Heimgang Mariens
und Aufnahme in den Himmel
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Stand: 30. August 2023
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Der selige Heimgang Marias
Beitrag 1.1
Maria befindet sich in ihrem einsamen Zimmerchen oben auf der Terrasse. Sie ist ganz in weißes Linnen gekleidet. Sowohl das Kleid, als auch der Mantel, der am Hals geschlossen ist und über den Rücken herabfällt, und der feine Schlei-er, der das Haupt bedeckt – alles ist weiß.
Sie ist dabei, ihre Kleider und die Gewänder Jesu, die sie immer aufbewahrt hat, zu ordnen. Sie sucht die besseren heraus. Es sind nicht viele. Von ihren Kleidern nimmt sie das Kleid und den Mantel, die sie auf dem Kalvarienberg getragen hat; von den Gewändern ihres Sohnes das Leinenkleid, das Jesus an Sommertagen getragen hat, und den im Getsemani wiedergefundenen Mantel, an dem noch die Spuren des Blutschweißes dieser furchtbaren Stunden zu se-hen sind.
Nachdem sie diese Kleidungsstücke schön gefaltet und den blutigen Mantel ihres Jesus geküßt hat, begibt sie sich zu der Truhe, in der nun schon seit Jah-ren alle Reliquien des letzten Abendmahls und der Passion gesammelt und aufbewahrt sind. Sie tut alle diese Dinge in das obere Fach und legt die Kleider in das untere.
Johannes, der ganz leise auf die Terrasse heraufgekommen ist, schaut durch die Tür, was Maria tut. Vielleicht hat er sich Gedanken gemacht über ihre lange Abwesenheit von der Küche, die sie wohl verlassen hat, um die Morgenstun-den oben zu verbringen. Sie will gerade die Truhe schließen und dreht sich mit einem Ruck um, als er fragt: »Was tust du, Mutter?«
»Ich habe alles zurechtgelegt, was wert ist, aufbewahrt zu werden.
Alle Andenken . . . Alles, was Zeugnis ablegt von seiner unendlichen Liebe und seinem unendlichen Schmerz.«
»Warum, Mutter, willst du die Wunden deines Herzens wieder aufreißen durch den Anblick dieser traurigen Dinge? Du bist bleich, und deine Hand zittert . . . Du leidest also, wenn du sie betrachtest«, sagt Johannes und geht auf sie zu, fast als fürchte er, daß die so bleiche, zitternde Maria sich unwohl fühlen und ohnmächtig werden könnte.
Beitrag 1.2
»O nein, nicht deshalb bin ich bleich und zittere. Es ist nicht, weil die Wunden wieder aufbrechen . . . Sie haben sich in Wirklichkeit nie geschlossen, nie völl-ig geschlossen. Friede und Freude sind in mir, und noch nie zuvor waren sie so groß.«
»Nie zuvor? Ich verstehe nicht . . . In mir erweckt der Anblick dieser Dinge nur die furchtbare Erinnerung an die Qual dieser Stunden. Und ich bin nur einer seiner Jünger. Du aber bist die Mutter . . . «
»Und als solche müßte ich noch mehr leiden, willst du sagen. Und aus mensch-licher Sicht hast du recht. Aber es ist nicht so. Ich bin es gewohnt, den Schmerz der Trennung von ihm zu ertragen. Auch das ist ein Schmerz, denn seine Ge-genwart und Nähe waren mein Paradies auf Erden. Doch ich habe alles gerne und ruhigen Herzens ertragen, denn alles, was er tat, war der Wille des Vaters und war Gehorsam gegenüber dem Willen Gottes, und ich habe es angenom-men, da auch ich immer dem Willen Gottes und seinen Plänen mit mir gehor-sam gewesen bin.
Gewiß, denn ich fühlte mich verlassen. Als er mich, noch ein Knabe, unbe-merkt verlassen hatte, um mit den Gelehrten im Tempel zu disputieren, nur Gott weiß, was ich da gelitten habe. Trotzdem stellte ich ihm nur die für eine Mutter gerechtfertigte Frage, warum er mich so verlassen hatte, und sagte nichts weiter. Und ich habe ihn auch nicht zurückgehalten, als er mich verließ, um der Meister zu werden . . . und doch war ich schon Witwe und allein in ei-ner Stadt, die mich, mit Ausnahme weniger, nicht liebte. Und ich war über sei-ne Antwort bei der Hochzeit zu Kana nicht erstaunt. Er hat ja nur den Willen seines Vaters getan. Und ich ließ ihm die Freiheit, ihn zu tun. Ich konnte viel-leicht einen Rat erteilen oder ein Gebet sprechen. Einen Rat hinsichtlich der Jünger, ein Gebet für irgendeinen Unglücklichen. Doch mehr als das nicht. Ich litt, als er mich verließ, um in die Welt zu gehen, die ihm feind und so sündig war, daß das Leben in ihr für ihn zur Qual wurde. Aber welche Freude habe ich jedesmal empfunden, wenn er zu mir zurückkehrte! Wahrlich, sie war so groß, daß sie mir siebzigmal siebenmal den Schmerz der Trennung vergalt.
Beitrag 1.3
Herzzerreißend war der Schmerz der Trennung bei seinem Tod, aber mit wel-chen Worten soll ich dir die Freude beschreiben, die ich empfand, als er mir nach seiner Auferstehung erschien?
Unendlich groß war der Schmerz der Trennung nach seiner Rückkehr zum Va-ter, und ich wußte, daß er erst enden würde, wenn ich selbst dieses irdische Leben beendet habe.
Ich habe getan, was ich tun mußte. Ich habe meine irdische Mission abge-schlossen. Die andere, die himmlische, wird kein Ende haben. Gott hat mich auf Erden gelassen, bis auch ich, wie mein Jesus, alles vollbracht habe, was ich vollbringen mußte. Und ich fühle in mir die geheime Freude, den einzigen Balsamtropfen in dem letzten, über alle Maßen bitteren Leiden Jesu, die auch er fühlte, als er sagen konnte: „Es ist vollbracht.“«
»Freude bei Jesus? In jener Stunde?«
»Ja, Johannes. Eine den Menschen nicht verständliche Freude. Aber verständ-lich für die Seelen, die schon im Licht Gottes leben und in der Gnade dieses Lichtes die tieferen Dinge erkennen, die verborgen sind unter dem Schleier, mit dem der Ewige die Geheimnisse des Königs verhüllt. Angsterfüllt und er-schüttert durch diese Ereignisse, eins mit ihm, meinem Sohn, auch in der Ver-lassenheit vom Vater, verstand ich damals nicht. Das Licht war für die ganze Welt erloschen in jener Stunde, für die ganze Welt, die ihn nicht hatte aufneh-men wollen. Und auch für mich; nicht im Sinne einer gerechten Strafe, sondern weil ich die Miterlöserin sein mußte, mußte auch ich die Qual erdulden, allen göttlichen Trostes zu entbehren, die Qual der Finsternis, der Trostlosigkeit, der Versuchung durch Satan, der mich überzeugen wollte, daß alles, was Jesus gesagt hatte, nicht möglich sei. Alles, was er von Donnerstag bis Freitag see-lisch durchlitt, mußte also auch ich erleiden.
Auch die geheime und höchste Freude Christi, als er sagen konnte: „Alles ha-be ich vollbracht, wie es der Vater wollte. Ich habe das Maß der göttlichen Lie-be vollgemacht, da ich den Vater bis zum Opfer meiner selbst geliebt habe, da ich die Menschen bis in den Tod geliebt habe. Alles habe ich vollbracht, was ich zu tun hatte. Nun sterbe ich glücklich im Geist, obwohl gemartert in mei-nem unschuldigen Fleisch.“
Beitrag 1.4
Auch ich habe alles vollbracht, was mir von Ewigkeit zu vollbringen bestimmt war, von der Empfängnis des Erlösers bis zur Hilfe für euch, seine Priester, da-mit ihr vollkommene Priester werdet.
Die Kirche hat sich nun gebildet und ist stark. Der Heilige Geist erleuchtet sie, das Blut der ersten Märtyrer festigt sie und läßt sie wachsen, und meine Mit-hilfe hat dazu beigetragen, sie zu einem heiligen Organismus zu machen, den die Liebe zu Gott und dem Nächsten nährt und immer mehr stärkt und in dem der Haß, die Rachsucht und der Neid, die Lästerung, die schlechten Gewäch-se Satans nicht gedeihen.
Gott ist mit ihr zufrieden und will, daß ihr es von meinen Lippen vernehmt, wie er auch will, daß ich euch sage, daß ihr fortfahren sollt, in der Liebe zu wach-sen, um so an Vollkommenheit zuzunehmen, die Zahl der Christen zu mehren und die Kraft der Lehre zu stärken. Denn die Lehre Christi ist die Lehre der Liebe. Und die Liebe war immer Leitstern und Beweggrund des Lebens Jesu, wie auch meines Lebens. Wir haben niemanden abgewiesen und allen verzie-hen. Einem einzigen konnten wir keine Verzeihung gewähren, da er als Diener des Hasses sich unserer grenzenlosen Liebe verweigerte. Jesus hat euch bei seinem Abschied vor dem Tod das Gebot gegeben, einander zu lieben. Und er hat euch auch das Maß der Liebe genannt, das ihr anwenden sollt, als er zu euch sagte: „Liebet einander, wie ich euch geliebt habe. Daran wird man er-kennen, daß ihr meine Jünger seid.“
Vor allem die Liebe ihrer Diener. Wenn ihr einander nicht mit allen Kräften liebt und ebenso eure Brüder im Herrn, wird die Kirche unfruchtbar werden und nur mit Mühe und bei wenigen würde euch die Neuerschaffung, die Wiedererhe-bung der Menschen in ihren Rang als Kinder Gottes und Miterben des Him-mels gelingen, denn Gott würde euch bei eurer Aufgabe nicht mehr helfen.
Gott ist die Liebe. Alle seine Werke sind Werke der Liebe.
Ich sage all dies zu dir, weil du der Apostel der Liebe bist und es besser als alle anderen verstehen kannst . . . «
Beitrag 1.5
Johannes unterbricht sie und sagt: »Auch die anderen lieben, lieben sich ge-genseitig.«
»Ja. Aber du bist der vollkommen Liebende. Jeder von euch hatte immer eine für ihn charakteristische Eigenschaft, wie im übrigen jedes Geschöpf.
Aber du, der du ganz Liebe bist, kannst besser verstehen und dich zur Stimme der Liebe machen für all die anderen, die jetzt ferne sind, und ihnen meinen letzten Rat übermitteln. Du wirst ihnen sagen, daß sie einander und alle lieben sollen, auch ihre Verfolger, um eins zu sein mit Gott wie ich es war und so ver-dient habe, die auserwählte Braut der ewigen Liebe zu werden und Christus zu empfangen.
Die Worte der Propheten standen vor meinem geistigen Auge und das göttli-che Licht ließ sie mich in aller Klarheit erkennen. Daher wußte ich von meinem ersten 'Fiat' an, das ich zum Engel sprach, daß ich mich dem größten Schmerz weihte, den eine Mutter erleiden kann. Aber nichts konnte meiner Liebe Gren-zen setzen, denn ich wußte, daß sie für alle, die sie üben, Kraft und Licht ist, der Magnet, der emporzieht, das Feuer, das alles, was es durchglüht, läutert und verschönt, verwandelt und über das Menschliche hinaushebt.
Beitrag 1.6
Ja, die Liebe ist wahrlich eine Flamme. Die Flamme, die das Wertlose, das Ver-faulte, das Schlechte, den elenden Menschen verzehrt und ihn zum reinen, des Himmels würdigen Geist macht. Wieviel Fäulnis, wie viele befleckte, ver-dorbene, gestrandete Menschen werdet ihr auf eurem Weg als Künder des Evangeliums finden! Verachtet keinen. Liebt sie alle, damit sie zur Liebe finden und sich retten. Flößt ihnen die Liebe ein. Oft wird ein Mensch schlecht, weil niemand ihn je geliebt oder nur schlecht geliebt hat. Ihr sollt sie lieben, damit der Heilige Geist wieder Wohnung nehmen kann in diesen Tempeln, die so vie-les verödet und verunreinigt hat.
Bei der Erschaffung des Menschen hat Gott weder einen Engel noch edle Ma-terie verwendet. Er nahm Lehm, die niedrigste Materie. Dann erhob er diese niedrige Materie in den erhabenen Rang eines Adoptivkindes Gottes, indem er ihr seinen Atem, also wiederum seine Liebe, einhauchte.
Mein Sohn hat auf seinem Weg viele heruntergekommene, in den Schlamm gefallene Menschen gefunden. Er zertrat sie nicht voll Verachtung. Er hob sie vielmehr liebevoll auf, nahm sie an und verwandelte sie in Erwählte des Him-mels.
Denkt immer daran. Und tut, was er getan hat.
Und schreibt sie nieder, damit sie den zukünftigen Menschen bis ans Ende der Zeiten erhalten bleiben und den Menschen guten Willens immer als Richt-schnur dienen, um das Leben und die ewige Herrlichkeit zu erlangen. Ihr könnt natürlich nicht alle leuchtenden Worte des ewigen Wortes, des Lebens und der Wahrheit wiederholen. Aber schreibt nieder, soviel ihr niederschreiben könnt. Der Geist Gottes, der auf mich herabgekommen ist, damit ich der Welt den Er-löser schenke, und der auch auf euch herabgekommen ist, das eine und das andere Mal, wird euch helfen, euch zu erinnern und so zu den Menschen zu sprechen, daß sie sich zum wahren Gott bekehren.
So werdet ihr die geistige Mutterschaft fortsetzen, die für mich auf dem Kalva-rienberg begonnen hat, um dem Herrn viele Kinder zu schenken. Und derselbe Heilige Geist wird in den wiedergeborenen Kindern des Herrn sprechen und ihnen so viel Kraft schenken, daß es ihnen süß erscheinen wird, unter Qualen zu sterben und Exil und Verfolgungen zu erdulden, um ihre Liebe zu Christus zu bekennen und ihm in den Himmel nachzufolgen, wie es Stephanus, Jako-bus, mein Jakobus, und andere schon getan haben.
Beitrag 1.7
"Übrigens habe Ich Mich, wie du siehst, schon gereinigt und das saubere Gewand angelegt, das Gewand der ewigen Hochzeit . . ."
Johannes erbleicht und ist noch bestürzter als zuvor, als Maria gesagt hat, sie fühle ihre Aufgabe nun beendet, und er unterbricht sie und ruft flehend:
»O Mutter, warum sprichst du so? Ist dir nicht gut?«
»Nein.«
»Du willst mich also verlassen?«
»Nein. Ich werde bei dir bleiben, solange ich auf Erden bin. Aber bereite dich darauf vor, mein Johannes, allein zu sein.«
»Dann bist du also doch krank und willst es mir verbergen . . . !«
»Nein, glaube mir. Ich habe mich noch nie so bei Kräften, so voller Frieden und Freude gefühlt wie jetzt. Ich empfinde in mir einen solchen Jubel, eine solche übernatürliche Lebensfülle, daß . . . ja, daß ich glaube, es nicht mehr ertragen und weiterleben zu können. Ich bin ja nicht unsterblich. Das mußt du verste-hen. Meine Seele ist unsterblich, der Leib nicht. Er ist wie jeder menschliche Leib dem Tod verfallen.«
»Nein, nein, rede nicht so. Du kannst nicht, du darfst nicht sterben! Dein makel-loser Leib kann nicht sterben wie der eines Sünders!«
»Du irrst, Johannes. Mein Sohn ist gestorben! Und auch ich werde sterben.
Und im übrigen sollst du wissen, mein Sohn, daß mein Wunsch, mein innigster und eigenster Wunsch, seit er mich verlassen hat, genau dies ist. Dies ist mein größter, mein einziger Wunsch. Ich kann sogar sagen: mein einziger Wille.
Alles andere in meinem Leben war nur Unterordnung meines Willens unter den göttlichen Willen.
Alles in meinem Leben war der Wille Gottes und mein Gehorsam seinem Wil-len gegenüber.
Doch dies, mit Jesus vereint zu sein, ist mein ganz eigener Wille. Die Erde zu verlassen, um in den Himmel einzugehen und auf ewig und ununterbrochen bei ihm zu sein! Mein Wunsch seit so vielen Jahren! Und nun fühle ich, daß er bald in Erfüllung gehen wird. Sei nicht so betrübt, Johannes! Höre meinen letz-ten Willen.
Du nennst mich oft: „Die wahre Lade, die das göttliche Wort in sich birgt.“ Nun ist dir bekannt, daß die Bundeslade nur vom Hohenpriester gesehen werden darf. Du bist Priester und viel heiliger und reiner als der Hohepriester im Tem-pel. Aber ich möchte, daß nur der Ewige Hohepriester zu seiner Zeit meinen Leib sieht. Darum rühre mich nicht an.
Beitrag 1.8
Warum weinst du, Johannes?«
»Weil der Sturm des Schmerzes in mir wütet. Ich verstehe, daß ich dich bald verliere! Wie werde ich ohne dich weiterleben können? Dieser Gedanke zer-reißt mir das Herz! Ich werde diesem Schmerz nicht standhalten können.«
»Du wirst ihm standhalten. Gott wird dir helfen, noch lange weiterzuleben, so wie er auch mir geholfen hat. Denn hätte er mir nicht geholfen auf Golgota und im Ölgarten, beim Tod Jesu und bei seiner Himmelfahrt, dann wäre ich gestor-ben, wie Isaak gestorben ist. Er wird dir helfen, zu leben und nicht zu verges-sen, was ich dir zuvor gesagt habe, zum Wohl aller.«
»Oh, ich werde mich erinnern. An alles. Und ich werde deinen Willen tun, auch hinsichtlich deines Körpers. Und ich verstehe, daß die hebräischen Bräuche nicht mehr taugen für dich, die Christin, die Reinste, die, dessen bin ich gewiß, nicht der Verwesung des Fleisches anheimfallen wird. Dein Leib, der vergött-licht ist wie kein anderer sterblicher Leib, kann dem Gesetz der Verwesung, des Zerfalls allen toten Fleisches nicht unterworfen sein, da du ohne den Ma-kel der Erbsünde bist, und mehr noch, da du, abgesehen von der Fülle der Gnade, in dir selbst die Gnade, das Wort getragen hast und deshalb wahrlich ein Teil von ihm bist. Dieses wird das letzte Wunder Gottes an dir, in dir sein, daß du so erhalten bleibst, wie du bist . . . «
»Dann weine nicht mehr!« sagt Maria und betrachtet das so betrübte, tränen-überströmte Gesicht des Apostels. Und sie fügt hinzu:
»Ich werde dich trotzdem verlieren, auch wenn du unverwest erhalten bleibst. Ich fühle es und der Schmerz tobt in mir wie ein heftiger Sturmwind. Ein Sturm-wind, der mich entwurzelt und zu Boden schmettert.
Du warst mein Alles, besonders seit meine Eltern gestorben und die anderen Brüder weit fort sind, die leiblichen Brüder und die Brüder in der Sendung, selbst der geliebte Margziam, den Petrus mit sich genommen hat. Nun bleibe ich allein zurück, im wildesten Sturm.« Und Johannes fällt Maria zu Füßen und weint noch verzweifelter.
Beitrag 1.9
Maria neigt sich über ihn, legt ihm die Hand auf das von Schluchzen geschüt-telte Haupt und sagt: »Nein, nicht so. Warum quälst du mich? Du warst so stark unter dem Kreuz und dies war doch eine Szene unvergleichlichen Schre-ckens, sowohl durch die Furchtbarkeit seines Martyriums als auch durch den satanischen Haß des Volkes! So stark warst du, und sein und mein Trost! Und heute, an diesem heiteren, ruhigen Sabbatabend bei mir, die ich so glücklich bin über die bevorstehende unermeßliche Freude, bist du so verzweifelt?!
Mache es wie alles, was uns umgibt und was in mir ist, oder besser, werde eins damit. Alles ist Frieden. Finde auch du Frieden. Nur die Ölbäume rau-schen leise in der stillen Abendluft. Und dieses leise Rauschen ist so friedvoll, als würden Engel um das Haus fliegen. Und vielleicht sind sie wirklich da.
Denn in jeder wichtigen Stunde meines Lebens waren mir Engel nahe, einer oder viele.
Engel und Licht, immer in den entscheidenden Augenblicken meines Lebens und des Lebens Jesu. Licht und Liebesglut, die vom Thron Gottes zu mir, sei-ner Dienerin, herabstiegen und aus meinem Herzen zu Gott emporstiegen, die mich, seine Magd, mit ihm, meinem Herrn und König, verbanden, mich mit Gott, ihn mit mir, damit erfüllt würde, was geschrieben steht; und auch, damit ein Lichtschleier die Geheimnisse Gottes verhülle und Satan und seine Knech-te nicht vor der Zeit die Erfüllung des höchsten Wunders der Menschwerdung erkennen könnten.
Beitrag 1.10
Und ich fühle das Licht in mir und um mich zunehmen, ein überwältigendes Licht gleich dem, das mich umgab, als ich Christus empfing und als ich ihn ge-bar. Ein Licht, das aus einer Fülle der Liebe kommt, die mächtiger ist als sonst. Durch eine ähnliche Macht der Liebe entriß ich dem Himmel das Wort vor der Zeit, damit es Mensch und Erlöser werde.
»Wahrscheinlich nicht nur deine Seele allein. Und die Erde wird dir antworten und dich mit ihren Völkern und Nationen verherrlichen, ehren und lieben, so-lange die Welt besteht, so wie Tobias es von dir, wenngleich verhüllt, vorherge-sagt hat; denn du bist wahrlich jene, in der der Herr gewohnt hat. Du allein hast Gott so viel Liebe geschenkt wie alle Hohenpriester und alle anderen vom Tempel zusammen im Laufe der Jahrhunderte. Glühende und reinste Liebe. Deshalb wird Gott dich mehr als selig machen.«
»Und wird meinen einzigen Wunsch, mein einziges Verlangen erfüllen. Denn die so große Liebe, die beinahe so vollkommen ist wie die meines Sohnes und Gottes, vermag alles, auch was nach menschlichem Ermessen unmöglich er-scheint. Vergiß dies nicht, Johannes. Und sage es auch deinen Brüdern.
Ihr werdet so sehr bekämpft werden. Hindernisse aller Art werden euch eine Niederlage fürchten lassen; Fallen eurer Verfolger und die Abtrünnigkeit von Christen mit der Moral eines Iskariot werden euch bedrücken. Fürchtet nicht.
Liebt und fürchtet euch nicht. In dem Maß, in dem ihr lieben werdet, wird Gott euch helfen und euch zum Sieger über alle und alles machen. Alles erhält man, wenn man zum Seraf wird. Dann schwingt sich die Seele, dieses Wunderbare, Ewige, der Atem Gottes, den er uns eingehaucht hat, zum Himmel empor, fällt wie ein Feuerfunke am Fuß des Thrones Gottes nieder, spricht und wird von Gott angehört und erlangt vom Allmächtigen, was sie erbittet. Wenn die Men-schen zu lieben wüßten, wie es das alte Gesetz gebietet und wie mein Sohn liebte und zu lieben gelehrt hat, dann würden sie alles erlangen.
Beitrag 1.11
Das Maß meiner Fähigkeit zu lieben ist nun über voll. Meine Seele und mein Fleisch können sie nicht mehr fassen! Die Liebe strömt über, überflutet mich und erhebt mich gleichzeitig zum Himmel und zu Gott, meinem Sohn. Und sei-ne Stimme sagt zu mir: „Komm! Komm heraus! Steige herauf zu unserem Thron und in unsere dreifache Umarmung!“ Die Erde, alles, was mich umgibt, versinkt in dem großen Licht, das mir vom Himmel entgegenströmt! Alle Ge-räusche werden von dieser himmlischen Stimme übertönt!
Johannes, obwohl immer noch betrübt, ist etwas ruhiger geworden, während er Maria zugehört hat. Bei ihren letzten Worten sieht er sie verzückt an und ist nun auch selbst fast in Ekstase und ebenso blaß wie Maria, deren Blässe sich jedoch langsam in strahlend weißes Licht wandelt. Er eilt zu ihr, um sie zu stüt-zen, und ruft aus: »Du gleichst Jesus, als er auf dem Tabor verklärt wurde! Dein Fleisch leuchtet wie der Mond, deine Kleider strahlen wie ein Diamant vor einer hellweißen Flamme! Du bist nicht mehr von dieser Welt, Mutter! Die Schwere und die Undurchsichtigkeit des Fleisches sind verschwunden. Du bist Licht. Aber du bist nicht Jesus. Er, der nicht nur Mensch, sondern auch Gott war, konnte sich selbst aufrecht halten, dort auf dem Tabor, und auch hier im Ölgarten, als er auffuhr. Du kannst es nicht. Komm. Ich will dir helfen, deinen
müden, seligen Leib auf dein Lager zu betten. Ruhe dich aus.«
Und voller Liebe geleitet er sie zu ihrem armen Lager, auf das Maria sich legt, ohne ihren Mantel abzulegen. Sie kreuzt die Arme über der Brust, senkt die Lider über ihre sanften, vor Liebe leuchtenden Augen und sagt zu Johannes, der sich über sie neigt: »Ich bin in Gott. Und Gott ist in mir. Während ich ihn betrachte und seine Umarmung fühle, sprich du die Psalmen und alle die Stel-len der Heiligen Schrift, die sich auf mich beziehen, besonders in dieser Stun-de. Der Geist der Weisheit wird sie dir zeigen. Sprich dann das Gebet meines Sohnes, wiederhole mir die Worte des Erzengels bei der Verkündigung und die Worte Elisabets an mich, und meinen Hochgesang . . . Ich werde dir folgen mit dem, was von mir noch auf dieser Welt ist . . . «
Johannes kämpft mit den Tränen, die aus seinem Herzen aufsteigen, zwingt sich, die ihn verwirrende Rührung zu beherrschen, und mit seiner schönen Stimme, die im Laufe der Jahre der Stimme Christi sehr ähnlich geworden ist – was Maria mit einem Lächeln bemerkt: »Mir ist, als hätte ich meinen Jesus an meiner Seite« – stimmt er den Psalm 118 an, den er beinahe ganz sagt; dann folgen die drei ersten Verse des 41. Psalms, die ersten acht Verse des 38. Psalms, der 22. Psalm und der 1. Psalm. Schließlich betet er das Vaterunser,
wiederholt die Worte Gabriels und Elisabets, den Gesang des Tobias, die Ver-se 11–46 des Kapitels 24 aus Ekklesiastes. Und zuletzt stimmt er noch das Magnifikat an. Aber als er beim neunten Vers ankommt, merkt er, daß Maria nicht mehr atmet, obwohl sie ihre natürliche Haltung und ihr Aussehen nicht verändert hat und friedlich lächelt, so als habe sie das Ende ihres Lebens nicht bemerkt.
Beitrag 1.12
Johannes wirft sich mit einem Aufschrei zu Boden, gegen die Einfassung des Lagers und ruft Maria wieder und wieder. Er kann es nicht fassen, daß sie ihm nicht mehr antworten kann und daß kein Leben mehr in ihrem Körper ist. Er beugt sich über das Antlitz Marias, das einen Ausdruck übernatürlicher Freude beibehalten hat, und Tränen über Tränen fallen auf dieses sanfte Antlitz und auf die reinen Hände, die gekreuzt auf der Brust liegen.
Nachdem der erste Schmerz sich gelegt hat, erinnert Johannes sich an den Wunsch Marias und nimmt die Enden des weiten Leinenmantels, die über die Bettkante hängen, und die des Schleiers und schlägt sie über ihren Körper und ihr Antlitz. Maria gleicht nun einer Statue aus weißem Marmor auf dem Deckel eines Sarkophags.
Dann ordnet er die Dinge im Raum anders an, entfernt alles Überflüssige und läßt nur das Bett, einen kleinen Tisch an der Wand, auf den er den Schrein mit den Reliquien stellt, einen Hocker, den er zwischen die Tür zur Terrasse und das Bett, auf dem Maria ruht, stellt, und ein kleines Regal, auf dem die Lampe steht, die Johannes anzündet, da es bereits Abend wird.
Schließlich geht er rasch in den Ölgarten hinunter und sammelt, was er an Blu-men finden kann, und Ölzweige, die schon Früchte tragen. In den Raum zurü-ckgekehrt, legt er im Schein der Lampe Blumen und Zweige wie eine große Krone um den Körper Marias. Während dieser Arbeit spricht er zu der Schla-fenden, als ob Maria ihn hören könnte.
Er sagt: »Du warst immer die Lilie der Täler, die wunderbare Rose, der schöne Ölbaum, der fruchtbare Weinstock, die heilige Ähre. Du hast uns deine Wohl-gerüche, das Öl des Lebens, den Wein der Starken und das Brot gegeben, das den Geist jener vor dem Tod bewahrt, die sich würdig von ihm nähren. Sie pas-sen zu dir, diese Blumen, denn sie sind einfach und rein wie du, mit Dornen ge-ziert und friedfertig wie du. Nun wollen wir diese Lampe näherrücken. So, an dein Bett, damit sie bei dir wacht und mir Gesellschaft leistet, während ich wa-che und darauf warte, daß wenigstens eines der Wunder geschieht, um die ich bete.
Aber warum sollte es anders sein? Die Tochter des Jaïrus, der Jüngling von Naïn, der Sohn des Theophilus wurden wieder lebendig . . . Allerdings hat der Meister dies noch bewirkt . . . Aber er ist mit dir, auch wenn ich ihn nicht sehe. Und du bist nicht an einer Krankheit gestorben, wie die durch Christus Wieder-erweckten.
Aber bist du denn wirklich gestorben? So gestorben, wie jeder Mensch ster-ben muß? Nein! Ich fühle, daß es nicht so ist. Dein Geist ist nicht mehr in dir, in deinem Körper, und in diesem Sinn könnte man von Tod sprechen. Aber in An-betracht der Art und Weise deines Heimgangs glaube ich, daß dies nur eine vorübergehende Trennung deiner schuldlosen Seele voll der Gnade von dei-nem reinsten, jungfräulichen Leib ist. Es muß so sein! Es ist so! Wie und wann die Wiedervereinigung stattfinden und das Leben in dich zurückkehren wird, weiß ich nicht. Doch ich bin so sicher, daß es geschehen wird, daß ich hier an deiner Seite bleiben werde, bis Gott mir durch sein Wort oder seinen Eingriff die Wahrheit über dein Schicksal zeigt.«
Johannes, der nun alles wohl geordnet hat, setzt sich auf den Hocker, stellt die Lampe neben das Bett auf den Boden und betrachtet betend die Schlafende.
Aufnahme Marias in den Himmel
Beitrag 2.1
Wie viele Tage sind wohl vergangen? Es ist schwierig, es mit Sicherheit zu sagen. Nach den Blumen zu schließen, die den leblosen Körper umkränzen, könnte man glauben, es seien erst einige Stunden verflossen. Aber wenn man die Ölzweige sieht, auf denen die frischen Blumen liegen und deren Blätter schon ganz vertrocknet sind und auch die anderen verwelkten Blumen, die wie Reliquien auf der Truhe liegen, dann kommt man zu dem Schluß, daß bereits mehrere Tage vergangen sind.
Der Tod hat keine Spuren auf ihrem Antlitz und den kleinen Händen hinterlas-sen. Kein unangenehmer Geruch im Zimmer. Im Gegenteil!
Johannes, der seit wer weiß wie vielen Tagen schon wacht, ist, von Müdigkeit überwältigt, auf seinem Hocker eingeschlafen und lehnt mit dem Rücken an der Wand, neben der offenen Tür, die auf die Terrasse führt. Das Licht der am Boden stehenden Lampe beleuchtet ihn von unten, so daß ich sein müdes und sehr bleiches Gesicht sehen kann, das nur rings um die Augen vom Weinen gerötet ist.
Die Morgendämmerung muß eben angebrochen sein, denn ihr schwacher Schein läßt die Terrasse und die das Haus umgebenden Ölbäume erkennen. Dann wird der Schein heller, fällt durch die Tür, und man sieht auch die Dinge im Raum deutlicher, die vorher kaum zu unterscheiden waren, da das Licht des Lämpchens nicht weit genug reicht.
Beitrag 2.2
Er sieht, wie der noch reglose Leib Marias von der Engelschar immer höher hinaufgetragen wird
Johannes, der sich, immer noch schlafend, schon mehrmals auf seinem Hock-er bewegt hat, als würden das helle Licht und der Klang der Engelsflügel ihn stören, wird nun wach durch diesen mächtigen Akkord und einen starken Luft-zug, der durch das offene Dach und zur Tür hinaus weht, eine Art Wirbel bildet, in die Decken des nun leeren Bettes und in die Kleider des Johannes fährt, die Lampe löscht und die Tür mit einem lauten Knall zuschlägt.
Der Apostel sieht sich noch ziemlich verschlafen um, um festzustellen, was ge-schieht. Er bemerkt das leere Bett und das offene Dach, fühlt, daß ein Wunder geschehen ist und läuft auf die Terrasse hinaus. Wie durch eine innere Einge-bung oder eine himmlische Aufforderung hebt er den Kopf und beschattet sich die Augen mit der Hand, damit ihn die aufgehende Sonne nicht blendet. Und er sieht.
Wie zum letzten Gruß flattert ein Zipfel des Mantels und des Schleiers im durch den raschen Aufstieg oder die Flügel der Engel entstandenen Wind. Und die Blumen , die Johannes rings um den Leib Marias gelegt und wieder erneuert hat und die gewiß in den Falten des Gewandes hängengeblieben sind, regnen auf die Terrasse und auf die Erde des Getsemani, während das mächtige Ho-sanna der Engelschar sich immer weiter entfernt und immer leiser wird.
Beitrag 2.3
Johannes schaut immer noch dem Leib nach, der zum Himmel auffährt. Und durch ein ihm von Gott gewährtes Wunder – um ihn zu trösten und ihn für sei-ne Liebe zur Adoptivmutter zu belohnen –
Johannes schaut und schaut.
Johannes, immer noch auf das Mäuerchen der Terrasse gestützt, schaut und betrachtet diese immer höher hinaufschwebende, herrliche, leuchtende göttli-che Gestalt – denn das darf man Maria wohl nennen, die Gott einzigartig er-schaffen hat und unbefleckt wollte, damit sie das fleischgewordene Wort in sich trage. Und ein letztes, größtes Wunder gewährt der Gott der Liebe diesem seinem vollkommen Liebenden:
Nun sieht Johannes nichts mehr.
Beitrag 2.4
Er neigt das Haupt. Auf seinem müden Antlitz mischt sich der Schmerz über den Verlust Marias mit der Freude über ihre glorreiche Aufnahme. Doch die Freude siegt über den Schmerz.
Er sagt: »Danke, mein Gott! Danke! Ich habe geahnt, daß es so kommen wür-de. Und ich wollte wachen, um keinen Augenblick ihrer Himmelfahrt zu versäu-men. Aber seit drei Tagen habe ich nicht mehr geschlafen. Der Schlaf, die Mü-digkeit, zusammen mit dem Schmerz haben mich genau dann überwältigt, als die Aufnahme bevorstand. Vielleicht hast du selbst es so gewollt, o Gott, damit ich in diesem Augenblick nicht störe und nicht zu sehr leide . . . Ja, gewiß! Du hast es so gewollt, wie du auch gewollt hast, daß ich sehe, was ich ohne ein Wunder von dir nicht hätte sehen können.
O selige, unerwartete Vision, die ich nie zu erhoffen gewagt hätte. O größtes Geschenk der Geschenke Jesu, meines Gottes, für seinen Johannes! O höch-ste Gnade! Meinen Meister und Herrn wiederzusehen! Ihn mit der Mutter zu sehen! Er die Sonne, sie der Mond. Beide nun über alle Maßen strahlend und herrlich im Glück der ewigen Vereinigung!
Wie schön muß nun das Paradies sein, da ihr in ihm leuchtet, ihr schönsten Sterne des himmlischen Jerusalem! Welche Freude für die Chöre der Engel und der Heiligen! Und so groß ist meine Freude, die Mutter mit ihrem Sohn gesehen zu haben, daß sie all ihren Schmerz, den Schmerz von beiden, und auch den meinen, vergessen läßt und der Friede bei mir einzieht.
Von den drei Wundern, die ich von Gott erbeten hatte, haben zwei sich erfüllt.
Ich habe gesehen, wie das Leben wieder in Maria zurückgekehrt ist, und ich fühle den Frieden in mich zurückkehren. Meine ganze Angst ist verschwunden, denn ich habe sie in der Herrlichkeit vereint gesehen. Ich danke dir dafür, o Gott! Und ich danke dir, daß du mir gewährt hast, das Schicksal der Heiligen, wie es nach dem Jüngsten Gericht sein wird, in diesem allerheiligsten, aber doch menschlichen Geschöpf zu schauen; und die Auferstehung des Fleisches und seine Wiedervereinigung, seine Verschmelzung mit der in der Todesstunde zum Himmel aufgestiegenen Seele.
Ich mußte nicht schauen, um zu glauben, denn ich habe immer fest an jedes
Wort des Meisters geglaubt. Aber viele werden bezweifeln, daß das zu Staub zerfallene Fleisch nach Jahrhunderten und Jahrtausenden wieder ein leben-diger Körper werden kann. Diesen werde ich sagen können, indem ich auf die erhabensten Dinge schwöre, daß nicht nur Christus wieder lebendig geworden ist durch seine eigene göttliche Macht, sondern daß auch seine Mutter, nach-dem sie drei Tage tot gewesen war – wenn man ein solches Hinscheiden Tod nennen kann – wieder ins Leben zurückgekehrt ist und mit Leib und Seele ihren Platz in der ewigen himmlischen Wohnung an der Seite ihres Sohnes eingenommen hat.
Ich werde sagen können:
Ich habe ihre Leiber zum Himmel auffahren sehen. Und ich kann es bezeugen. Lebt als Gerechte, um eines Tages in der neuen ewigen Welt mit Seele und Leib bei Jesus, der Sonne und Maria, dem Stern aller Sterne, sein zu können.“
Ich danke dir noch einmal, mein Gott! Und nun will ich sammeln, was von ihr noch geblieben ist, die Blumen, die aus ihrem Gewand gefallen sind und die Ölzweige, die noch auf dem Bett liegen, und alles wohl aufbewahren. Sie wer-den dienen . . . Ja, sie werden dazu dienen, meinen Brüdern Hilfe und Trost zu spenden. Meinen Brüdern, auf die ich vergeblich gewartet habe. Früher oder später werde ich sie wiederfinden . . . «
Beitrag 2.5
Er sammelt auch die einzelnen Blütenblätter in seinen Mantel, die sich im Fal-len abgelöst haben, und kehrt in das Zimmer zurück. Dann betrachtet er auf-merksam die Öffnung über dem Bett und ruft:
»Ein weiteres Wunder! Eine andere wunderbare Verhältnismäßigkeit der Wun-der im Leben Jesu und Marias. Er, Gott, ist selbst auferstanden, sein Wille hat den Stein vom Grab entfernt, und aus eigener Kraft ist er in den Himmel aufge-fahren. Allein. Für Maria, die Heiligste, aber die Tochter von Menschen, haben Engel eine Öffnung für ihre Himmelfahrt geschaffen und wiederum mit Hilfe von Engeln wurde sie aufgenommen. In den Leib Christi kehrte die Seele zurück, als er noch auf Erden weilte, denn so mußte es sein, um seine Feinde zum Schweigen zu bringen und alle seine Anhänger im Glauben zu bestärken.
Vollkommene Macht der unendlichen Weisheit Gottes . . . !«
Johannes legt nun die Blumen und Zweige, die auf dem Bett zurückgeblieben sind, auf ein Tuch, zusammen mit denen, die er draußen gesammelt hat, und legt alles auf den Deckel der Truhe.
Dann öffnet er sie und legt das kleine Kopfkissen Marias und ihre Bettdecke hinein, geht in die Küche hinunter und holt noch andere Gegenstände, die sie benützt hat: die Spindel, den Rocken und das Geschirr, und tut alles zu den übrigen Dingen in die Truhe. Endlich schließt er die Truhe, setzt sich auf den Hocker und ruft aus:
Zu gehen, das göttliche Wort auszusäen, das der Meister mir gegeben hat, da-mit ich es an die Menschen weitergebe und sie die Liebe lehre. Nun kann ich sie lehren, damit sie an die Liebe glauben und an ihre Macht.
Sie werden erfahren, was der Gott der Liebe für die Menschen getan hat, und sein Opfer, seine Sakramente und die ewigen Riten kennenlernen, durch die wir bis ans Ende der Zeiten mit Jesus Christus in der Eucharistie verbunden sein und den Ritus und das Opfer erneuern können, wie er es uns aufgetragen hat.
Die Liebe lieben zu lehren, damit die Menschen an sie glauben, wie wir ge-glaubt haben und glauben. Die Liebe zu säen, auf daß die Ernte und der Fisch-fang für den Herrn reich seien.
Die Liebe vermag alles, hat Maria gesagt, als sie das letzte Mal zu mir gespro-chen hat; zu mir, den sie mit Recht den Liebenden in der Gruppe der Apostel genannt hat, den Lieben den schlechthin, das Gegenstück zu Iskariot, der der Haß war, so wie Petrus das Ungestüm, Andreas die Sanftmut und die Söhne des Alphäus die Heiligkeit und die Weisheit und auch die Vornehmheit waren.
Die Liebe soll meine Waffe und Lehre sein. Durch sie werde ich den Satan und das Heidentum besiegen und viele Seelen gewinnen. Und so werde ich Jesus und Maria fortsetzen, die die vollkommene Liebe auf Erden waren.«
Erläuterungen / Erklärungen
zum Heimgang und Himmelfahrt Marias
Beitrag 3.1
(Teil 1)
»Ich soll gestorben sein?
Ja, wenn man die Trennung des erhabenen Teils des Geistes vom Körper Tod nennen will. Aber nicht, wenn man unter Tod die Trennung der lebengebenden Seele vom Leib, den Zerfall der nicht mehr von der Seele belebten Materie ver-steht, und zuvor das schaurige Grab, und als erstes den Todeskampf.
An jenem Abend, die Sabbatruhe hatte schon begonnen, sprach ich mit Johan-nes von Jesus. Von seinen Angelegenheiten. Die Abendstunde war friedvoll. Der Sabbat hatte allem Lärm der Menschenwerke ein Ende gemacht. Und die Abendstunde hatte alle menschlichen Stimmen und auch die Vögel verstum-men lassen. Nur die Ölbäume rings um das Haus rauschten im Abendwind und Engelsflügel schienen die Wände des einsamen Hauses zu streifen.
Wir sprachen von Jesus, vom Vater, vom Himmelreich. Von der Liebe und vom Reich der Liebe sprechen bedeutet, das lebendige Feuer entzünden und die Bande der Materie verbrennen, um den Geist für seine mystischen Flüge zu befreien. Und wenn das Feuer sich auch in den Grenzen hält, die Gott aufer-legt, um die Geschöpfe in seinem Dienst auf Erden zu erhalten, kann man le-ben und brennen und verbrennt doch nicht in dieser Glut, sondern vervollstän-digt sein Leben. Aber wenn Gott die Begrenzung aufhebt und dem göttlichen Feuer die Freiheit läßt, die Seele vollkommen in Besitz zu nehmen und an sich zu ziehen, und die Seele sich ihrerseits vollkommen der Liebe hingibt, dann löst sie sich von der Materie und fliegt, wohin die Liebe sie treibt und einlädt.
An jenem Abend gesellte sich zur grenzenlosen Liebesglut, zur unfaßbaren Le-bendigkeit meiner Seele eine süße Mattigkeit, ein geheimnisvolles Gefühl des Fernseins der Materie von allem, was mich umgab, als würde der Körper müde einschlafen, während der Intellekt, der noch klarere Verstand, sich in die gött-liche Herrlichkeit vertiefte.
Johannes, der liebende und umsichtige Zeuge all meiner Handlungen, seit er gemäß dem Willen meines Eingeborenen mein Adoptivsohn geworden war, überredete mich sanft, mich auf meinem Lager auszuruhen, und wachte be-tend bei mir.
Sie waren für mich wie das Wiegenlied einer Mutter. Sie begleiteten meine Seele in ihrer letzten, unaussprechlich erhabenen Ekstase. Sie begleiteten mich in den Himmel.
Beitrag 3.1
(Teil 2)
Johannes, der einzige Zeuge dieses süßen Geheimnisses, hat mich allein ge-bettet und in meinen weißen Mantel gehüllt, ohne mein Gewand und meinen Schleier zu wechseln, ohne Waschungen oder Einbalsamierungen vorzuneh-men.
... wie seine Worte zwischen dem Pfingstfest und meiner Himmelfahrt klar zum Ausdruck brachten; und ich hatte dem Apostel gesagt, was er zu tun haben würde. Und er, der Keusche, der Liebende und Bedachtsame im Umgang mit den Geheimnissen Gottes und der fernen Gefährten, beschloß, das Geheimnis zu wahren und auf die anderen Diener Gottes zu warten, damit sie mich noch einmal sehen und aus diesem Anblick Trost und Kraft in ihren Leiden und Mü-hen schöpfen könnten. Er wartete, als sei er ihres Kommens gewiß. Aber Gott hatte andere Pläne. Er war, wie immer, gut zu dem Lieblingsjünger. Er war, wie immer, gerecht zu allen Gläubigen. Er ließ die Lider des Johannes schwer wer-den, damit der Schlaf ihm die Qual erspare, auch meinen Leib entrückt zu se-hen. Er schenkte den Gläubigen eine Wahrheit mehr, um sie zu bestärken im Glauben an die Auferstehung des Fleisches, an den Lohn eines ewigen und seligen Lebens, das den Gerechten beschieden ist, und an die größten und süßesten Wahrheiten des Neuen Testamentes:
Als ich von den Engeln aus dem Haus geholt wurde, war da meine Seele schon in meinen Körper zurückgekehrt? Nein. Die Seele durfte nicht mehr auf die Er-de zurückkehren. Sie war schon anbetend vor dem Thron Gottes. Doch als ich die Erde, das Exil, die Zeit und den Ort der Trennung von meinem einen und dreieinen Herrn für immer verlassen hatte, kehrte der Geist ins Innerste meiner Seele zurück und entriß das Fleisch dem Schlaf, und es ist daher richtig zu sa-gen, daß ich mit Leib und Seele in den Himmel aufgenommen wurde, nicht aus eigener Kraft wie Jesus, sondern mit Hilfe der Engel.
Ich er wachte aus diesem geheimnisvollen, mystischen Schlaf, erhob mich und schwebte, da mein Fleisch nun die Vollkommenheit der verherrlichten Leiber besaß. Und ich liebte. Ich liebte meinen wiedergefundenen Sohn und Herrn, den Einen und Dreieinen, ich liebte ihn, wie es allen ewig Lebenden bestimmt ist.«
Beitrag 3.2
»Als ihre letzte Stunde gekommen war, legte Maria, meine Mutter, sich auf ihr Lager und verschloß ihre Augen für alles, was sie umgab, um sich in einer letzten stillen Betrachtung in Gott zu sammeln – wie eine müde Lilie, die all ihren Duft verströmt hat, sich im Licht der Sterne neigt und ihren reinen Kelch schließt.
Auch Johannes, der irdische Engel, neigte sich über diese geheimnisvolle Ru-he und wachte seinerseits über die Mutter, die im Begriff war, ihn zu verlassen. Und als er sah, daß ihr Leben erloschen war, wachte er weiterhin über ihren friedvollen, schönen Schlaf, damit sie auch im Tod nicht von profanen und neugierigen Blicken entweiht würde und immer die Unbefleckte, die Braut und Mutter Gottes bleibe.
Kein Grab hat den Leichnam Marias aufgenommen, denn es hat nie einen Leich-nam Marias im herkömmlichen Sinn gegeben, da Maria niemals gestorben ist wie alle anderen Lebewesen. Sie hatte sich nur auf göttliche Anordnung von ihrer Seele getrennt, und mit dieser, die ihr vorangegangen war, vereinte sich ihr heiligstes Fleisch. Entgegen den üblichen Gesetzen, nach denen die Eksta-se endet, wenn die Verzückung endet, wenn also die Seele in ihren normalen Zustand zurückkehrt, war es der Leib Marias, der sich nach der langen Ruhe auf dem Totenbett wieder mit der Seele vereinte.
Ich habe das Grab aus eigener Kraft und ohne Hilfe verlassen. Maria kam zu mir, zu Gott, in den Himmel, ohne das Grab mit seinen Schrecken der Verwe-sung und der Finsternis kennengelernt zu haben. Dies ist eines der leuchtend-sten Wunder Gottes. Aber kein einzigartiges, wenn man an Henoch und Elija denkt, die dem Herrn teuer waren und von der Erde genommen wurden, ohne den Tod kennenzulernen, und an einen nur Gott und den Bewohnern des Him-mels bekannten Ort gebracht wurden. Sie waren Gerechte, aber ein Nichts im Vergleich zu meiner Mutter, die an Heiligkeit nur Gott nachsteht. Deshalb gibt es keine Reliquien vom Leib und vom Grab Marias. Denn ...
Beitrag 3.3
»Die Empfängnis meines Sohnes war eine Ekstase. Die Geburt eine noch größere Ekstase.
Nur während der Passion machte keine Ekstase meine furchtbaren Leiden er-träglicher.
Das Haus, aus dem ich in den Himmel aufgenommen wurde, war eine der un-zähligen Großzügigkeiten des Lazarus gegenüber Jesus und seiner Mutter.
Das kleine Haus in Getsemani war nahe dem Ort der Himmelfahrt Jesu. Es hat keinen Sinn, nach Überresten zu suchen. Bei der Zerstörung Jerusalems durch die Römer ist auch dieses Haus zerstört worden und seine Ruinen sind im Lau-fe der Jahrhunderte verschwunden.«
Beitrag 3.4
(Teil 1)
»Wie die Geburt meines Sohnes für mich eine Ekstase war, und ich aus der Verzückung in Gott, in die ich zu dieser Stunde geriet, erst wieder erwachte und auf die Erde zurückkehrte, als ich das Kind in den Armen hielt, so war das, was man fälschlicher weise meinen Tod nennt, eine Verzückung in Gott.
Da ich mich fest auf das Versprechen verließ, das ich im Feuer des Pfingst-morgens erhalten hatte, glaubte ich, daß der Augenblick des letzten Besuches der Liebe, der mich mit sich nehmen würde, sich ankündigen würde durch eine Zunahme der Liebesglut, die immer in mir brannte. Und ich irrte mich nicht.
Dieses Verlangen wurde gefördert durch den Wunsch, mich mit meinem Sohn zu vereinigen, und durch die Gewißheit, daß ich auf Erden nie so viel für die Menschen tun könnte wie durch mein Gebet und Wirken am Thron Gottes.
Und mit immer größerer Sehnsucht und mit allen Kräften meiner Seele schrie ich zum Himmel:
Die Eucharistie, die für mich dasselbe war wie der Tau für die dürstende Blu-me, war Leben, ja; aber je mehr Zeit verging, desto weniger konnte sie der un-beschreiblichen Sehnsucht meines Herzens genügen. Es genügte mir nicht mehr, mein göttliches Kind in mich aufzunehmen und es in den heiligen Gestal-ten in mir zu tragen, wie ich es in meinem jungfräulichen Fleisch getragen hatte. Mein ganzes Sein verlangte nach Gott dem Einen und Dreieinen, aber nicht unter dem von meinem Jesus gewählten Schleier, unter dem er das unergründ-liche Geheimnis des Glaubens verbarg, sondern so, wie er war, ist und sein wird als Mittelpunkt des Himmels.
Mein Sohn entzündete mich bei seinen eucharistischen Begegnungen mit Um-armungen unendlicher Sehnsucht und jedesmal, wenn er mit der ganzen Macht seiner Liebe zu mir kam, riß er in einer ersten Aufwallung beinahe meine Seele mit sich.
Beitrag 3.4
(Teil 2)
Dann verweilte er mit unendlicher Zärtlichkeit in mir, nannte mich „Mama“, und ich fühlte seine Sehnsucht, mich ganz bei sich zu haben. Ich wünschte nichts anderes mehr. Nicht einmal den Wunsch, über die entstehende Kirche zu wa-chen, hatte ich mehr in der letzten Zeit meines irdischen Lebens. Alles war auf-gegangen in dem Wunsch, Gott zu besitzen, da ich überzeugt war, daß alles vermag, wer Gott besitzt.
Ihr Christen solltet zu dieser totalen Liebe gelangen. Alles, was irdisch ist, soll-te für euch an Wert verlieren. Strebt nur nach Gott. Wie reich werdet ihr sein in dieser Armut der Sehnsucht, die unermeßlicher Reichtum ist. Gott wird sich zu eurer Seele neigen, um sie zuerst zu unterweisen und dann an sich zu neh-men, und mit ihr werdet ihr zum Vater, zum Sohn und zum Heiligen Geist auf-steigen und sie in der seligen Ewigkeit kennenlernen und lieben und ihren Reichtum der Gnade für die Brüder besitzen.
Die Annäherung der ewigen Liebe offenbarte sich, wie ich es geahnt hatte.
Man sagt oft, daß ich gejubelt hätte, wenn mir in jener Stunde mein Sohn bei-gestanden hätte. Doch mein süßer Jesus war mit dem Vater durchaus anwe-send, als die Liebe, also der Heilige Geist, die dritte Person der ewigen Drei-einigkeit, mir den dritten Kuß meines Lebens gab, den so göttlich mächtigen Kuß, daß ich in ihm meine Seele aushauchte und sie sich in der Betrachtung verlor gleich dem von der Sonne aufgesogenen Tautropfen im Kelch einer Lilie.
Und dann, im gegebenen Augenblick, zog ich wie eine in Feuer gefaßte Perle – zuerst getragen, dann gefolgt von der Schar der Engelgeister, die gekommen waren, um mir bei meiner ewigen Geburt für den Himmel beizustehen, schon vor der Schwelle der Himmel von meinem Jesus erwartet und auf der Schwelle von meinem gerechten irdischen Bräutigam, den Königen und den Patriarchen meines Geschlechtes, den ersten Heiligen und Märtyrern - nach so viel Schmerz und Demut der armen Magd des Herrn als Königin in das Reich der immer wäh-renden Freude ein und der Himmel schloß sich wieder in der Freude, mich zu besitzen, seine Königin zu besitzen, deren Leib als einziger unter allen sterbli-chen Körpern vor der letzten Auferstehung und dem Jüngsten Gericht verherr-licht worden war.«
Beitrag 3.5
»Meine Demut erlaubte mir nicht zu denken, daß mich im Himmel eine so gro-ße Herrlichkeit erwarten würde. Ich war mir fast sicher, daß mein menschliches Fleisch, das geheiligt war, weil es Gott getragen hatte, die Verwesung nicht schauen würde; denn Gott ist Leben und wenn er ein Geschöpf mit sich selbst durchdringt und erfüllt, so ist dies wie ein vor der Verwesung bewahrendes, duftendes Öl.
Ich war nicht nur unbefleckt geblieben, ich war nicht nur mit Gott in einer keu-schen, befruchtenden Umarmung vereinigt gewesen, sondern ich war auch bis in mein tiefstes Inneres durchdrungen worden von der Ausstrahlung der in mei-nem Schoß verborgenen Gottheit, die sich in sterblichem Fleisch verhüllen wollte.
Doch daß die Güte des Ewigen seiner Magd die Freude vorbehalten hatte, an ihren Gliedern die Berührung der Hand des Sohnes, seine Umarmung und sei-nen Kuß zu verspüren, mit ihren Ohren seine Stimme zu hören und mit ihren Augen sein Antlitz zu sehen, das hätte ich nie zu erwarten gewagt, und ich hät-te es auch nicht verlangt.
Aber zum Zeugnis seines ersten schöpferischen Gedankens, in Anbetracht dessen, daß die Menschen von ihm, dem Schöpfer, für das Leben bestimmt waren, um dann ohne Tod vom irdischen Paradies in das himmlische, in das ewige Reich einzugehen, wollte Gott mich, die Unbefleckte, mit Leib und Seele im Himmel. Unmittelbar nachdem mein irdisches Leben beendet war.
Ich bin der sichere Beweis für das, was Gott für den Menschen geplant und gewollt hatte:
... bei dem, wie man die Schwelle eines Hauses überschreitet und den Palast des Königs betritt, der Mensch mit seinem vollständigen, aus dem materiellen Leib und der geistigen Seele bestehenden Sein von der Erde ins Paradies hin-übergegangen wäre.
Dies war nach dem Willen Gottes allen Geschöpfen zugedacht, die Gott und der Gnade treu bleiben. Die Vollkommenheit, die sie erlangen im vollen Licht des Himmels, das sie erfüllt, wenn sie zu Gott, der ewigen Sonne, die sie er-leuchtet, eingehen.
Gott hat mich, die ich mit Leib und Seele in die Herrlichkeit des Himmels auf-genommen wurde, den Patriarchen, Propheten und Heiligen, den Engeln und Märtyrern gezeigt und gesagt:
Um ihres unbefleckten Herzens willen, das keinen Makel, auch nicht den ge-ringsten, kannte, öffne ich nun die Schätze des Himmels, und um ihres Haup-tes willen, in dem nie der Hochmut wohnte, fasse ich meinen Glanz in einen Stirnreif und kröne sie, denn:
Im Himmel gibt es keine Tränen. Aber anstelle der Freudentränen, die die See-len vor Rührung vergossen hätten, wenn sie weinen könnten, gab es nach die-sen göttlichen Worten ein Sprühen und Funkeln von Lichtern, ein Farbenspiel von immer größerer Pracht, ein Aufflammen von Liebesglut in immer hellerem Feuer und den unübertrefflichen und unbeschreiblichen Klang himmlischer Harmonien, mit denen sich die Stimme meines Sohnes vereinigte zum Lob Gottes des Vaters und seiner auf ewig seligen Magd.«
Beitrag 3.6
Letzte Erläuterung / Erklärung
»Es gibt einen Unterschied zwischen der Trennung der Seele vom Körper beim wirklichen Tod und der zeitweisen Trennung des Geistes vom Körper durch Ek-stase oder kontemplative Verzückung.
Während die Trennung der Seele vom Körper den wirklichen Tod hervorruft, führt die kontemplative Verzückung, also das zeitlich beschränkte Entweichen des Geistes aus den Schranken der Sinne und der Materie, nicht zum Tod und dies deshalb, weil die Seele sich nicht gänzlich vom Körper löst und trennt, sondern dies nur mit ihrem besten Teil tut, der sich in das Feuer der Kontem-plation versenkt.
... aber nur die großen Liebenden Gottes erreichen die wahre Kontemplation.
Dies beweist, daß die Seele, die am Leben erhält, solange sie im Körper weilt - und dies ist bei allen Menschen so - einen höheren Teil in sich birgt: die Seele der Seele oder den Geist des Geistes, die bei den Gerechten sehr stark aus-geprägt sind, während sie bei denen, die Gott und sein Gesetz nicht lieben oder sich auch nur ihrer Lauheit und läßlichen Sünden hingeben, schwach werden und den Menschen um die Fähigkeit bringen, Gott und seine ewigen Wahrheiten zu betrachten und zu erkennen, soweit dies für ein menschliches Geschöpf je nach dem Grad der erlangten Vollkommenheit möglich ist.
Der mit einer vernunftbegabten Seele ausgestattete Mensch ist eine Schale, die Gott mit sich selbst füllt. Maria, das heiligste der Geschöpfe nach Christus, war eine von Gott über volle Schale, die über die Brüder in Christus aller Zei-ten Gnaden, Liebe und Erbarmen fließen läßt. Von den Wogen der Liebe über-flutet, verließ sie diese Erde und nun, im Himmel zum Ozean der Liebe gewor-den, ergießt sie über die ihr treuen Kinder und auch über die verlorenen Söhne ihre Ströme der Liebe für das Heil der Welt, sie, die Mutter aller Menschen.«
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