnung spricht sich bei religiösen Menschen von selbst im Gebet füreinander aus.
Mitteilung über seine Lage
12 Meine Brüder! Ihr sollt wissen, daß meine Lage mehr zum Fortschritt der Heilsverkündigung beigetragen hat. 13 Im ganzen Lager wie auch sonst überall wurde bekannt, daß ich meine Fesseln um Christi willen trage. 13: Das Lager war die Kaserne der kaiserlichen Leibwache in Rom. 14 Die Mehrzahl der Brüder im Herrn faßte Vertrauen durch meine Bande und wagte um so mehr, ohne Furcht das Wort Gottes zu verkünden. 15 Einige predigen zwar Christus aus Neid und Streitsucht, andere dagegen in guter Gesinnung; 16 einige aus Liebe, weil sie wissen, daß ich zur Verteidigung der Heilsbotschaft bestellt bin. 17 Andere verkünden Christus aus Streitsucht, nicht aus reiner Absicht, indem sie meine Fesseln zu erschweren gedenken. 18 Was liegt daran? Wenn nur auf jede Weise Christus verkündet wird, sei es zum Vorwand, sei es in Wahrheit. Und darüber freue ich mich und werde mich auch ferner freuen. 18: Wenn auch diese Lehrer ihn durch ihr liebloses Vorgehen kränkten, so freut sich der demütige Apostel doch, daß auch durch sie das Evangelium gepredigt wird. 19 Ich weiß ja, daß mir dies zum Heile gedeihen wird durch euer Gebet und den Beistand des Geistes Jesu Christi. 20 So habe ich die Erwartung und Hoffnung, daß ich in keinem Stücke werde zuschanden werden, sondern daß in allem Freimut, wie immer, so auch jetzt Christus an meinem Leibe verherrlicht werden wird, sei es durch Leben, sei es durch Tod. 21 Denn für mich ist das Leben Christus und das Sterben Gewinn. 22 Wenn das Leben im Fleische für mein Wirken fruchtbar ist, so weiß ich auch nicht, was ich wählen soll. 23 Es zieht mich nach beiden Seiten hin: Ich habe das Verlangen, aufgelöst zu werden und mit Christus zu sein, was um vieles besser wäre. 24 Im Fleische zu bleiben ist aber notwendig euretwegen. 25 Und das weiß ich zuversichtlich, daß ich bleibe, daß ich bei euch allen bleiben werde zu eurer Förderung und zur Freude im Glauben, 26 damit euer Frohlocken in Christus Jesus über mich um so überschwenglicher werde, wenn ich wieder zu euch komme. 21-26: Sogar den Herzenswunsch nach der ewigen Vereinigung mit Christus will er zurückstellen aus apostolischem Eifer. Das ist nicht Lebensüberdruß, sondern christliche Lebensbejahung, sogar nach jahrelanger Gefangenschaft.
Mahnungen an die Gemeinde
Ausdauer. 27 Nur wandelt würdig der Frohbotschaft Christi, damit ich, mag ich kommen und euch sehen, oder abwesend sein, von euch hören darf, daß ihr feststeht in einem Geiste, einmütig miteinander kämpfet für den Glauben an die Frohbotschaft. 28 Laßt euch in keinem Stücke abschrecken von den Widersachern. Denn dies ist für sie ein Anzeichen des Verderbens, für euch aber des Heiles, und zwar von Gott. 29 Denn euch ist die Gnade verliehen, an Christus nicht nur zu glauben, sondern auch für ihn zu leiden. 30 Ihr habt ja denselben Kampf zu bestehen, den ihr an mir sahet und jetzt von mir höret.
2 Christi Vorbild. 1 Wenn bei euch eine Ermahnung in Christus etwas gilt, ein liebevoller Zuspruch, Geistesgemeinschaft und herzliches Erbarmen, 2 dann macht meine Freude dadurch voll, daß ihr eines Sinnes seid, von gleicher Liebe erfüllt und einmütig auf dasselbe bedacht. 3 Tut nichts aus Streitsucht oder eitler Ehrsucht, in Demut achte vielmehr einer den andern höher als sich selbst. 4 Niemand sei nur auf sein Bestes bedacht, sondern auch auf das Wohl des andern. 5 So sollt ihr gesinnt sein, wie auch Jesus Christus gesinnt war. 1-5: Immer wieder schärft der Apostel den jungen Christen die sozialen Tugenden ein. Selbstlose Liebe in brüderlicher Eintracht war die beste Empfehlung der neuen Religion vor den Heiden. 6 Er, der in Gottesgestalt war, hat dennoch nicht geglaubt, das Gottgleichsein wie ein Beutestück festhalten zu sollen; 7 nein, er entäußerte sich selbst, nahm Knechtsgestalt an, wurde den Menschen gleich und ward im Äußern als ein Mensch erfunden. 8 Er erniedrigte sich selbst und ward gehorsam bis zum Tode, ja bis zum Tode am Kreuze. 9 Darum hat ihn Gott auch erhöht und ihm einen Namen gegeben, der über alle Namen ist, 10 auf daß sich im Namen Jesu beugen alle Knie derer, die im Himmel, auf der Erde und unter der Erde sind, 11 und daß alle Zungen zur Ehre Gottes des Vaters bekennen: Jesus Christus ist der Herr! 6-11: Kein Tugendbeispiel ist anziehender und verpflichtender als Christus: Der vorweltliche, von Natur und Wesenheit dem Vater gleiche Gottessohn hat die Gottesherrlichkeit zwar nie aufgeben können; aber er wollte nicht in eifersüchtiger Unnahbarkeit wohnen wie die heidnischen Götter im Olymp. Auf Erden erschien er wie ein einfacher Mensch unter Menschen und verbarg seine „Gottesgestalt“ unter der Knechtsgestalt. Diese freigewählte Selbsterniedrigung hat Gott mit ewiger Glorie auch für die Menschennatur des Erlösers belohnt. Er ist der Herr des Universums. Keiner kommt an ihm vorbei.
Mahnung zum Gehorsam. 12 Darum, meine Lieben, wie ihr allezeit gehorsam gewesen seid, wirket nicht bloß in meiner Anwesenheit, sondern noch weit mehr jetzt in meiner Abwesenheit euer Heil mit Furcht und Zittern. 13 Gott ist es ja, der das Wollen und Vollbringen in euch wirkt nach seinem Wohlgefallen. 14 Tut aber alles ohne Murren und Zaudern! 15 So werdet ihr tadellos und lauter, Kinder Gottes, ohne Fehl inmitten eines verkehrten und verderbten Geschlechtes, unter dem ihr leuchtet wie Sterne im Weltall. 16 Haltet also fest am Worte des Lebens, mir zum Ruhme für den Tag Christi, daß ich nicht umsonst gelaufen bin und nicht vergebens mich geplagt habe. 17 Und wenn ich auch hingeopfert werden muß beim priesterlichen Opferdienst an eurem Glauben, so freue ich mich doch und frohlocke mit euch allen. 17: Wie Christus, der göttliche Hohepriester, so darf auch Paulus Opferpriester und Opfergabe zugleich sein. Voll Freude will er sein Leben einsetzen für das Werk des Glaubens. 18 Deswegen freuet auch ihr euch und freuet euch mit mir.
Zwei treue Mitarbeiter
19 Ich hoffe im Herrn Jesus, den Timotheus bald zu euch zu senden, damit auch ich guten Mutes werde, wenn ich erfahre, wie es um euch steht. 20 Ich habe ja sonst keinen, der gesinnt ist wie er, der mit so herzlicher Teilnahme für euch sorgt. 21 Denn alle andern suchen nur den eigenen Vorteil, nicht die Sache Jesu Christi. 22 Seine erprobte Treue ist euch bekannt; wie ein Sohn seinem Vater hat er mir bei der Heilsverkündigung gedient. 23 Ihn also hoffe ich [zu euch] zu senden, sobald ich meine Lage übersehen kann. 24 Ich habe aber das feste Vertrauen zum Herrn, daß ich auch selbst bald zu euch kommen kann. 23-24: Der Apostel rechnet mit dem baldigen Ende seiner Gefangenschaft durch Freispruch vor dem kaiserlichen Gericht. 25 Ich habe es für nötig erachtet, den Epaphroditus, meinen Bruder, Mitarbeiter und Mitstreiter, euren Abgesandten und Überbringer eurer Gabe für meinen Bedarf, zu euch zu senden. 26 Er hatte nämlich großes Heimweh nach euch allen und war bekümmert darüber, daß ihr von seiner Erkrankung gehört habt. 27 Wirklich war er todkrank; aber Gott hat sich seiner erbarmt, aber nicht nur seiner, sondern auch meiner, daß ich nicht Trauer über Trauer hätte. 28 Um so eiliger sende ich ihn nun, damit ihr die Freude habet, ihn wiederzusehen, und ich von diesem Kummer befreit werde. 29 So nehmet ihn denn auf im Herrn mit aller Freude und haltet solche Männer in Ehren! 30 Denn um des Werkes Christi willen kam er dem Tode nahe und wagte sein Leben bei diesem Dienst für euch, um das zu ersetzen, was an eurem Liebesdienst für mich noch mangelte.
Mahnungen und Warnungen
3 Warnung vor Irrlehren. 1 Übrigens, meine Brüder, freuet euch im Herrn! Das nämliche euch zu schreiben, ist mir keine Last, euch aber ist es notwendig. 2 Hütet euch vor den Hunden, hütet euch vor den Pfuschern, hütet euch vor den Männern der Zerschneidung. 2: Männer der Zerschneidung werden sie genannt, weil sie auf die Beschneidung den größten Wert legen, ohne auf das Innere, Beschneidung des Herzens, zu achten, und weil sie die christliche Einheit zerschnitten. 3 Männer der Beschneidung sind wir, die wir im Geiste Gott dienen und uns in Christus Jesus rühmen und nicht auf das Fleisch vertrauen, 4 obwohl ich selbst auf das Fleisch Vertrauen setzen könnte. Wenn irgendein anderer meint, auf das Fleisch vertrauen zu können, ich könnte es noch mehr. 5 Am achten Tage wurde ich beschnitten, ich bin aus dem Volke Israel, aus dem Stamme Benjamin, ein Hebräer von Hebräern, in der Stellung zum Gesetz ein Pharisäer, 6 dem Eifer nach ein Verfolger der Kirche [Gottes], und der Gerechtigkeit nach, die im Gesetze ist, wandelte ich ohne Tadel. 3-6: Käme das Heil von der rassenmäßigen Zugehörigkeit zum Volke Israel und nicht aus dem Geiste Gottes und aus der Erlösung durch Christus, so könnte Paulus doch getrost dieselben Ansprüche erheben wie die Gegner. Nichts fehlte ihm, was einen rasseechten Juden auszeichnete. Sein Stammbaum reicht fast 2000 Jahre zurück, seine Familie hat die völkische Sitte treu bewahrt, sein persönlicher Eifer trieb ihn in die Reihen der radikalen Partei, und selbst darin zeichnete er sich als Draufgänger im Kampf gegen die Christen aus. 7 Aber was mir Gewinn brachte, das habe ich um Christi willen für Verlust gehalten. 8 Ja, ich halte das noch alles für Verlust wegen der alles übertreffenden Erkenntnis Christi Jesu, meines Herrn. Um seinetwillen habe ich dies alles preisgegeben und es für Unrat gehalten, um Christus zu gewinnen 9 und in ihm erfunden zu werden, nicht mit eigener Gerechtigkeit, die aus dem Gesetze ist, sondern mit jener, die aus dem Glauben an [Jesus] Christus stammt, mit der Gerechtigkeit, die Gott verleiht auf Grund des Glaubens. 10 So möchte ich ihn erkennen und die Kraft seiner Auferstehung und die Gemeinschaft seiner Leiden, und ihm möchte ich im Tode ähnlich werden, 11 um so zur Auferstehung von den Toten zu gelangen. 7-11: Gottes Gnade hat ihm die Augen geöffnet für die wahre Religion im Glauben an Christus. Für Christus hat er alles geopfert, auch die sichere Aussicht auf eine glänzende Laufbahn. 1-11: Wiederholt hat Paulus bereits die Philipper vor den Umtrieben der judaistischen Irrlehrer warnen müssen. Er tut es nochmals mit besonderem Nachdruck. Hinterlistig beißende Hunde sind sie, Arbeiter, die alles verderben, was sie in die Hand nehmen, dabei aber tun, als verständen sie alles.
Mahnung zur Vollkommenheit. 12 Es ist nicht so, als hätte ich es schon erlangt, oder als wäre ich schon vollkommen, aber ich strebe danach, ob ich es wohl ergreifen könnte, weil ich auch von Christus Jesus ergriffen bin. 13 Also, Brüder, ich bilde mir nicht ein, es schon ergriffen zu haben. Eines aber tue ich: ich vergesse, was hinter mir liegt, und strebe nach dem, was vor mir liegt. 14 Ich strebe nach dem Ziele, nach dem Siegespreis der Berufung, welche mir zuteil geworden ist von oben her, von Gott in Christus Jesus. 15 Wir alle, die wir vollkommen sind, wollen so gesinnt sein. Und wenn ihr etwa anders gesinnt seid, so wird euch Gott auch darüber belehren. 16 Aber es gilt, an dem, was wir bereits erreicht haben, unentwegt festzuhalten. 12-16: Die Unruhe zu Christus hin läßt den echten Christen nie zu satter Genügsamkeit kommen. Am Bewährten festhaltend, strebt er immer weiter.
Christlicher Wandel. 17 Seid meine Nachahmer, Brüder! Schaut auf jene, die so wandeln, wie ihr uns zum Vorbild habt! 18 Denn viele wandeln — wie ich euch so oft gesagt habe, jetzt aber unter Tränen sage — als Feinde des Kreuzes Christi. 19 Ihr Ende ist Verderben, ihr Gott ist der Bauch, ihr Ruhm besteht in ihrer Schande, ihr Sinn ist auf das Irdische gerichtet. 20 Unsere Heimstätte aber ist im Himmel, woher wir auch den Heiland erwarten, unsern Herrn Jesus Christus. 21 Er wird unsern armseligen Leib umgestalten und ihn ähnlich machen seinem verklärten Leibe durch die Kraft, mit der er sich auch alles unterwerfen kann.
4 Mahnung zu Friedfertigkeit und innerer Freude. 1 Nun denn, meine lieben Brüder, nach denen ich mich sehne, meine Freude und meine Krone, stehet also fest im Herrn, Geliebteste! 2 Evodia ermahne ich und Syntyche ermahne ich, eines Sinnes zu sein im Herrn. 2: Evodia und Syntyche waren zwei um das Christentum sehr verdiente und in der Gemeinde zu Philippi hochangesehene Frauen. Zwischen beiden war ein Zwist entstanden. 3 Ich bitte auch dich, du treuer Genosse, nimm dich ihrer an. Sie haben ja mit mir für die Heilsbotschaft gekämpft, auch mit Klemens und meinen übrigen Mitarbeitern, deren Namen in dem Buch des Lebens stehen. 3: Nach der Ansicht mehrerer Kirchenschriftsteller ist der hl. Klemens von Rom gemeint, der dritte Nachfolger des hl. Petrus. 4 Freuet euch allezeit im Herrn! Abermals sage ich: Freuet euch! 5 Euer gütiges Wesen werde allen Menschen kund! Der Herr ist nahe! 6 Um nichts seid in Sorgen! In jeder Lage laßt eure Anliegen in Gebet und Flehen mit Dank kundwerden bei Gott. 7 Dann wird der Friede Gottes, der jeden Begriff übersteigt, eure Herzen und eure Gedanken in Christus Jesus behüten. — 8 Endlich, Brüder, was wahr ist, was ehrbar, was gerecht, was rein, liebenswürdig, was dem guten Rufe dient, was es überhaupt an Tugend und Lobenswertem gibt, darauf richtet euer Sinnen! 9 Was ihr auch gelernt, empfangen, gehört und gesehen habt bei mir, das tuet! Und der Gott des Friedens wird mit euch sein.
Dank für die liebevolle Sorge
10 Ich habe mich sehr erfreut im Herrn, daß eure Sorge um mich sich wieder so herrlich entfalten konnte. Ihr wolltet ja immer für mich sorgen, aber die Gelegenheit dazu fehlte. 11 Ich sage dies nicht der erlittenen Entbehrung wegen; ich habe gelernt, in meinen Verhältnissen zufrieden zu sein. 12 Ich weiß mich in die Not und auch in Überfluß zu schicken. In alles und jedes bin ich eingeweiht; ich kann satt sein und hungern, Überfluß haben und Mangel leiden. 13 Ich vermag alles in dem, der mich stärkt. 14 Doch ihr habt wohlgetan, an meiner Trübsal Anteil zu nehmen. 15 Ihr wißt selbst, liebe Philipper, als ich im Anfang der Heilsverkündigung Mazedonien verließ, trat keine Gemeinde mit mir in das Wechselverhältnis von Geben und Nehmen als ihr allein. 16 Auch nach Thessalonich habt ihr mir mehr als einmal etwas für meinen Bedarf geschickt. 17 Ich suchte nicht Geschenke, sondern den reichen Gewinn, der euch daraus gutgeschrieben wird. 18 Ich habe genug und mehr als genug. Ich bin reich, seit ich von Epaphroditus eure Sendung erhielt, es war ein lieblicher Geruch, ein angenehmes, wohlgefälliges Opfer vor Gott. 19 Mein Gott aber wird euch alles, dessen ihr bedürft, nach seinem Reichtum in herrlicher Fülle zuwenden in Christus Jesus. 20 Unserem Gott und Vater aber sei die Ehre von Ewigkeit zu Ewigkeit! Amen.
Gruß und Segenswunsch. 21 Grüßet jeden Heiligen in Christus Jesus. Es grüßen euch die Brüder, die bei mir sind. 22 Es grüßen euch alle Heiligen, besonders die vom Hof des Kaisers. 22: Sogar in der Umgebung des Nero gab es also bereits Jünger Christi: Es dürften Hofbeamte und Mitglieder der kaiserlichen Dienerschaft gewesen sein. 23 Die Gnade des Herrn Jesus Christus sei mit eurem Geiste! Amen.
Der Brief an die Kolosser
Einleitung
In der phrygischen Stadt Kolossä im fruchtbaren Tal des Lykos und Mäander hatte der Paulusschüler Epaphras eine Christengemeinde gegründet, Paulus selbst war bis dahin noch nicht dorthin gekommen. Als die Gefahr für das Glaubensleben durch Irrlehrer wuchs, fuhr Epaphras nach Rom, um bei dem gefangenen Apostel Rat und Ermutigung zu suchen. Die Irrlehren stellten ein buntgemischtes System der Überschätzung jüdischen Brauchtums und völkischer Naturreligion dar. Christus lehnte man nicht ganz ab, forderte aber neben ihm einen übertriebenen Engel- und Geisterkult. Paulus unterschätzte die Gefahr nicht und wehrte sie in seinem an die Gemeinde gerichteten Brief dadurch ab, daß er kraftvoll die göttliche Herrlichkeit Christi darlegte. Nur in der gläubigen Lebensgemeinschaft mit dem menschgewordenen Gottessohn ist für die erlösungsbedürftige Menschheit das Heil zu finden. Es gibt keinen Mittler neben oder außer Christus. Nach Christi sittlicher Forderung muß darum der Lebenswandel jedes Menschen geformt sein, wenn er vor Gott bestehen will. In der klaren Herausstellung dieser Grundwahrheiten des Christentums liegt die überzeitliche Bedeutung des Kolosserbriefes. Paulus hat ihn 62 oder Anfang 63 geschrieben und durch seinen Mitarbeiter Tychikus nach Kleinasien bringen lassen.
1 1 Paulus, Apostel Christi Jesu durch den Willen Gottes, und der Bruder Timotheus 2 an die Heiligen von Kolossä und die gläubigen Brüder in Christus. Gnade euch und Friede von Gott, unserem Vater [und dem Herrn Jesus Christus].
Dank. 3 Wir danken Gott, dem Vater unseres Herrn Jesus Christus, allezeit euretwegen im Gebete. 4 Wir haben nämlich gehört von eurem in Christus Jesus wurzelnden Glauben und von der Liebe, die ihr zu allen Heiligen habt, 5 die da ruht auf der Hoffnung, die euch im Himmel hinterlegt ist. Von ihr habt ihr früher vernommen durch das wahre Wort der Heilsbotschaft. 6 Dieses ist zu euch gekommen, wie es ja in der ganzen Welt ist und Frucht bringt und wächst. So ist es auch unter euch von jenem Tage an, da ihr gehört und erkannt habt die Gnade Gottes in Wahrheit. 7 Ihr habt ja den Unterricht empfangen von Epaphras, unserem geliebten Mitknecht, der ein treuer Diener Christi ist als unser Vertreter. 8 Er hat uns auch erzählt von eurer Liebe im Geiste.
Fürbitte für die Gemeinde. 9 Von dem Tage an, da wir es vernommen, hören wir daher nicht auf, für euch zu beten und zu flehen, daß ihr erfüllt werdet mit der Erkenntnis seines Willens in aller geistgewirkten Weisheit und Einsicht. 10 So sollt ihr Gottes würdig wandeln zum vollen Wohlgefallen, sollt fruchtbar sein an allen guten Werken und wachsen in der Erkenntnis Gottes. 11 Möget ihr gestärkt werden mit aller Kraft, wie es seiner machtvollen Herrlichkeit entspricht, zu aller Geduld und Langmut. 12 Mit Freuden sollt ihr dem Vater danksagen, denn er hat uns befähigt zur Teilnahme an dem Erbe der Heiligen im Lichte. 9-12: Auch für die ihm persönlich nicht bekannten Christen fühlt sich der Apostel mitverantwortlich und betet um ihr Wachstum im Glauben.
Belehrender Teil
Hoheit Christi. 13 Er hat uns befreit aus der Macht der Finsternis und in das Reich seines geliebten Sohnes versetzt. 14 In ihm haben wir die Erlösung durch sein Blut, die Vergebung der Sünden. 15 Er ist das Ebenbild des unsichtbaren Gottes, der Erstgeborene aller Schöpfung. 16 Denn in ihm ist alles erschaffen im Himmel und auf Erden, das Sichtbare und Unsichtbare, die Throne Herrschaften, Mächte und Gewalten — alles ist durch ihn und auf ihn hin erschaffen. 17 Und er ist vor allem, und alles hat in ihm Bestand. 17: Der Sohn Gottes ist früher als alles Erschaffene, von Ewigkeit her, also nicht geschaffen. 18 Er ist das Haupt des Leibes, der Kirche; er ist der Anfang, der Erstgeborene unter den Toten, damit er in allem den Vorrang habe. 18: Die Auferstehung ist gleichsam eine Wiedergeburt aus dem Tode. 19 Denn es hat Gott gefallen, die ganze Fülle in ihm wohnen zu lassen 20 und durch ihn alles mit sich zu versöhnen, indem er Frieden stiftete durch das Blut seines Kreuzes — alles, was auf Erden und im Himmel ist. 19-20: Nicht nur vorübergehend, sondern dauernd wohnte in Christus die ganze Fülle der göttlichen Wesenheit. Neben Christus kann es also keinen gleichberechtigten Mittler geben. 21 Auch euch, die ihr ehedem entfremdet und voll feindseliger Gesinnung wart durch eure bösen Werke, 22 auch euch hat er jetzt versöhnt durch den Tod in seinem fleischlichen Leibe, um euch heilig und untadelhaft und unsträflich vor ihm darzustellen. 23 Doch müßt ihr im Glauben festgegründet und beständig bleiben und dürft nicht weichen von der Hoffnung der Heilsbotschaft, die ihr gehört habt, die der ganzen Schöpfung unter dem Himmel verkündet ist, deren Diener ich, Paulus, geworden bin.
Der Dienst und die Leiden des Apostels. 24 Nun freue ich mich der Leiden für euch. Ich will das an meinem Fleische ergänzen, was an den Leiden Christi noch fehlt für seinen Leib, die Kirche. 24: Christus hat am Kreuze genug gelitten, um die ganze Menschheit zu erlösen. Aber weil jeder Christ ein Glied am mystischen Christusleib ist, hat Gott auch ihm ein bestimmtes Maß von Leiden zugedacht. Da es in der Lebenseinheit mit dem mystischen Christus gelitten wird, darf es auch „Leiden Christi“ oder „Drangsal Christi“ genannt werden. Es kommt der Kirche, die ja der mystische Leib Christi ist, zugute und wird erst vollendet, wenn die leidende und streitende Kirche ganz in die triumphierende übergegangen ist. Aus dieser tiefen Leidensmystik erwächst die Freude am Leiden für andere. 25 Ihr Diener bin ich ja geworden durch das Amt, das mir Gott für euch verliehen hat, das Wort Gottes vollständig zu verkünden. 26 Dieses Geheimnis, das früheren Zeiten und Geschlechtern verborgen war, ist nun seinen Heiligen geoffenbart. 27 Ihnen wollte Gott kundtun den herrlichen Reichtum dieses Geheimnisses unter den Heiden, nämlich Christus in euch, die Hoffnung auf die Herrlichkeit. 28 Ihn verkünden wir und ermahnen jedermann und lehren jedermann in aller Weisheit, damit wir jedermann vollkommen in Christus darstellen. 29 Dafür arbeite ich und kämpfe in seiner Kraft, die er in mir mächtig wirkt.
2 Warnung vor Irrlehren. 1 Ihr sollt nämlich wissen, welche Mühe ich mir gebe um euch und die zu Laodizea und um alle, die mich nicht persönlich kennen. 2 Ich möchte ihren Herzen Trost zuführen und sie in Liebe einigen und gelangen lassen zum ganzen Reichtum des vollen Verständnisses, zur Erkenntnis des Geheimnisses Gottes, das heißt Christi, 3 in welchem alle Schätze der Weisheit und Erkenntnis verborgen sind. 2: Im Lateinischen: „... des Geheimnisses Gottes, des Vaters, und Christi Jesu.“ Wer also Christus kennt, kennt Gott. Wer von Christus nichts wissen will, lehnt Gott ab. „Niemand kommt zum Vater, wenn nicht durch mich.“ (Jo 14,6.) 4 Dies sage ich, damit euch niemand verwirre mit hochklingenden Reden.
Heil nur in Christus. 5 Wenn ich auch dem Leibe nach abwesend bin, so bin ich doch im Geiste bei euch und sehe mit Freuden eure geschlossene Front und das Bollwerk eures Glaubens an Christus. 6 Wie ihr also Christus Jesus, den Herrn, aufgenommen habt, so wandelt in ihm! 7 Fasset Wurzel und erbauet euch auf ihm, seid fest im Glauben, wie ihr es gelernt habt, strömet über in Danksagung! 8 Sehet zu, daß euch niemand einfängt durch Weltweisheit und leeren Trug, der sich gründet auf die menschliche Überlieferung und die Weltelemente, aber nicht auf Christus. 9 Denn in ihm wohnt die ganze Fülle der Gottheit leibhaftig. 10 Und ihr seid in ihm dieser Fülle teilhaftig geworden. Er ist das Haupt über jede Macht und Herrschaft. 6-10: Nicht irgendeine Christusgestalt, sondern nur die von den Glaubensboten der Kirche überlieferte entspricht der Offenbarung Gottes an die Menschen. Christi Lehre ist nicht bloße „Weltanschauung“, hinter der statt einer letzten Sicherheit nur menschlicher Trug steht. Sie erschöpft sich nicht im Brauchtum eines einzelnen Volkes, in seinen „Überlieferungen“, wächst auch nicht aus den „Weltelementen“, den primitiven Kräften und dem vergöttlichten Blut und Boden. In Christus ist uns der außerweltliche Gott selber erschienen mit seiner unendlichen Fülle.
Das Heil kommt nicht aus den jüdischen Lehren. 11 In ihm habt ihr auch die Beschneidung empfangen, nicht eine solche, die mit Händen vorgenommen worden ist, sondern jene, die im Ablegen des Fleischesleibes besteht, die christliche Beschneidung. 11: Die „christliche Beschneidung“ ist die Taufe. Beim Untertauchen im Taufwasser wird alles Sündhafte begraben, ein neuer Mensch geht hervor. 12 Seid ihr doch mit ihm in der Taufe begraben worden und in ihm auferstanden durch den Glauben an die Macht Gottes, der ihn von den Toten auferweckt hat. 13 Auch euch, die ihr tot waret durch die Sünden und durch euer unbeschnittenes Fleisch, hat Gott mit ihm neu belebt. Er hat uns gnädig alle Sünden vergeben. 14 Er hat gelöscht den wider uns lautenden Schuldschein mit seinen Forderungen, hat ihn vernichtet, indem er ihn ans Kreuz heftete. 15 Er hat entwaffnet die Mächte und Gewalten, hat sie offen an den Pranger gestellt und durch ihn über sie triumphiert.
16 So soll euch denn niemand richten wegen Speise oder Trank oder wegen eines Festtages oder Neumondes oder Sabbats. 16: Die Irrlehrer haben auf äußere Dinge, wie Fasten, Festfeiern usw., großen Wert gelegt. Durch all diese Dinge erlangen sie das Reich Gottes nicht. Sie sind nur ein Schatten und ebenso unwirksam wie dieser. 17 Das sind ja nur Schatten des Zukünftigen. Das Wesen gehört Christus an. 18 Laßt euch von niemand um den Siegespreis bringen, der sich in „Demut“ und Engeldienst gefällt, sich mit Visionen wichtig macht, während er doch nur ohne Grund aufgeblasen ist in seinem fleischlichen Sinne; 19 der sich nicht an das Haupt hält, von welchem aus der ganze Leib durch Gelenke und Bänder verbunden und zusammengehalten ist und fortschreitet in göttlichem Wachstum. 20 Wenn ihr also mit Christus den Weltelementen abgestorben seid, was laßt ihr euch noch Vorschriften machen, als lebtet ihr in der Welt? 21 „Das fasset nicht an, das esset nicht, das rührt nicht an!“ — 22 Alles das geht zugrunde eben durch den Verbrauch; es sind ja Vorschriften und Lehren von Menschen. 23 Diese haben zwar den Schein von Weisheit in ihrer selbstgemachten Frömmigkeit, „Demut“ und Kasteiung des Leibes, aber es hat keinen Wert vor Gott, sondern dient nur zur Befriedigung des Fleisches. 23: Der Apostel will nicht diese Bußwerke an sich verurteilen, er selbst legte sich solche auf (1 Kor 9,27). Diese Übungen dürfen aber nicht als das Wichtigste im christlichen Leben betrachtet werden; wenn sie im richtigen Geiste ausgeführt werden, so sind sie ein vorzügliches Mittel zur sittlichen Vervollkommnung. Wer aber in seinen religiösen Übungen immer etwas anderes sucht als die andern, weil diese „nur gewöhnliche Frömmigkeit“ üben, der verwechselt Gott mit dem Götzen der geltungsbedürftigen Eigenliebe.
Mahnungen zu christlichem Leben
3 Allgemeine Pflichten. 1 Seid ihr nun mit Christus auferstanden, so suchet, was droben ist, wo Christus sitzet zur Rechten Gottes. 2 Trachtet nach dem, was droben ist, nicht nach dem, was auf der Erde ist. 3 Denn ihr seid gestorben, euer Leben ist mit Christus verborgen in Gott. 4 Wenn Christus, unser Leben, offenbar wird, dann werdet auch ihr mit ihm offenbar werden in Herrlichkeit. 3-4: Wie die Welt nichts weiß von dem verklärten Christus, so auch nichts von dem übernatürlichen Leben des Christen, bis einst die große Wendung kommt beim allgemeinen Gericht. Wo das religiöse Innenleben fehlt, ist aller äußere „Betrieb“ nur Schein. 5 So ertötet also das Irdische an euch: Unzucht und Unreinigkeit, Leidenschaft und böse Lust, Habsucht — das ist Götzendienst! 6 Um ihretwillen kommt Gottes Zorn [über die ungehorsamen Kinder]. 7 Auch ihr seid einst in diesen Dingen gewandelt, als ihr unter ihnen lebtet. 8 Jetzt aber sollt ihr das alles ablegen: Zorn, Erbitterung, Bosheit, Lästerung, unehrbare Rede aus eurem Munde. 9 Belüget einander nicht. Ziehet den alten Menschen aus mit seinen Werken. 10 Ziehet den neuen Menschen an, der neu geschaffen wird zur Erkenntnis, nach dem Bilde dessen, der ihn erschaffen hat. 11 Da gibt es nicht mehr Heiden und Juden, Beschnittene und Unbeschnittene, Barbaren und Scythen, Sklaven und Freie, sondern alles und in allen ist Christus.
12 So ziehet nun an als Gottes Auserwählte, Heilige und Geliebte, herzliches Erbarmen, Güte, Demut, Sanftmut, Geduld. 13 Ertraget einander und verzeihet einander, wenn einer dem andern etwas vorzuwerfen hat; wie der Herr euch verziehen hat, so sollt auch ihr tun. 14 Über das alles aber habet die Liebe; denn sie ist das Band der Vollkommenheit. 14: Die Liebe ist, wie das Oberkleid, die „Uniform“ der Jünger Jesu. An ihr werden sie erkannt. Vgl. Jo 13,34-35; 1 Kor 13. 15 Der Friede Christi herrsche in eurem Herzen; zu diesem seid ihr ja berufen in einem Leibe. Seid dankbar. 15: Lateinisch: Der Friede Christi jubele in euren Herzen. 16 Laßt das Wort Christi reichlich in euch wohnen. In aller Weisheit lehret und ermahnet einander, mit Psalmen, Lobgesängen und geistlichen Liedern lobsinget Gott voll Dankbarkeit in euren Herzen. 17 Alles, was ihr tut in Wort oder Werk, tut alles im Namen des Herrn Jesus [Christus] und danket durch ihn Gott, dem Vater.
Pflichten in der Familie. 18 Ihr Frauen, seid euren Männern untertan, wie es sich ziemt im Herrn. 19 Ihr Männer, liebet eure Frauen und seid nicht bitter gegen sie. 20 Ihr Kinder, gehorchet in allem euren Eltern; das ist wohlgefällig im Herrn. 21 Ihr Väter, verbittert eure Kinder nicht, damit sie nicht mutlos werden. 21: Die elterliche Autorität darf nicht aus Laune mißbraucht werden. Unverstandene und ungerecht behandelte Kinder werden verschüchtert oder verbittert. 22 Ihr Knechte, gehorchet in allem euren leiblichen Herrn, nicht mit Augendienerei, um Menschen zu gefallen, sondern in Einfalt des Herzens, in der Furcht Gottes. 23 Was ihr tut, das tut von Herzen als Dienst für den Herrn, nicht für Menschen. 24 Ihr wißt ja, daß ihr vom Herrn zum Lohne das Erbe empfanget. Dienet Christus, dem Herrn. 25 Wer unrecht tut, wird empfangen, was er verschuldet hat. Es gilt kein Ansehen der Person.
4 1 Ihr Herren, erweiset euren Knechten, was recht und billig ist. Bedenket, daß auch ihr einen Herrn im Himmel habt.
Mahnung zum Gebet. 2 Seid beharrlich im Gebete; wachet darin mit Danksagung. 3 Betet auch für uns, daß Gott uns eine Tür für die Predigt öffne, zu verkünden das Geheimnis Christi — um dessentwillen ich ein Gefangener bin —, 4 damit ich es verkünde, wie es meine Pflicht ist zu reden. 5 Seid weise im Verkehr mit Außenstehenden. Erkaufet die Zeit. 5: Vor denen, die draußen sind, nicht zur Kirche gehören, soll man unklugen und unzeitigen Eifer vermeiden. 6 Eure Rede sei allezeit freundlich, mit Salz gewürzt, so daß ihr wißt, was ihr einem jeden antworten sollt. 6: Das Reden des Christen soll Weisheit mit Kraft, herzgewinnende Anmut mit gesunder, durchdringender Schärfe („Salz“) vereinigen. Süßliches Getue ist zuwider. Jedem wird bei der Taufe „das Salz der Weisheit“ gereicht, damit „es allzeit ihm bleibe“.
Gruß und Segen
7 Wie es mir geht, das wird euch alles Tychikus erzählen, der vielgeliebte Bruder, der treue Diener und Mitknecht im Herrn. 8 Ihn schicke ich zu euch zu dem Zwecke, daß ihr erfahret, wie es um uns steht, und daß er eure Herzen tröste. 9 Ihn begleitet Onesimus, der vielgeliebte und treue Bruder, euer Landsmann. Alles, was hier vorgeht, werden sie euch berichten. 10 Es grüßt euch Aristarch, mein Mitgefangener, und Markus der Vetter des Barnabas — betreff seiner habt ihr Aufträge erhalten; wenn er zu euch kommt, nehmt ihn auf —, 11 ferner Jesus, genannt Justus. Von denen aus dem Judentum sind diese allein als meine Mitarbeiter am Reiche Gottes mir zum Trost geworden. 12 Es grüßt euch Epaphras, euer Landsmann, ein Diener Christi Jesu. Er ringt allezeit für euch im Gebete, daß ihr vollkommen dastehet, ganz erfüllt von allem, was Gottes Wille ist. 13 Ich gebe ihm das Zeugnis, daß er sich viel Mühe gibt um euch sowie um die (Brüder) in Laodizea und Hierapolis. 14 Es grüßt euch Lukas, der geliebte Arzt, und Demas. 15 Grüßet die Brüder in Laodizea und den Nymphas und die Gemeinde in seinem Hause. 14-15: Laodizea und Hierapolis sind Nachbarstädte von Kolossä. Ob Nymphas als Name eines Christen oder aber Nympha als Name einer Christin zu lesen ist, steht nicht fest. 16 Wenn dieser Brief bei euch vorgelesen ist, dann sorgt, daß er auch in der Gemeinde zu Laodizea vorgelesen werde und daß ihr den von Laodizea zu lesen bekommt. 17 Sagt dem Archippus: Achte darauf, daß du das Amt, das du im Herrn empfangen hast, gut verwaltest. 17: Der hier erwähnte Brief an die Gemeinde von Laodizea ist uns verlorengegangen, wenn es nicht etwa der Epheserbrief ist. 18 Nun mein, des Paulus, eigenhändiger Gruß. Gedenket meiner Fesseln. Die Gnade sei mit euch! [Amen.]
Der erste Brief an die Thessalonicher
Einleitung
Auf seiner zweiten Missionsreise kam der heilige Paulus nach Thessalonich, einer bedeutenden Handelsstadt in Mazedonien, heute Saloniki. Es gelang ihm, eine große Anzahl von Gläubigen zu gewinnen, besonders Heiden. Infolge einer Hetze von seiten der Juden mußte er die Stadt verlassen und ging nach Beröa und Athen (Apg 17,1-10). Von dort sandte er den Timotheus nach Thessalonich. Nach einigen Wochen kam dieser zurück und erstattete dem Apostel Bericht über die Verhältnisse der jungen Christengemeinde. Daraufhin (ums Jahr 51/52) schrieb Paulus von Korinth her ihnen einen Brief, worin er seine Freude ausdrückt über den guten Zustand der Gemeinde und seine Sehnsucht nach ihr (1,1-3,13). Dann belehrt er sie über die Wiederkunft Christi und ermahnt sie zu einem wahrhaft christlichen Lebenswandel (4,1-5,28). Zeitlich steht dieser Brief an erster Stelle unter den Paulusbriefen.
1 Eingang. 1 Paulus, Silvanus und Timotheus an die Gemeinde der Thessalonicher, die da ist in Gott, dem Vater, und dem Herrn Jesus Christus. Gnade euch und Friede!
Beziehungen des Apostels zur Gemeinde
Danksagung
2 Wir danken Gott allezeit für euch alle, wenn wir euer in unseren Gebeten gedenken. 3 Unablässig erinnern wir uns an euren werktätigen Glauben, eure in Mühsalen bewährte Liebe und beharrliche Hoffnung auf unsern Herrn Jesus Christus vor unserm Gott und Vater. 4 Wir sind überzeugt von eurer Auserwählung, meine von Gott geliebten Brüder. 5 Denn unsere Heilsbotschaft erging an euch nicht in Worten allein, sondern auch in der Kraft, im Heiligen Geiste und in aller Zuversicht. Wisset ihr doch, wie wir unter euch um euretwillen aufgetreten sind. 6 Ihr seid unsere und des Herrn Nachahmer geworden, ihr habt das Wort unter vieler Trübsal aufgenommen mit Freude, wie der Heilige Geist sie schenkt. 7 So seid ihr ein Vorbild geworden für alle Gläubigen in Mazedonien und Achaja. 8 Denn von euch aus erscholl das Wort des Herrn nicht bloß in Mazedonien und Achaja, sondern überall ist euer Glaube an Gott kundgeworden, so daß wir nicht nötig haben, etwas davon zu sagen. 9 Die Leute selbst erzählen ja von uns, welche Aufnahme wir bei euch gefunden und wie ihr euch von den Götzen zu Gott bekehrt habt, um dem lebendigen und wahren Gott zu dienen 10 und seinen Sohn vom Himmel her zu erwarten, den er von den Toten auferweckt hat, Jesus nämlich, der uns errettet von dem künftigen Zorne.
Sein erster Aufenthalt in Thessalonich
2 1 Brüder! Ihr wißt selbst, daß unser Auftreten bei euch nicht kraftlos war. 2 Vielmehr faßten wir trotz der vorher — wie ihr wißt — in Philippi erduldeten Leiden und Mißhandlungen im Vertrauen auf unsern Gott den Mut, bei euch die Frohbotschaft zu verkünden in heißem Bemühen.
Mühsale des Apostels. 3 Unsere Predigt entsprang nicht aus trügerischer oder unlauterer Absicht oder Arglist. 4 Vielmehr reden wir so, wie wir von Gott gewürdigt wurden, mit der Heilsverkündigung betraut zu werden; nicht um Menschen zu gefallen, sondern Gott, der unser Herz durchschaut. 5 Denn niemals traten wir mit Schmeichelreden auf, wie ihr wißt, noch mit versteckter Habsucht — Gott ist Zeuge! 6 Nie suchten wir Ehre von Menschen, weder von euch noch von anderen. 7 Obgleich wir als Apostel Christi unser Ansehen hätten geltend machen können, sind wir in zärtlicher Liebe unter euch aufgetreten, wie wenn eine Mutter ihre Kindlein am Busen hegt. 7: Im Lateinischen lautet der Vers: „Obgleich wir als Apostel euch hätten zur Last fallen können, sind wir wie Kinder unter euch gewesen, wie wenn eine Mutter ihr Kindlein hegt.“ 8 So hingen wir voll Sehnsucht an euch und verlangten, euch nicht nur die Heilsbotschaft Gottes zu bringen, sondern selbst unser Leben hinzugeben — so lieb waret ihr uns geworden. 9 Ihr erinnert euch gewiß, meine Brüder, an unsere Mühe und Plage; um keinem von euch beschwerlich zu fallen, haben wir Tag und Nacht gearbeitet, als wir euch die Heilsbotschaft Gottes verkündeten. 9: Bei den alten Griechen und Römern war die Handarbeit verachtet; jene, die körperliche Arbeit verrichten, so sagte man, haben eine niedrige Beschäftigung, und die Werkstatt sei kein anständiger Platz für einen freien Menschen. Anders denkt der heilige Paulus, der sich in saurer Arbeit als Zeltmacher selbst das tägliche Brot verdient und freiwillig auf den standesgemäßen Unterhalt seitens der Gemeinde verzichtet. 10 Ihr und Gott seid Zeugen, wie lauter und gerecht und untadelhaft wir uns gegen euch, die Gläubigen, verhalten haben. 11 Ihr wißt doch, wie wir jeden einzelnen von euch wie ein Vater seine Kinder 12 ermahnt, aufgemuntert und beschworen haben, würdig zu wandeln des Gottes, der euch zu seinem Reich und zu seiner Herrlichkeit berufen hat.
Freude über die guten Nachrichten. 13 Darum danken wir auch Gott ohne Unterlaß dafür, daß ihr die Predigt der Heilsbotschaft Gottes, die ihr von uns empfinget, aufgenommen habt, nicht als Menschenwort, sondern als das, was sie in Wahrheit ist, als Gotteswort, das sich ja auch wirksam erweist in euch, die ihr gläubig geworden seid. 14 Ihr seid ja, meine Brüder, Nachahmer geworden der Gemeinden Gottes, die in Judäa sind in Christus Jesus; denn ihr habt von euren Landsleuten dasselbe erdulden müssen, was jene von den Juden. 15 Diese haben sogar den Herrn Jesus und die Propheten getötet und uns verfolgt. Sie mißfallen Gott und sind allen Menschen feind. 15: Auch Tacitus sagt, die Juden seien „von feindseliger Gesinnung gegen alle“. 16 Sie wollen uns wehren, den Heiden zu predigen, daß sie des Heiles teilhaftig werden. So häufen sie immerfort Sünde auf Sünde. Aber schon ist Gottes Zorn über sie gekommen in vollem Maße.
Sehnsucht nach der Gemeinde. 17 Meine Brüder! Als wir verwaist und ferne von euch waren auf eine kurze Weile dem Angesichte, nicht dem Herzen nach, da strebten wir um so eifriger mit heißem Verlangen, euer Angesicht zu sehen. 18 Darum entschlossen wir uns, zu euch zu kommen, ich, Paulus, einmal, mehr als einmal. Aber der Satan hat uns gehindert. 18: Wahrscheinlich waren es Juden in Thessalonich, die als Helfershelfer Satans zu verhindern wußten, daß Paulus dorthin kam. 19 Denn wer ist unsere Hoffnung, unsere Freude, unsere Ehrenkrone, wenn nicht auch ihr es seid vor unserem Herrn Jesus [Christus] bei seiner Wiederkunft? 20 Ja, ihr seid unsere Ehre und Freude.
3 1 Da wir es nicht länger ertragen konnten, fanden wir für gut, allein in Athen zu bleiben. 2 Wir entsandten den Timotheus, unseren Bruder und Gottes Diener in der Heilsverkündigung Christi, um euch in eurem Glauben zu stärken und zu ermahnen, 3 damit keiner in dieser Trübsal wankend werde. Ihr wißt ja selbst, daß wir dazu bestimmt sind. 4 Haben wir es euch doch schon, als wir bei euch waren, vorausgesagt, daß wir Trübsale leiden müssen. So ist es nun auch gekommen, ihr wißt es. 4: Vgl. Jo 15,18-21; 16,1-4. 5 Ich konnte es also nicht länger ertragen und sandte ihn, um über euren Glauben Nachricht zu erhalten, ob nicht etwa der Versucher euch versucht habe und unsere Arbeit zunichte werden sollte. 6 Nun aber ist Timotheus von euch zu uns zurückgekehrt und konnte uns gute Botschaft bringen über euren Glauben und eure Liebe, und daß ihr uns allezeit in gutem Andenken bewahret, daß ihr euch danach sehnt, uns zu sehen, wie auch wir euch. 7 Darum, liebe Brüder, sind wir bei all unserer Not und Trübsal über euch getröstet durch euren Glauben. 8 Nun leben wir wieder auf, wenn ihr feststehet im Herrn.
Gebet des Apostels für die Gemeinde. 9 Wie können wir Gott euretwegen genug danken ob all der Freude, die wir an euch erleben vor unserem Gott? 10 Tag und Nacht flehen wir inständig, daß wir euch von Angesicht sehen und das ergänzen dürfen, was eurem Glauben noch fehlt. 11 Gott selbst, unser Vater, und unser Herr Jesus [Christus] ebne uns den Weg zu euch. 12 Euch aber lasse der Herr wachsen und zunehmen in der Liebe zueinander und zu allen Menschen, wie auch wir sie haben zu euch. 13 Ja, er möge eure Herzen kräftigen, daß ihr untadelhaft und heilig seiet vor Gott, unserem Vater bei der Wiederkunft unseres Herrn Jesus [Christus] mit allen seinen Heiligen. [Amen.] 7-13: Die Stelle beweist uns, wie groß die innere Anteilnahme des Apostels am Geschick seiner geistlichen Kinder, vor allem an ihrem Wachstum im Glauben war.
Mahnungen und Belehrungen
Mahnung zur Heiligung
4 1 Endlich, meine Brüder, bitten und ermahnen wir euch im Herrn Jesus: Wie ihr von uns unterrichtet worden seid zu wandeln und Gott zu gefallen — ihr wandelt ja auch so —, macht darin immer weitere Fortschritte. 2 Ihr wißt ja, welche Vorschriften ich euch gegeben habe im Auftrage des Herrn Jesus. 3 Denn das ist der Wille Gottes: eure Heiligung, daß ihr euch von der Unzucht enthaltet. 4 Ein jeder soll seine Gattin besitzen in Heiligkeit und Ehrbarkeit, 5 nicht in leidenschaftlicher Lust, so wie die Heiden, welche Gott nicht kennen. 4: Paulus mahnt, lieber eine zu gegenseitiger Heiligung dienende und sittlicher Würde bewahrte Ehe einzugehen, als sich der Unzucht zu ergeben. Um die Keuschheit und Reinheit der Ehe stand es besonders schlimm im Heidentum jener Zeit. 6 Keiner soll sich Übergriffe erlauben oder seinen Bruder im Geschäfte übervorteilen. Der Herr ist ein Rächer von all diesem; wir haben es euch ja schon früher gesagt und bezeugt. 7 Gott hat uns ja nicht zu einem Sündenleben, sondern zur Heiligkeit berufen. 8 Wer also diese Mahnungen mißachtet, der verachtet nicht einen Menschen, sondern Gott, der euch seinen Heiligen Geist verleiht. 7-8: Wie schon Vers 3 es einschärfte, ist das Streben nach Heiligkeit nicht ein bloßer Rat für einzelne, sondern sittliche Pflicht für jeden Christen.
Mahnung zur Nächstenliebe
9 Wegen der Bruderliebe brauchen wir euch nicht zu schreiben. Ihr seid ja selbst von Gott belehrt, daß ihr einander lieben sollt. 10 Ihr übet das ja auch an allen Brüdern in ganz Mazedonien. Wir ermahnen euch aber, Brüder, wachset darin mehr und mehr. 11 Setzet eure Ehre darein, ein stilles Leben zu führen, eure eigenen Angelegenheiten zu besorgen und eurer Hände Arbeit zu verrichten. So haben wir euch angewiesen, 12 und so wandelt ihr ehrbar vor den Außenstehenden und braucht von keinem etwas zu begehren.
Über die Auferstehung der Toten
13 Meine Brüder! Wir wollen euch nicht in Ungewißheit lassen über die Entschlafenen, damit ihr nicht trauert wie die andern, die keine Hoffnung haben. 13: Jesus als Mittler der Erlösung ist auch Vermittler der vollendeten Frucht der Erlösung, der Auferstehung. 14 Wenn Jesus, wie wir glauben, gestorben und auferstanden ist, so wird Gott auch die Entschlafenen durch Jesus herbeiführen mit ihm. 15 Denn das sagen wir euch als ein Wort des Herrn: Wir, die wir noch leben und übrigbleiben bis zur Ankunft des Herrn, wir werden den Entschlafenen nicht zuvorkommen. 16 Denn der Herr selbst wird, wenn der Befehlsruf ergeht, bei der Stimme des Erzengels, beim Schalle der Posaune Gottes, vom Himmel herabkommen. Und die Toten, die in Christus ruhen, werden zuerst auferstehen. 14-16: Die Thessalonicher waren in Sorge, ihre Toten seien bei der Wiederkunft Christi benachteiligt. Diese Sorge behebt der Apostel, ohne über Zeitpunkt des Gerichtes bestimmte Angaben zu machen. 17 Dann werden wir, die noch leben und übrig sind, zugleich mit ihnen entrückt werden auf Wolken, dem Herrn entgegen in die Luft. Und dann werden wir bei dem Herrn sein allezeit. 18 So tröstet denn einander mit diesen Worten.
5 Bereitschaft auf das Kommen des Herrn. 1 Meine Brüder! Über die Zeit und die Stunde brauchen wir euch nicht zu schreiben. 2 Ihr selbst wißt ja genau, daß der Tag des Herrn kommen wird wie ein Dieb in der Nacht. 3 Denn wenn sie reden von Friede und Sicherheit, dann kommt das Verderben plötzlich über sie wie die Wehen über die hoffende Mutter, und sie werden nicht entkommen. 4 Ihr aber, meine Brüder lebet nicht in Finsternis, so daß jener Tag euch überraschen würde wie ein Dieb. 5 Ihr alle seid ja Kinder des Lichts und Kinder des Tages; nicht der Nacht gehören wir an, nicht der Finsternis. 6 Also laßt uns nicht schlafen wie die andern, sondern wachen und nüchtern sein. 6 Der natürliche Schlaf ist das Bild der Sorglosigkeit, die Trunkenheit das Bild der Gedankenlosigkeit und geistigen Betäubung in Sachen des Heils. 7 Wer schläft, schläft des Nachts, wer trunken ist, ist des Nachts trunken. 8 Wir aber gehören dem Tage an und wollen deshalb nüchtern sein. Anlegen wollen wir den Panzer des Glaubens und der Liebe und den Helm der Hoffnung auf das Heil. 9 Denn Gott hat uns nicht zum Zorne bestimmt, sondern zur Erlangung des Heils durch unseren Herrn Jesus Christus. 10 Er ist ja für uns gestorben, damit wir allesamt mit ihm leben, wir mögen wachen oder schlafen. 11 Darum tröstet einander und erbauet einer den andern, wie ihr es ja schon tut.
Das Ideal des christlichen Lebens
12 Meine Brüder! Wir bitten euch, daß ihr jenen Anerkennung zollt, die unter euch arbeiten und euch im Herrn vorstehen und euch ermahnen. 13 Liebet und schätzet sie besonders um ihrer Arbeit willen. Lebet in Frieden miteinander. 14 Wir ermahnen euch, liebe Brüder, weiset die Unordentlichen zurecht, ermutigt die Kleinmütigen, nehmet euch der Schwachen an, habet Nachsicht mit allen. 15 Sehet zu, daß nicht einer dem andern Böses mit Bösem vergelte, sondern befleißigt euch allezeit des Guten gegeneinander und gegen jedermann. 16 Freuet euch allezeit. 17 Betet ohne Unterlaß. 17: Der heilige Augustinus sagt: „Betet ohne Unterlaß, was heißt das anders als: verlanget ohne Unterlaß das ewige Leben von demjenigen, der allein es zu geben vermag?“ Wir sollen alle Arbeiten, Freuden und Leiden Gott aufopfern. Der Gebetsgeist muß in uns leben, auch wenn wir wegen der Arbeit keine besonderen Gebete verrichten können. Dann wird die Arbeit als Gottesdienst zum Gebet. 18 Saget Dank bei allem. Denn das ist der Wille Gottes in Christus Jesus an euch [allen]. 19 Den Geist löschet nicht aus. 20 Prophetengabe verachtet nicht. 21 Prüfet alles, das Gute behaltet. 21: Nicht alles ist echt, was äußerlich wie besondere Begnadigung aussieht. 22 Meidet jeden Schein des Bösen.
23 Er aber, der Gott des Friedens, heilige euch ganz und gar, auf daß euer Geist, eure Seele und euer Leib völlig untadelhaft erhalten sei bei der Ankunft unseres Herrn Jesus Christus. 24 Treu ist, der euch berufen hat; er wird es auch zu Ende führen. 24: Gott tut seine Werke nie nur halb, wenn nicht der schlechte Wille des Menschen ihn hindert.
Schluß. 25 Liebe Brüder! Betet für uns. 26 Grüßet alle Brüder mit heiligem Kusse. 27 Ich beschwöre euch beim Herrn, daß dieser Brief allen [heiligen] Brüdern vorgelesen werde. 28 Die Gnade unseres Herrn Jesus Christus sei mit euch! [Amen.]
Der zweite Brief an die Thessalonicher
Einleitung
Wohl noch im gleichen Jahre, in dem der erste Brief an die Thessalonicher abgesandt worden war, sah sich Paulus veranlaßt, ein zweites Schreiben an diese Gemeinde zu richten. Die Verfolgung dauerte an und steigerte die Sehnsucht der Christen nach der Wiederkunft des Herrn zum Gerichte. Einige Wendungen im ersten Briefe waren dahin mißverstanden worden, das Weltende stehe unmittelbar bevor. Ein gefälschtes Schreiben des Apostels scheint diese Auffassung bestärkt zu haben (2,2). Die Folge war eine wachsende Unsicherheit bei den einen, Müßiggang und adventistische Schwärmerei bei den andern. Deshalb trat Paulus der Mißdeutung seiner Worte und dem Unfug der Arbeitsscheuen in einem neuen Schreiben entschieden entgegen. Daher der schärfere Ton im zweiten Briefe, der sonst engste Verwandtschaft mit dem ersten aufweist. Er ist ebenfalls in Korinth geschrieben worden.
1 1 Paulus, Silvanus und Timotheus an die Gemeinde zu Thessalonich, die da ist in Gott, unserem Vater, und dem Herrn Jesus Christus. 2 Gnade euch und Friede von Gott, dem Vater, und dem Herrn Jesus Christus.
Über den Zustand der Gemeinde
Lob der Gemeinde. 3 Danksagen müssen wir Gott allezeit um euretwillen, liebe Brüder. Das gebührt sich, denn euer Glaube wächst überreich, und die gegenseitige Liebe eines jeden von euch mehrt sich überaus. 4 Deshalb dürfen wir selbst uns euer rühmen bei den Gemeinden Gottes wegen eurer Ausdauer und eures Glaubens in allen euren Verfolgungen und in den Trübsalen, die ihr auszuhalten habt. 5 Sehet darin einen Erweis des gerechten Gerichtes Gottes, daß ihr würdig erachtet werdet des Reiches Gottes, für welches ihr ja leidet. 6 Denn es entspricht der Gerechtigkeit Gottes, daß er euren Bedrängern mit Bedrängnis vergelte, 7 euch aber, den Bedrängten, samt uns mit Erquickung, wenn der Herr Jesus vom Himmel her sich offenbaren wird mit seinem Engelheere 8 in Feuerflammen, wenn er Rache nimmt an denen, die Gott nicht kennen wollen, und die nicht gehorchen der Heilsbotschaft unseres Herrn Jesus [Christus]. 9 Diese werden mit ewigem Verderben büßen, getrennt vom Herrn und von seiner überwältigenden Herrlichkeit, 10 wenn er kommen wird an jenem Tage, um verherrlicht zu werden in seinen Heiligen und gefeiert zu werden unter allen Gläubigen, weil bei euch unser Zeugnis Glauben gefunden hat. 4-10: Der Anschluß an Christus sichert uns nicht vor irdischem Leid, gibt aber Leidenskraft im Hinblick auf die ewige Vergeltung. 11 Darum beten wir auch allezeit für euch, daß unser Gott euch der Berufung würdig erachte und eure Freude zu allem Guten und euer Glaubenswerk in Kraft vollende. 12 Dann wird der Name unseres Herrn Jesus [Christus] verherrlicht werden in euch und ihr in ihm, nach der Gnade unseres Gottes, des Herrn Jesus Christus.
Belehrung über die Wiederkunft des Herrn
2 Die Wiederkunft ist unbestimmbar. 1 Liebe Brüder! Wegen der Ankunft unseres Herrn Jesus Christus und unserer Vereinigung mit ihm bitten wir euch: 2 Laßt euch nicht so leicht die Besonnenheit rauben und außer Fassung bringen, weder durch eine angebliche Geistesoffenbarung noch durch solch ein Wort oder einen Brief unter unserem Namen, als ob der Tag des Herrn schon angebrochen sei. 3 Laßt euch von niemand in irgendeiner Weise täuschen. Zuvor muß der Abfall kommen und der Mensch der Sünde geoffenbart werden, der Sohn des Verderbens, 4 der Widersacher, der sich erhebt über alles, was Gott und Heiligtum heißt, der sich selbst in den Tempel Gottes setzt und sich für Gott ausgibt. 2-4: Weder durch falsche Propheten noch durch fälschlich dem Apostel zugeschriebene Äußerungen sollen die Gläubigen sich täuschen lassen. Als Vorzeichen der Wiederkunft Christi nennt Paulus: großen Abfall und das Erscheinen des „Antichrists“. 5 Erinnert ihr euch nicht, daß ich euch das sagte, als ich noch bei euch war? 6 Jetzt wißt ihr auch, was ihn aufhält, bis er offenbar werden soll zu seiner Zeit. 7 Denn das Geheimnis der Bosheit ist schon am Werke; nur muß erst der aus dem Weg geräumt sein, der es bis jetzt aufhält. 6-7: Wen der Apostel mit dem meint, der „aufhält“, können wir nicht bestimmt sagen; er beruft sich ja auf seine frühere mündliche Belehrung. Wahrscheinlich denkt er vor allem an den Christushaß der Juden und heidnischen Christenverfolger. 8 Dann wird jener Gottlose offenbar werden. Ihn wird der Herr Jesus töten mit dem Hauche seines Mundes und vernichten durch den Glanz seiner Wiederkunft. 9 Sein Auftreten geschieht mit Teufelskraft unter allen möglichen Trugzeichen und Lügenwundern 10 und mit allerlei Verführung zur Bosheit bei denen, welche verlorengehen, weil sie die Liebe zur Wahrheit nicht angenommen haben, um gerettet zu werden. 11 Darum wird Gott ihnen einen starken Irrwahn schicken, daß sie der Lüge glauben. 12 Und so verfallen alle dem Gerichte, die der Wahrheit nicht geglaubt, sondern an der Ungerechtigkeit Gefallen gehabt haben. 13 Wir aber müssen Gott allezeit danken um euretwillen, vom Herrn geliebte Brüder, daß Gott euch als Erstlinge zur Seligkeit erwählt hat in Heiligung durch den Geist und im Glauben an die Wahrheit. 14 Dazu hat euch Gott berufen durch unsere Heilsverkündigung, damit ihr Anteil habet an der Herrlichkeit unseres Herrn Jesus Christus. 15 So steht denn fest, liebe Brüder, und haltet euch an die Überlieferungen, die ihr durch Wort oder Schrift von uns empfangen habt. 15: Hier wird das geschriebene Gotteswort gleichwertig neben die apostolische Predigt gestellt. 16 Er aber, unser Herr Jesus Christus, und Gott, unser Vater, der uns geliebt und ewigen Trost und gute Hoffnung in Gnade gegeben hat, 17 er ermuntere eure Herzen und stärke sie zu jedem guten Werk und Wort.
Mahnungen
3 Gebet für den Apostel. 1 Endlich, meine Brüder, betet für uns, daß das Wort des Herrn sich in schnellem Lauf ausbreite und herrlich sich offenbare, so wie bei euch, 2 und daß wir befreit werden von den gottlosen und bösen Menschen. Denn nicht alle sind für den Glauben empfänglich. 3 Aber der Herr ist getreu, der euch befestigen und vor dem Bösen bewahren wird. 4 Im Herrn haben wir auch das Zutrauen zu euch, daß ihr tut und tun werdet, was wir euch gebieten. 5 Der Herr lenke eure Herzen zur Liebe Gottes und zur Geduld Christi.
Warnung vor Müßiggang. 6 Wir gebieten euch aber, Brüder, im Namen unseres Herrn Jesus Christus, daß ihr euch zurückziehet von jedem Bruder, der einen unordentlichen Lebenswandel führt und sich nicht an die Lehren hält, die er von uns empfangen hat. 7 Ihr wißt ja selbst, wie ihr uns nachfolgen sollt. Wir haben unter euch keinen unordentlichen Wandel geführt; 8 auch haben wir nicht umsonst jemandes Brot gegessen, sondern gearbeitet in Müh und Plage Tag und Nacht, um niemand von euch zur Last zu fallen. 9 Gewiß hätten wir Anspruch darauf gehabt, aber wir wollten euch ein Vorbild geben an uns, damit ihr uns nachahmet. 10 Denn als wir bei euch waren, haben wir dies euch geboten: Wer nicht arbeiten will, soll auch nicht essen. 11 Nun haben wir gehört, daß einige unter euch einen unordentlichen Lebenswandel führen, nichts arbeiten, sondern sich herumtreiben. 12 Solchen Leuten befehlen wir streng im Herrn Jesus Christus, sie sollen still ihre Arbeit tun und ihr selbstverdientes Brot essen. 13 Ihr aber, liebe Brüder, werdet nicht müde, Gutes zu tun. 14 Wenn einer unseren brieflichen Anordnungen nicht gehorcht, den merkt euch und habt keine Gemeinschaft mit ihm, damit er beschämt werde. 15 Aber behandelt ihn nicht als Feind, sondern weist ihn zurecht als Bruder. 6-15: Mit der vollen Autorität des Gesandten Christi schärft Paulus das Gebot der Arbeit ein. Sie ist sittliche Pflicht, ob Geistes- oder Handarbeit. Sein eigener freiwilliger Verzicht auf „Gehalt“ gab dem Gebot besonderen Nachdruck.
16 Er aber, der Herr des Friedens, gebe euch den Frieden immerdar auf jede Weise. Der Herr sei mit euch allen!
Eigenhändiger Gruß. 17 Hier mein, des Paulus, eigenhändiger Gruß! Das ist das Erkennungszeichen in jedem Briefe; so schreibe ich. 17: Der in Umlauf gesetzte gefälschte Brief war wohl Anlaß zu diesem Hinweis auf die Eigenart seiner Unterschrift. 18 Die Gnade unseres Herrn Jesus Christus sei mit euch allen. [Amen.]
Der Brief an die Epheser
Einleitung
Die Briefe an die Epheser, Kolosser, Philipper und an Philemon wurden alle während der ersten Gefangenschaft des heiligen Paulus in Rom (61-63) geschrieben. Sie tragen deshalb die Bezeichnung „Gefangenschaftsbriefe“. Der im heutigen Kanon an erster Stelle stehende Epheserbrief ist nicht an die Einzelgemeinde von Ephesus gerichtet, in der Paulus drei Jahre gewirkt hat, während der Brief kein näheres persönliches Verhältnis zu den Lesern verrät. Wenn wir ihn nicht für den Kol 4,16 erwähnten Brief an die Gemeinde von Laodizea halten wollen, der dann später nach der Metropole Ephesus benannt wurde, ist der Epheserbrief wohl ein Rundschreiben an mehrere Gemeinden im Hinterland von Ephesus. Der Apostel will die Gläubigen gegen die drohenden Gefahren wappnen. Er zeigt ihnen die Herrlichkeit des Erlösungsgeheimnisses und der göttlichen Heilsanstalt, der Kirche, des mystischen Christusleibes (1-3). Dann ruft er sie zu einem echt christlichen Lebenswandel auf (4-6). Die wichtige Wahrheit, daß es nur innerhalb der Kirche ein wahres Christentum geben kann, wird in diesem Brief mit apostolischer Autorität verkündet für alle Zeiten.
1 1 Paulus, Apostel Jesu Christi durch den Willen Gottes, an die Heiligen zu Ephesus, die Gläubigen in Christus Jesus. 1: Die Worte „zu Ephesus“ fehlen in vielen alten Textzeugen. 2 Gnade euch und Friede von Gott unserem Vater und dem Herrn Jesus Christus.
Zum Höchsten hat uns Gott berufen
Das Heil und die Gemeinde
Lobpreis. 3 Preiswürdig ist der Gott und Vater unseres Herrn Jesus Christus, der uns in Christus gesegnet hat mit allem geistlichen Segen vom Himmel aus. 4 In ihm hat er uns ja auserwählt vor Grundlegung der Welt, daß wir heilig und untadelhaft vor ihm seien. 5 In Liebe hat er uns vorherbestimmt, daß wir in ein Kindesverhältnis zu ihm treten sollen durch Jesus Christus nach seinem gnädigen Willensentschluß, 6 zum Preise seiner herrlichen Gnade, mit der er uns begnadigt hat in dem Geliebten. 7 In ihm haben wir die Erlösung durch sein Blut, die Vergebung der Sünden nach dem Reichtum seiner Gnade, 8 die überreich uns zuteil geworden ist in aller Weisheit und Erkenntnis. 9 Denn er hat uns das Geheimnis seines Willens kundgetan. So hat es ihm nämlich gefallen, 10 und so hatte er es sich vorgenommen, um seinen Heilsplan zu verwirklichen in ihm in der Fülle der Zeiten: In Christus wollte er alles im Himmel und auf Erden wieder einheitlich zusammenfassen. 10: In Christus sollte nicht nur alles „erneuert“ werden. Er ist nach Gottes ewigen Absichten der Inbegriff alles dessen, was Gott je für seine Geschöpfe tat, das A und Z, der Anfang und das Ende. 11 In ihm sind wir auch zu Erben berufen, wir, die wir vorausbestimmt wurden nach dem Vorsatze dessen, der alles wirkt nach dem Ratschlusse seines Willens. 12 So sollten wir zum Lobe seiner Herrlichkeit dienen, nachdem wir zuvor unsere Hoffnung gesetzt haben auf Christus. 13 In ihm seid auch ihr, nachdem ihr das Wort der Wahrheit, die Frohbotschaft eures Heils, gehört habt und gläubig geworden seid, besiegelt durch den verheißenen Heiligen Geist. 14 Dieser ist das Angeld unseres Erbes zur Erlösung seines Eigentums, zum Lobe seiner Herrlichkeit. 3-14: In einem herrlichen Hymnus besingt der Apostel den göttlichen Heilsplan und seine Verwirklichung. Von Ewigkeit her bestand der Ratschluß des Vaters, uns als seine Kinder anzunehmen (3-6). Sein menschgewordener Sohn vollbrachte die große Heilstat (7-12). Der Geist Gottes vollendet sie bis zum Antritt des ewigen Erbes (13‑14). Alles „zum Lobe seiner Herrlichkeit“! (6,12. 14.)
Fürbitte für die Gemeinde um Erkenntnis des Heils. 15 Seitdem ich also von eurem Glauben in der Gemeinschaft mit dem Herrn Jesus und von eurer Liebe zu allen Heiligen gehört habe, 16 danke ich unaufhörlich für euch und lasse nicht nach, in meinen Gebeten euer zu gedenken. 17 Ich bete, daß der Gott unseres Herrn Jesus Christus, der Vater der Herrlichkeit, euch den Geist der Weisheit und Offenbarung gebe, ihn recht zu erkennen. 18 Er erleuchte die Augen eures Herzens, damit ihr einsehet, zu was für einer Hoffnung ihr berufen seid und wie reich sein herrliches Erbe unter den Heiligen ist. 19 Auch möget ihr erfahren die überschwengliche Größe seiner Macht über uns, die wir glauben, einer Macht, die zu messen ist an seiner gewaltigen Stärke. 17-19: Nicht um irdische Gaben fleht der Apostel, sondern um das Höchste, was Gott zu geben vermag, den Geist der Weisheit und Offenbarung. 20 Diese hat er an Christus kundgetan, da er ihn von den Toten erweckt und zu seiner Rechten im Himmel gesetzt hat. 21 Dort thront er nun hoch über aller Herrschaft, Gewalt, Macht und Kraft und über jedem Namen, der in dieser und der zukünftigen Welt genannt wird. 22 Alles hat er unter seine Füße gelegt, ihn aber hat er seiner Kirche zum alles überragenden Haupt gegeben; 23 ist diese doch sein Leib, die höchste Vollendung dessen, der alles in allem vollendet. 20-23: Der im Himmel thronende Christus ist uns nicht fern und fremd. Er bildet mit uns als unser Haupt und wir mit ihm als seine Glieder eine geheimnisvolle Wirklichkeit, den mystischen Christusleib, die Kirche. Erst in der Kirche erreicht Christus seine höchste Vollendung als gottmenschlicher Erlöser. Und wir sind nur als Glieder der Kirche in den alles erfüllenden Stromkreis des göttlichen Lebens einbezogen, der von ihm, dem Haupte, ausgeht. Der Satz: „Außer der Kirche kein Heil“ ist also keine Anmaßung, sondern eine Naturnotwendigkeit, das Lebensgesetz der Übernatur.
Christus Grund und Ziel des neuen Lebens
2 Gottes Erbarmen. 1 Auch ihr waret einst tot in euren Übertretungen und Sünden, 2 in denen ihr einst wandeltet nach der Weise dieser Welt, unter dem Einfluß des Fürsten, der Macht hat im Luftreich, des Geistes, der noch jetzt wirkt in den Söhnen des Ungehorsams. 2: Die Alten dachten sich das Luftreich zwischen Erde und Mond als Herrschaftsgebiet der Dämonen. 3 Auch wir alle wandelten einst unter ihnen in den Gelüsten unseres Fleisches, vollbrachten die Begierden des Fleisches und der Sinne und waren von Natur Kinder des Zornes wie die übrigen. 4 Gott aber, der reich ist an Erbarmen, hat in seiner übergroßen Liebe, mit der er uns geliebt, 5 uns, da wir in den Sünden tot waren, lebendig gemacht mit Christus. Aus Gnade also seid ihr gerettet. 6 Er hat uns mitauferweckt und mitversetzt in den Himmel in Christus Jesus. 6: Die Auferstehung Christi ist Grund, Vorbild und Bürgschaft unserer geistigen Wiederbelebung. Das ewige Leben beginnt in der Rechtfertigung und wird vollendet in der Auferstehung und Beseligung im Himmel. 7 So wollte er in der zukünftigen Zeit den überschwenglichen Reichtum seiner Gnade und Güte gegen uns in Christus Jesus erweisen. 8 Denn durch die Gnade seid ihr errettet mittels des Glaubens, und das nicht aus euch selbst — es ist Gottes Gabe —, 9 nicht aus Werken, damit sich keiner rühme. 10 Denn sein Gebilde sind wir, geschaffen in Christus Jesus zu guten Werken. Diese hat Gott zuvor bereitet, damit wir in ihnen wandeln. 1-10: Wie ein Toter nie aus sich selber ins Leben zurückkehrt, so vermag kein Sünder das verlorene Gnadenleben aus sich selbst wiederzuerlangen. Die Torheit der Lehre von der Selbsterlösung des Menschen ist hier ebenso klar dargelegt, wie die Größe der erbarmenden Gottesliebe gegen uns Sünder.
Vereinigung von Juden und Heiden in der Kirche. 11 Darum denket daran: dem Fleische nach waret ihr einst Heiden und wurdet Unbeschnittene genannt von den sogenannten Beschnittenen, die am Fleische mit Händen beschnitten sind. 12 In jener Zeit waret ihr ohne Christus, ausgeschlossen von der Gemeinschaft mit Israel, fremd dem Bunde der Verheißung; ihr lebtet ohne Hoffnung und ohne Gott in der Welt. 13 Nun aber seid ihr, die ihr einst ferne waret, in Christus Jesus nahegebracht worden durch das Blut Christi. 14 Denn er ist unser Friede, er hat aus beiden eins gemacht und die trennende Scheidewand, die Feindschaft, niedergerissen in seinem Fleische. 15 Er hat das Gesetz mit seinen Geboten und Satzungen außer Kraft gesetzt. Er stiftete Frieden, da er die zwei in seiner Person zu einem neuen Menschen umschuf. 16 Und die beiden versöhnte er in einem Leibe mit Gott durch das Kreuz, da er die Feindschaft in seiner eigenen Person tötete.
Durch Christus sind wir Hausgenossen Gottes. 17 Er kam und verkündete den Frieden euch, die ihr ferne waret, und Frieden denen, die nahe waren. 17: Jesus ist das Band zwischen Juden und Heiden (den „Nahen und Fernen“), die durch ihn zu einer Herde, einem Volke Gottes geeint werden sollen, ja zu einer einzigen mystischen Person, der Kirche. 18 Durch ihn haben wir beide Zutritt in einem Geiste zum Vater. 19 Also seid ihr nicht mehr Fremdlinge und Beisassen, sondern seid Mitbürger der Heiligen und Hausgenossen Gottes. 19: In den griechischen Städten hatten die Fremdlinge und die Beisassen, die sich außerhalb der Stadtmauern ansiedeln mußten, nicht die gleichen Rechte wie die Bürger. Im Reich Gottes aber haben alle Christen die gleichen Rechte und vollen Anteil an der Gnade Christi. 20 Ihr seid auferbaut auf dem Grunde der Apostel und Propheten; Christus Jesus selbst ist der Eckstein. 21 In ihm hat jeder Bau Halt und wächst empor zu einem heiligen Tempel im Herrn. 22 In ihm werdet auch ihr miterbaut zur Wohnung Gottes im Geiste.
Herrlichkeit des apostolischen Berufes
3 1 Deshalb bitte ich, Paulus, der Gefangene Christi Jesu, für euch Heiden. 2 Ihr habt gewiß gehört von der Mitteilung des Göttlichen Gnadenamtes, das mir für euch verliehen worden ist. 3 Durch Offenbarung ist mir das Geheimnis kundgemacht worden, wie ich es oben kurz beschrieben habe. 4 Daraus könnt ihr beim Lesen meine Einsicht in das Geheimnis Christi erkennen. 5 Dieses wurde in früheren Zeiten den Menschen nicht kundgemacht, wie es jetzt geoffenbart ist seinen heiligen Aposteln und Propheten durch den Geist. 6 Danach sollen die Heiden Miterben, Mitglieder und Mitteilnehmer sein an seiner Verheißung in Christus Jesus durch die Heilsverkündigung. 7 Ihr Diener bin ich geworden durch die Gabe der göttlichen Gnade, die mir durch sein machtvolles Wirken verliehen wurde. 8 Mir, dem allergeringsten von allen Heiligen, ward solche Gnade verliehen, unter den Heiden zu verkünden die unergründlichen Reichtümer Christi. 9 Allen soll ich klar machen, welches die Verwirklichung des Geheimnisses sei, das von Ewigkeit her verborgen gewesen in Gott, dem Schöpfer des Alls. 10 Aber jetzt soll den Mächten und Gewalten im Himmel durch die Kirche die überaus mannigfaltige Weisheit Gottes kund werden. 11 So war es Gottes Ratschluß von Ewigkeit her. Er hat ihn nun ausgeführt in Christus Jesus, unserem Herrn. 12 In ihm haben wir ja Zuversicht und vertrauensvollen Zutritt (zu Gott) durch den Glauben an ihn. 13 Darum bitte ich, daß ihr nicht mutlos werdet wegen der Drangsale, die ich für euch erdulde; sie gereichen euch zur Ehre. 1-13: Ohne das Gnadenwunder besonderer Offenbarung wäre der ehemalige Pharisäer und Kirchenverfolger Saulus niemals zur Erkenntnis des Christusgeheimnisses gelangt noch dessen Herold unter den Heiden geworden. So erhaben steht die Kirche da, daß sogar die Engel des Himmels erst in ihr die ganze Größe der göttlichen Weisheit erkennen, wie sie sich im Christusgeheimnis = im Erlösungsgeheimnis kundtut.
Gebet für die Gläubigen
14 So beuge ich denn meine Knie vor dem Vater [unseres Herrn Jesus Christus], 15 von welchem jegliche Gemeinschaft, die im Himmel und auf Erden einen Vater hat, ihren Namen empfängt. 15: Gott ist im höchsten Sinne Vater aller Engel und Menschen; sie sind seine Kinder, seine Familie. 16 Er möge euch nach dem Reichtum seiner Herrlichkeit verleihen, daß ihr durch seinen Geist mit Kraft gestärkt werdet im inneren Menschen. 17 Christus möge durch den Glauben in euren Herzen wohnen. Möget ihr in Liebe festgewurzelt und festgegründet sein, 18 um mit allen Heiligen zu erfassen die Breite und Länge, die Höhe und Tiefe (des göttlichen Heilsplanes); 19 dann werdet ihr erkennen die Liebe Christi, die alle Erkenntnis übersteigt, bis ihr erfüllt seid mit der ganzen Fülle Gottes. 20 Dem aber, der Macht hat, alles zu tun, überschwenglich mehr als wir bitten oder verstehen, nach der Kraft, die in uns wirksam ist — 21 ihm sei Ehre in der Kirche und in Christus Jesus für alle Geschlechter von Ewigkeit zu Ewigkeit! Amen. 14-21: Dieses ergreifende Gebet des Völkerapostels ist der Höhepunkt des gedankentiefen Briefes, es ist das Muster apostolischer Fürbitte. Nicht um Nebensächlichkeiten, nur um Wesenhaftes wird da gebetet.
Mahnungen an die Gemeinde
Bewahrung der Einigkeit
4 1 So ermahne ich euch denn, ich, der Gefangene im Herrn: Wandelt würdig der Berufung, zu der ihr berufen seid, 2 mit aller Demut und Sanftmut, in Langmut. Ertraget einander in Liebe. 3 Bestrebt euch, die Einheit des Geistes zu bewahren durch das Band des Friedens. 4 Ein Leib und ein Geist, wie ihr berufen seid zu einer Hoffnung eurer Berufung. 5 Ein Herr, ein Glaube, eine Taufe, 6 ein Gott und Vater aller, der da ist über allen und durch alle und in allen. 7 Einem jeden von uns ist die Gnade verliehen nach dem Maße, wie Christus sie ihm gegeben hat. 8 Darum heißt es: Er ist hinaufgestiegen zur Höhe, hat mit sich geführt die Gefangenen und Gaben ausgeteilt den Menschen (Ps 68,19). 9 Das Wort: „Er ist hinaufgestiegen“ — was bedeutet das anders, als daß er zuerst auch herabgestiegen ist auf die Erde hier unten? 10 Der herabstieg, er ist derselbe, der hinaufstieg über alle Himmel, damit er das All erfülle. 11 Und er bestellte die einen zu Aposteln, andere zu Propheten, andere zu Evangelisten, andere zu Hirten und Lehrern. 12 Sie sollen die Heiligen heranbilden zur Ausübung des Dienstes, zur Erbauung des Leibes Christi, 13 bis wir alle gelangen zur Einheit des Glaubens und der Erkenntnis des Sohnes Gottes, zur Mannesreife, zum Vollmaße des Alters Christi. 13: Gemeint ist eine geistige Altersreife, der Fortschritt im Verständnis des Glaubens bis zur Aufnahme der in Christus wohnenden Gnadenfülle. Da diese unermeßlich ist, darf es keinen Stillstand im religiösen Streben geben. 14 Wir sind dann nicht mehr unmündige Kinder, die sich von jedem Winde der Lehre, durch das Trugspiel der Menschen, durch Verführungskünste des Irrtums hin und her schaukeln und umhertreiben lassen. 15 Vielmehr sollen wir uns an die Wahrheit halten und in Liebe heranwachsen in allen Stücken, zu ihm hin, der das Haupt ist, Christus. 16 Von ihm aus wird der ganze Leib zusammengefügt und zusammengehalten durch jedes Gelenk, das da seinen Dienst zu verrichten hat je nach der Kraft, die jedem Einzelglied zugemessen ist. Und so geht das Wachstum des Leibes vor sich, bis er sich selbst auferbaut hat in Liebe. 16: Die Kirche ist ein lebendiger Organismus; der ganze Leib zieht seine Lebenskraft aus dem Haupte durch die in den Gliedern wirkende Liebe, 1-16: Die Erkenntnis des christlichen Lebensadels fordert christlichen Lebenswandel, vor allem die Übung der Gemeinschaftstugenden. Trotz der straffen Einheit herrscht in der Kirche keine Einerleiheit oder Gleichmacherei.
Wandelt als neue Menschen
Umwandlung des alten Menschen. 17 Das also sage ich und beschwöre euch im Herrn: Wandelt nicht mehr wie die Heiden, die nach ihrem verkehrten Sinne wandeln. 18 Sie sind verfinstert in ihrer Sinnesart, sind entfremdet dem Leben Gottes infolge der Unwissenheit, die in ihnen ist wegen der Verstocktheit ihres Herzens. 19 Abgestumpft sind sie, geben sich der Ausschweifung hin und frönen allen unreinen Lastern in unersättlicher Gier. 19: Das Laster nimmt dem Menschen die Lust am Geistigen. Der Lasterhafte vertiert. 20 So etwas habt ihr von Christus nicht gelernt, 21 vielmehr habt ihr von ihm gehört und seid durch ihn belehrt, wie ja in Jesus Wahrheit ist: 22 Ablegen sollt ihr den alten Menschen mit seinem früheren Wandel, der in seinen trügerischen Begierden zugrunde geht. 23 Erneuert euch vielmehr in eurer ganzen Gesinnung 24 und zieht an den neuen Menschen, der nach Gott geschaffen ist in wahrer Gerechtigkeit und Heiligkeit.
Warnung vor heidnischen Lastern. 25 Darum leget ab die Lüge und redet Wahrheit im gegenseitigen Verkehr, denn wir sind Glieder untereinander. 26 Zürnet ihr, so sündiget nicht; die Sonne gehe nicht unter über eurem Zorn (Ps 4, 5). 27 Gebt nicht Raum dem Teufel. 28 Wer gestohlen hat, stehle nicht mehr, sondern erwerbe sich durch die Arbeit seiner Hände ehrlichen Lohn, damit er auch dem Bedürftigen mitteilen kann. 29 Kein faules Gerede komme aus eurem Munde, sondern nur gutes, das, wo es immer nottut, zur Erbauung dient; damit es den Hörern Segen bringe. 30 Betrübet nicht den Heiligen Geist Gottes, in welchem ihr besiegelt seid für den Tag der Erlösung. 31 Alle Bitterkeit, aller Zorn und Groll, alles Lärmen und Lästern, ja alle Bosheit bleibe ferne von euch.
Pflege des Tugendlebens. 32 Seid gütig und barmherzig gegeneinander. Vergebet einander, wie auch Gott in Christus euch vergeben hat.
5 1 Werdet also Nachahmer Gottes als geliebte Kinder. 2 Wandelt in Liebe, wie auch Christus euch geliebt und sich selbst für uns hingegeben hat als Opfer, Gott zum lieblichen Wohlgeruch. 3 Unzucht und jede Art von Unreinigkeit oder Habsucht soll unter euch nicht einmal zum Gegenstand des Gesprächs gemacht werden, wie es Heiligen ziemt; 4 ebensowenig Gemeinheit, fades Geschwätz oder schlüpfriger Witz, Dinge, die sich nicht gehören; statt dessen vielmehr Danksagung! 3-4: Wo es nottut, müssen und dürfen auch solche Dinge besprochen werden; aber ein Christ wird sie nie leichtfertig in die Unterhaltung ziehen. Nicht der Prüderie, sondern dem feinen Ehrgefühl und der Schamhaftigkeit redet Paulus das Wort. 5 Denn das merkt euch wohl: Kein Unzüchtiger oder Unreiner oder Habsüchtiger — denn das ist ein Götzendiener — hat Anteil an dem Reiche Christi und Gottes. 6 Laßt euch von niemand betrügen mit eitlen Worten; denn um solcher Dinge willen kommt der Zorn Gottes über die ungehorsamen Söhne. 7 Werdet also nicht ihre Genossen!
Kinder des Lichtes, keine Finsterlinge! 8 Denn einst waret ihr Finsternis, nun aber seid ihr Licht im Herrn. Wandelt als Kinder des Lichtes! 9 Die Frucht des Lichtes ist lauter Güte und Gerechtigkeit und Wahrheit. 10 Prüfet, was Gott wohlgefällig ist. 11 Nehmet nicht teil an den unfruchtbaren Werken der Finsternis, rückt sie vielmehr ins rechte Licht. 12 Denn alles, was im geheimen von ihnen getrieben wird, davon auch nur zu reden, ist schändlich. 13 Alles aber, was ins Licht gerückt wird, ist vom Lichte erhellt. 14 Denn alles, was offenbar wird, ist Licht. Darum heißt es: Wach auf, der du schläfst, steh auf von den Toten, und Christus wird dir aufleuchten! 14: „Christus wird dich erleuchten“, heißt es im lateinischen Text.. Die Stelle dürfte einem urchristlichen Hymnus entnommen sein, vielleicht aus der ältesten Taufliturgie. 15 Sehet also zu, Brüder, wie ihr vorsichtig wandelt, nicht wie Unweise, sondern wie Weise. 16 Erkaufet die Zeit; denn die Tage sind böse. 17 Seid daher nicht unverständig, sondern lernt einsehen, was der Wille des Herrn ist. 18 Berauschet euch nicht mit Wein; das führt zur Liederlichkeit. Werdet vielmehr des Geistes voll. 19 Redet zueinander in Psalmen und Lobgesängen und geistlichen Liedern; singet und jubelt dem Herrn in eurem Herzen. 20 Danket allezeit für alles Gott, dem Vater, im Namen unseres Herrn Jesus Christus.
Mahnung bezüglich des Familienlebens. 21 Ordnet euch einander unter in der Ehrfurcht vor Christus. 21: Wo einer im andern Christus sieht, fällt die Unterordnung nicht schwer, am wenigsten in der Ehe und Familie. 22 Die Frauen sollen ihren Männern untertänig sein wie dem Herrn. 23 Denn der Mann ist das Haupt der Frau, wie Christus das Haupt der Kirche ist, er, der Erlöser seines Leibes. 23: Diese Stelle gehört zum Erhabensten, was sich über die Ehe sagen läßt: Der Mann ist Abbild Christi, des Erlösers seines Leibes, der Kirche. Die Frau ist Abbild der bis zu Selbsthingabe von Christus geliebten Kirche, der Braut Christi. Nicht Selbstsucht führt sie zusammen, sondern der Wille, sich gegenseitig zu heiligen. Eines wird dem andern zum zweiten Ich. Und diese Einheit in der Zweiheit ist eingegliedert in die übernatürliche Lebensgemeinschaft mit Christus. Die Ehe ist also unendlich mehr als ein „weltlich Ding“. 24 So wie die Kirche Christus unterworfen ist, so seien es die Frauen ihren Männern in allem. 25 Ihr Männer, liebet eure Frauen, so wie Christus die Kirche geliebt und sich selbst für sie hingegeben hat, 26 um sie zu heiligen, indem er sie reinigte im Wasserbade durch das Wort [des Lebens]. 27 Herrlich wollte er die Kirche für sich selbst darstellen, ohne Makel, ohne Runzel oder andere Fehler; heilig sollte sie vielmehr sein und ohne Fehl. 28 So sollen die Männer ihre Frauen lieben wie ihren eigenen Leib. Wer sein Weib liebt, liebt sich selbst. 29 Denn niemand hat je sein eigenes Fleisch gehaßt, sondern er hegt und pflegt es, so wie Christus die Kirche. 30 Wir sind ja Glieder seines Leibes, [von seinem Fleisch und seinem Gebein]. 31 Darum wird der Mann seinen Vater und seine Mutter verlassen und seinem Weibe anhangen, und die zwei werden ein Fleisch sein (1 Mos 2,24). 32 Dieses Geheimnis ist groß; ich sage dies aber in bezug auf Christus und die Kirche. 33 Jedenfalls sollt auch ihr, einer wie der andere, seine Frau lieben wie sich selbst. Die Frau aber soll vor ihrem Manne Ehrfurcht haben.
6 1 Ihr Kinder, gehorchet euren Eltern im Herrn; denn so gehört es sich. 2 „Du sollst Vater und Mutter ehren“, das ist das erste Gebot mit einer Verheißung: 3 „auf daß es dir wohlergehe und du lange lebest auf Erden.“ 4 Ihr Väter, verbittert eure Kinder nicht, sondern erziehet sie in der Lehre und Zucht des Herrn. 5 Ihr Knechte, gehorchet euren leiblichen Herren mit Furcht und Zittern, in Einfalt eures Herzens, als gälte es Christus, — 6 nicht in Augendienerei, um Menschen zu gefallen, sondern als Diener Christi, die den Willen Gottes tun von Herzen. 7 Leistet euren Dienst mit willigem Sinn, als gälte es dem Herrn und nicht Menschen. 8 Ihr wißt ja: Ein jeder, der Gutes tut, wird Lohn empfangen vom Herrn, sei er Knecht oder Freier. 9 Ihr Herren, handelt ebenso gegen sie [die Knechte]. Lasset das Schelten. Bedenket, daß sie ebenso wie ihr einen Herrn im Himmel haben, bei dem kein Ansehen der Person gilt.
Die christliche Waffenrüstung
10 Im übrigen, [meine Brüder,] werdet stark im Herrn durch seine mächtige Kraft. 11 Ziehet an die volle Waffenrüstung Gottes, daß ihr standhalten könnt gegen die Nachstellungen des Teufels. 12 Denn wir haben nicht bloß zu kämpfen mit Fleisch und Blut, sondern mit Mächten und Gewalten, mit den finsteren Weltbeherrschern, mit den bösen Geistern in den Höhen. 13 Leget darum an die volle Waffenrüstung Gottes, damit ihr am bösen Tage widerstehen und in allem unerschütterlich aushalten könnt. 14 Tretet also an, eure Lenden umgürtet mit Wahrheit. Ziehet an den Panzer der Gerechtigkeit, 15 beschuhet die Füße mit der Bereitschaft für die Frohbotschaft des Friedens. 16 Zu allem hin ergreifet den Schild des Glaubens, mit dem ihr alle feurigen Geschosse des Bösen auslöschen könnt. 16: Die Krieger im Altertum gebrauchten auch Pfeile mit verschiedenen brennbaren Stoffen an der Spitze, die vor dem Abschießen angezündet wurden. Paulus meint mit den „feurigen Geschossen“ die bösen Begierden, wohl auch die Verleumdungen und Anklagen von seiten der christenfeindlichen Juden und Heiden. 17 Nehmt den Helm des Heils und das geistige Schwert, das ist das Wort Gottes. 18 Mit allerlei Bitten und Gebeten flehet allezeit im Geiste. Seid dabei auch wachsam in beharrlicher Fürbitte für alle Heiligen. 19 Betet auch für mich, daß mir das rechte Wort gegeben werde, wenn ich den Mund auftue, um freimütig das Geheimnis der Heilsbotschaft zu verkünden. 20 Für diese bin ich ein Gesandter in Fesseln. Freimütig will ich dafür eintreten, wenn es meine Pflicht ist zu reden. 10-20: Paulus war während der Gefangenschaft ständig von einem Soldaten bewacht. In ihm sieht er das Bild des Christen als Gottesstreiter. Nicht um einen Kampf von Mensch gegen Mensch handelt es sich, sondern um das Niederringen des Fürsten der Finsternis und seiner Vasallen. Da reichen Menschenkräfte nicht aus. Das Gebet sichert die Hilfe von oben.
Schluß des Briefes
21 Damit ihr wißt, welches meine Lage ist und wie es mir geht, so soll Tydaikus, der vielgeliebte Bruder und treue Diener im Herrn, euch alles berichten. 22 Ich schicke ihn zu euch zu dem Zwecke, daß ihr erfahret, wie es um uns steht, und daß er eure Herzen tröste. 23 Friede sei den Brüdern und Liebe samt Glauben von Gott, dem Vater, und dem Herrn Jesus Christus. 24 Die Gnade sei mit allen, die unsern Herrn Jesus Christus liebhaben in Unvergänglichkeit! [Amen.]
Vorwort
Die Briefe des hl. Apostels Paulus
Der Völkerapostel und seine Briefe
Einleitung
Über keinen Apostel gibt uns die Apostelgeschichte soviel Auskunft wie über den heiligen Paulus. Dennoch ist dieses Bild nicht lückenlos und abgeschlossen, weil der heilige Lukas keine Lebensbeschreibung liefern, sondern den Siegeszug des Evangeliums bis in die Welthauptstadt Rom in ausgewählten Berichten schildern wollte. Unsere Kenntnis über den erfolgreichsten Verkünder des Evangeliums wird in wichtigen Punkten aus dessen eigenen Schriften ergänzt, wobei weniger das äußere Geschehen erzählt als die innere Entwicklung dieses „auserwählten Werkzeuges“ Gottes erkennbar wird. Keiner war in gleichem Maße wie Paulus dazu berufen, „den Heiden die unergründlichen Reichtümer Christi zu verkünden und allen klarzumachen, welches die Verwirklichung des Geheimnisses sei, das von Ewigkeit her in Gott, dem Schöpfer des Alls, verborgen war“ (Eph 3,8-9). Was wir über den Rahmen der Apostelgeschichte hinaus vom Lebensgang des Apostels aus seinen eigenen Schriften erfahren, wird durch die älteste Überlieferung bestätigt. Der Prozeß vor dem kaiserlichen Gerichtshof endete i. J. 63 mit Freisprechung. Wahrscheinlich hat sich Paulus dann zunächst für kurze Zeit nach Spanien begeben. Auf einer Fahrt nach Mazedonien und Kleinasien ließ er seinen Schüler Timotheus als Bischof in Ephesus zurück, den Titus auf Kreta. Um 66 wurde er zum zweitenmal „Gefangener Christi“ in Rom und starb dort i. J. 67 für seinen himmlischen Herrn durch Enthauptung.
Alle Schriften des Apostels sind Briefe. In ihrer geistigen Höhenlage sind sie weder reine Privatbriefe noch literarische Kunstepisteln. An Einzelpersonen oder bestimmte Gemeinden oder an eine Mehrheit von Gemeinden gerichtet, tragen sie den Charakter von Gelegenheitsschriften. In der Form passen sie sich dem damaligen Briefstil an und sind alle in der griechischen Weltsprache geschrieben. Der Apostel pflegte sie zu diktieren und einen eigenhändigen Gruß am Schlusse beizufügen. Ihre Gedankenfülle macht sie zu unerschöpflichen Quellen der göttlichen Offenbarung, zu Bergwerken des Geistes, wie der heilige Johannes Chrysostomus sagt. Zum Vorlesen beim Gottesdienst wurden sie bald vielmals abgeschrieben. Die heutige Reihenfolge ordnet sie nicht nach der Zeit der Abfassung, sondern nach dem Umfang und der Bedeutung, wobei der Hebräerbrief eine Größe für sich darstellt. Nicht alle Paulusbriefe sind uns erhalten geblieben. Unter den erhaltenen werden mehrere Gruppen unterschieden. Der Römerbrief, die beiden Korintherbriefe und der Galaterbrief heißen „die großen Gemeindebriefe“. Die Briefe an die Epheser, Kolosser, Philipper und an Philemon, die alle aus der ersten römischen Gefangenschaft stammen, werden als „Gefangenschaftsbriefe“ bezeichnet. Die zwei Schreiben an Timotheus und jenes an Titus werden „Pastoralbriefe“ genannt. Sie sind zeitlich die letzten, die Briefe an die Thessalonicher die ersten.
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