Die Verkündigung
Auswahl
Stand: 20. April 2024
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Nr.
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Überschrift | Stand | |
2024 |
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1 | Die Verkündigung | ||
1.1 | Maria bleibt in diesem Verlangen versunken | 16.03. | |
1.2 | Siehe die Magd Gottes! Es geschehe Mir nach Seinem Worte! | 24.03. | |
2 |
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2.1 | Sie ist noch gekleidet wie im Augenblick der Verkündigung | 12.04. | |
2.2 | Ein Bote ist gekommen, einer, der nicht lügen kann | NEU | 20.04. |
Beitrag 1
Die Verkündigung
Maria als junges Mädchen, nach ihrem Aussehen zu schließen, höchstens fünfzehn Jahre alt, in einer kleinen rechteckigen Kammer, einem richtigen Jungmädchenzimmer. Angelehnt an eine der beiden längeren Seiten befindet sich eine Bettstatt: ein niedriges Bettgestell ohne Rand, bedeckt mit dicken
Matten oder Teppichen.
An der anderen Längsseite steht ein Regal mit einer Öllampe, Pergamentrollen und einer mit Sorgfalt zusammengelegten Näharbeit. Seitlich davon, gegen die Tür hin, die geöffnet ist und in den Garten führt, aber von einem vom Winde bewegten Vorhang verhängt ist, sitzt auf einem Schemel die Jungfrau. Sie spinnt weißen seidenweichen Flachs. Ihre kleinen Hände, nur um ein wenig blasser als der Flachs, drehen flink die Spindel. Das jugendliche Gesichtchen ist wunderschön, leicht geneigt und lächelt, als ob sie einen lieblichen Gedan-ken hege oder verfolge.
Es ist still im Häuschen und im Garten. Es liegt tiefer Friede sowohl auf dem Antlitz Marias als auch auf ihrer Umgebung. Friede und Ordnung. Alles ist sauber und wohlgeordnet, und der Wohnraum ist bescheiden im Aussehen und in der Einrichtung, fast kahl wie in einer Zelle, hat aber etwas Strenges und Königliches an sich wegen der großen strahlenden Reinheit und der Sorgfalt, mit der die Stoffe des Ruhelagers angeordnet sind, die Buchrollen, die Lampe, der kleine Krug aus Bronze mit einem Strauß blühender Zweige.
Maria beginnt leise zu singen und erhebt dann leicht die Stimme. Sie geht nicht zu lautem Gesang über. Aber es ist schon eine Stimme, die in der Kam-mer vibriert und ein Schwingen der Seele wiedergibt.
Es muß eine liebliche Erinnerung sein, denn sie legt nun ihre Hände, die noch Spindel und Faden halten, in den Schoß, erhebt das Haupt, und lehnt es rück-wärts an die Wand. Während ein sanftes Rot ihr Gesicht färbt, verliert sich der Blick in irgendeinem lieblichen Gedanken; Tränen leuchten auf, ihre Augen je-doch laufen nicht über, sondern werden nur größer. Zugleich strahlen diese Augen und lächeln einem Gedanken zu, den sie wahrnehmen und der sie ab-lenkt von allem Sichtbaren. Das Antlitz Marias, das aus dem weißen, höchst einfachen Kleid rosenrot hervor wächst und umrahmt wird von Zöpfen, die sie wie eine Krone um das Haupt gewunden hat, gleicht einer prächtigen Blume.
Der Gesang verwandelt sich in Gebet:
Maria bleibt in diesem Verlangen versunken.
Der Vorhang flattert stärker, wie wenn ihn jemand, der dahinter steht, rüttelte, um ihn zur Seite zu schieben. Und sieh da: ein Licht, weiß wie mit Silber ver-mischter Perlenglanz, erleuchtet die leicht gelblichen Wände, belebt die farbi-gen Stoffe, vergeistigt das erhabene Gesicht Marias.
Beitrag 1.2
In diesem Licht, und ohne daß der Vorhang zurückgezogen wird vor dem Ge-heimnis, das sich nun vollzieht – im Gegenteil, schon rührt er sich nicht mehr und hängt vielmehr steif an den Türpfosten herab, als wäre er eine Wand, die das Innere vom Äußeren trennt – verneigt sich tief der Erzengel.
Er muß notgedrungen das Aussehen einer menschlichen Gestalt annehmen; aber es ist dennoch ein überirdisches.
Da sind ein Gesicht, ein Körper, Augen, Mund, Haare und Hände wie bei uns. Aber es handelt sich nicht um unsere undurchsichtige Materie. Es ist ein Licht, das die Farbe des Fleisches, der Augen, der Haare und der Lippen angenom-men hat; ein Licht, das sich bewegt und lächelt, das schaut und spricht.
Maria fährt zusammen und schlägt die Augen nieder. Noch mehr erschrickt sie, als sie dieses leuchtende Wesen in etwa einem Meter Entfernung auf den Kni-en sieht, die Hände über der Brust gekreuzt und in den Augen den Ausdruck unendlicher Ehrfurcht.
Maria steht auf, schmiegt sich an die Wand und wird abwechselnd bleich und rot. Ihr Antlitz verrät Schrecken und Bestürzung. Unbewußt preßt sie die Hän-de auf die Brust und verbirgt sie unter den weiten Ärmeln; sie beugt sich fast vor, als wolle sie ihren Körper so weit wie möglich verbergen. Ein Ausdruck lieblicher Schamhaftigkeit.
Aber Maria fürchtet sich immer noch. Woher ist dieses außergewöhnliche We-sen gekommen? Ist es ein Abgesandter Gottes oder einer des Verführers?
Nun kreuzt Maria ihrerseits die Hände über der Brust, verbeugt sich tief und spricht:
Der Engel erstrahlt voller Freude.
Er betet an, denn sicherlich sieht er den Geist Gottes sich niederlassen über der Jungfrau, die sich in Ergebung beugt; dann verschwindet er, ohne den Vor-hang zu bewegen, den er über das heilige Geheimnis gebreitet läßt.
Beitrag 2
Die Schwangerschaft Elisabeths
wird Josef verkündet
Es ist Abend, denn die Schatten beginnen, sich in dem Raum auszubreiten, der zuvor vom Licht des Himmels überflutet war. Maria kniet neben ihrem Bettchen; sie betet mit auf der Brust gekreuzten Armen, das Antlitz tief zur Erde gebeugt.
Alles ist gleichgeblieben: der blühende Zweig in der Vase, das Bettzeug in der-selben Ordnung, nur der Spinnrocken und die Spindel sind in eine Ecke ge-lehnt, mit dem Werg der Stammwolle der eine, die andere mit dem schimmern-den Faden umwickelt.
Maria hört nun auf zu beten und erhebt sich, das Antlitz von einer Flamme er-leuchtet. Der Mund lächelt, aber in ihren blauen Augen glänzen Tränen. Sie nimmt das Öllicht und entzündet es mit dem Feuerstein. Sie schaut umher, ob auch alles in der Kammer in Ordnung sei. Sie rückt die Decke der Lagerstätte zurecht, die sich etwas verschoben hatte. Sie gießt Wasser in die Vase des blühenden Zweiges und trägt sie hinaus in die frische Nacht. Dann kommt sie
zurück, nimmt die zusammengefaltete Stickerei vom Regal und das brennen-de Licht; so geht sie hinaus, die Tür hinter sich schließend.
Sie macht einige Schritte im Gärtchen, an der Hauswand entlang, dann betritt sie das Zimmerchen, in dem ich den Abschied Jesu von Maria gesehen habe.
Maria verschwindet, sie nimmt das Licht in einen kleinen benachbarten Raum mit.
Dann kommt sie wieder, geht in das Gärtchen hinaus und kehrt mit Äpfeln und Gemüse zurück. Sie legt die Äpfel auf den Tisch in eine Schale mit eingeleg-tem Metall.
Dann begibt sie sich in die Küche.
Es vergeht einige Zeit, dann kehrt Maria mit einem kleinen braunen Brot und einem Napf warmer Milch zurück. Sie setzt sich und taucht Brotstücke in die Milch. Sie ißt langsam. Dann läßt sie eine halbe Tasse zurück, geht von neuem in die Küche, kommt mit Gemüse zurück, gießt Öl darüber und ißt es mit dem Brot. Sie stillt ihren Durst mit der restlichen Milch. Dann nimmt sie einen Apfel
und ißt ihn.
Maria ißt und denkt und lächelt bei einem Gedanken, der sie innerlich be-schäftigt. Sie hebt die Augen, läßt sie über die Wände schweifen und scheint ihnen ihr Geheimnis mitteilen zu wollen.
Sie hört ein Klopfen an der Tür, erhebt sich und öffnet. Josef tritt ein. Sie be-grüßen einander. Dann setzt sich Josef auf der anderen Seite des Tisches auf einen Schemel Maria gegenüber.
Bevor er sich setzt, legt er den Mantel ab.
Beitrag 2.2
Noch bevor er sich niedersetzt, bietet er Maria zwei Hühnereier und eine große Weintraube an; sie ist fast überreif, aber in gutem Zustand. Er lächelt und sagt: »Das hat man mir von Kana gebracht. Die Eier hat mir der Zenturio für eine Ar-beit an seinem Wagen gegeben. Ein Reifenrad war gebrochen, und sein Arbei-ter ist krank. Sie sind frisch. Er hat sie aus dem Hühnerstall geholt. Trinke sie. Sie werden dir gut tun.«
»Morgen, Josef. Ich habe jetzt gerade gegessen.«
»Aber die Weintraube kannst du nehmen. Sie ist gut und süß wie Honig. Ich habe sie vorsichtig getragen, um sie nicht zu beschädigen. Iß sie! Ich habe noch andere. Ich werde sie dir morgen in einem Körbchen bringen. Heute war es mir nicht möglich, denn ich komme direkt vom Haus des Zenturio.«
»Dann hast du also noch nicht zu Abend gegessen.«
»Nein, aber das tut nichts.«
Maria erhebt sich sofort, geht in die Küche und kommt mit einer Schale Milch, Oliven und Käse zurück. »Ich habe sonst nichts«, sagt sie. »Nimm ein Ei!«
Josef will nicht. Die Eier sind für Maria. Er ißt aber mit Appetit den Käse und trinkt die noch lauwarme Milch. Dann nimmt er einen Apfel. Das Abendessen ist beendet.
Maria nimmt ihre Näharbeit zur Hand, nachdem sie das Geschirr vom Tisch geräumt hat. Josef hilft ihr und bleibt in der Küche, auch nachdem sie wieder zurückgekehrt ist. Ich höre, wie er dort alles an seinen Platz stellt. Er schürt und belebt das Feuer, denn der Abend ist frisch.
Als er zurückkommt, dankt ihm Maria. Sie sprechen miteinander.
Josef erzählt, wie er den Tag verbracht hat. Er spricht von seinem kleinen Nef-fen, interessiert sich für die Arbeit Marias und für ihre Blumen. Er verspricht ihr, Blumen zu bringen, sehr schöne, die ihm der Zenturio versprochen hat. »Es sind Blumen, die wir nicht haben. Sie kommen aus Rom. Er hat mir Setzlinge versprochen. Wenn dann der Mond günstig steht, werde ich sie pflanzen. Sie haben herrliche Farben und einen feinen Duft. Ich habe sie im vergangenen Jahr im Sommer gesehen, denn sie blühen im Sommer. Sie werden dein gan-zes Haus in Wohlgeruch hüllen.«
Maria lächelt und dankt. Dann folgt ein Schweigen. Josef schaut auf das blon-de Haupt Marias, die über ihre Näharbeit gebeugt ist.
Wie jemand tut, wenn er einen Entschluß faßt, so legt Maria ihre Näharbeit in ihren Schoß und sagt: »Auch ich habe dir etwas zu sagen. Ich habe fast nie etwas zu sagen, denn du weißt, wie zurückgezogen ich lebe. Aber heute habe ich eine Neuigkeit. Ich habe nämlich Nachricht erhalten, daß unsere Verwand-te Elisabet, die Frau des Zacharias, bald einen Sohn haben wird.«
Josef macht große Augen und sagt: »In diesem Alter?«
»In diesem Alter!« antwortet Maria lächelnd. »Der Herr vermag alles. Und jetzt hat er unseren Verwandten diese Freude schenken wollen.«
»Wie hast du es erfahren? Ist die Nachricht sicher?«
Ich möchte zu Elisabet gehen, um ihr zu helfen und ihr zu sagen, daß ich mich mit ihr freue. Wenn du erlaubst.«
»Maria, du bist meine Frau, und ich bin dein Knecht. Alles, was du tust, ist gut getan. Wann willst du abreisen?«
»So schnell wie möglich. Aber ich werde mehrere Monate abwesend sein.«
»Und ich werde die Tage zählen bis zu deiner Rückkehr, ziehe unbesorgt! Für dein Haus und deinen kleinen Garten werde ich sorgen. Du wirst deine Blumen so schön vorfinden, wie wenn du sie gepflegt hättest. Nur warte! Ich muß vor Ostern nach Jerusalem, um einige Gegenstände für meine Arbeit zu kaufen. Wenn du noch einige Tage wartest, kann ich dich bis dorthin begleiten. Weiter nicht; denn ich muß rasch zurückkehren. Aber bis dorthin können wir zusam-men reisen. Ich bin auch ruhiger, wenn ich dich nicht allein auf dem Weg weiß. Laß mich deine Rückkehr wissen, dann werde ich dir entgegenkommen.«
»Du bist so gut, Josef. Der Herr möge es dir mit seinem Segen vergelten und alles Leid von dir fernhalten! Ich bitte ihn immer darum.«
Es wird wieder still für einige Zeit. Dann erhebt sich Josef. Er legt den Mantel um, zieht die Kapuze über den Kopf und grüßt Maria, die sich ebenfalls erho-ben hat, und geht. Maria schaut ihm mit einem Seufzer nach. Dann erhebt sie die Augen zum Himmel.
Sie verschließt sorgfältig die Tür, legt ihre Näharbeit zusammen, geht in die Küche, löscht und bedeckt das Feuer. Sie schaut, ob alles an seinem Platz ist, nimmt das Licht, geht hinaus und schließt die Tür. Sie rückt mit der Hand die Flamme zurecht, die im kühlen Nachtwind flackert, tritt ein in ihr Zimmer und betet wieder.
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